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GESCHICHTE

DES

JÜDISCHEN VOLKES

IM

ZEITALTER JESU CHRISTI

VON

D. EMIL SCHÜRER

OllDKSlI.. l'ltOKKSSiM! 1>KI( IHKOUHilK ZI UOUIJ(*iKN

DRITTE AUFLAGE

DRITTER liANU

DAS JÜDENTHUM IN DER ZEKÖTREUUNG UND DIE JÜDISCHE UTERATUR

^ 'iSir^

LEIPZIG

J. C. HINRICHS'SCHE BÜCHHANDLUNG

1898

Das Recht der UebersetzunK wird vorb«hftlti>n.

Inhalt.

Dritter Tlieil.

Das Judenthum in der Zerstreuung und die jüdische Literatur.

8«it«

S 31, Djw Judeuthuiu iu der Zerstreuuug. Die ProselyUi. 1

I. Ausbreitung _*

Euphratiüuder 5. Byrieu und Arabien 8. Kleinatdeu 9. Aegyp-

teu 19. Cyrenaica 25. Griechenland und dielnseln 2(i. Italien 28.

II. Gemeinde-Verfassung 38

1. Innere Organisation der Gemeinden. . . >

2. Staatsrechtliche Stellung der Gemeinden . III. Bürgerliche Gleichberechtigung

rV. Religiöses Leben >■

V. Die Proselyten .

Verschiedene Arten 122. Proselyten des Thore> i_'>. i'ro»»- lyten taufe 129.

v?. 32. Die palästinensisch-jüdische Literatur . ' -

I. Die Geschichtschreibung

1. Das erste Makkabäerbuch

2. Die Geschichte des Johannes Hyrkanus . i'

3. Josephus' Greschichte des jüdischen Kriege^ 1 17

II. Die Psalmendichtung . . . 14^

1. Die Psalmen der Makkabäerzeit . . 148

2. Die Psalmen Salomo's 150

III. Die Spruchweisheit 157

1. Jesus Sirach 157

2. Die Pirke Aboth ItiO

IV. Die paränetische Erzählung 167

1. Das Buch Judith 167

2. Das Buch Tobit 174

V. Prophetische Pseudepigraphen 1^1

1. Das Buch Daniel l^Ü

2. Die Bücher Henoch II*»

a. Das aethiopische Henochbuch ll^i

b. Das slavische Henochbuch .... 209

IV luliult.

8«ito

8. Die AHHumptio MohIk . M'l

4. Die ApokiilypHc Hurucir

ö. Du« vierte Hiieh Ehhi . . . . -' ;_'

0. Die Apokalyjme Abraham« .... _' '' ' 7. Die Testamente der zwölf Patriarchen . .

5, Nicht-erluiltene prophetiHche Pst'udepij^aphiii J'-'

Da« Gebet Joseph'« 205. Das Huch Kldad und MfMiad 2ü(!. Die Apokalypse des Elia» 207. Die AfMikalypiie <ie« Zephania 271.

VI. Die heilige Legende '

1. Das liuch der Jubiläen

2. Das Martyrium des Jcsajas ... ' '■

3. Paralipomcua Jeremiae ...

4. Nicht-erhaltene Legendenwerke

Adambücher 287. JoHe|»h und A^i mui _'-^.>. MfjM-- miil seine Zeit (Jannew und Janibres) 2f*2.

VII, Zauberformeln und Zauberbücher . 294

§ 33. Die hellenistisch-jüdisehe Literatur . . . 3<>4

L Uebersetzungen der heiligen Schriften . , 308

1. Die Septuaginta 3<)6

2. Aquila und Theodotion . 317

II. Bearbeitung und Ergänzung der bibli.schtn i^iu liuui . . 32.'j

1. Der griechische Esra 32<i

2. Zusätze zu Esther 'S.M)

3. Zusätze zu Daniel . 31:52

4. Das Gebet Manasse's . 337

5. Das Buch Baruch .3.38

(j. Der Brief Jeremiä 344

III. Historische Literatur 345

1. Demetrius 349

2. Eupolemus . . 351

3. Artapanus 354

4. Aristeas 356

5. Kleodemus oder Malchus 357

0. Ein Anonymus 358

7. Jason von Cyrene und das zweite Makkabü'flxMh . . . 359

8. Das dritte Makkabäerbuch ... 364

9. Philo's historische Schriften 367

10. Thallus 368

11. Josephus 370

12. Justus von Tiberias 370

IV. Epos und Drama 371

1. Philo der Epiker 371

2. Theodotus 372

3. Ezechiel der Tragiker 373

V. Die Philosophie 376

1. Die Weisheit Salomo's 377

2. Aristobulus .384

3. Philo 392

4. Das vierte Makkabäerbuch 393

Inhalt. V

Seite

VI. Die Apologetik 397

1. Die literarißcheu CJeguer 398

Manetho 398. ApoUouius Molon 4<X». Lysimachus 403. Cliäremon 404. Apion 400.

2. Die Apologetik ... 412

VII. Jüdische Propaganda unter heidnischer Mahke 420

1. Die Siby Ihnen 421

2. Hystaspes ... 450

3. Gefälschte Verse griechischer Dicht« 1 453

4. Hekatäus . 401

5. Aristeas . . ... 4(j6 0. Phokylides 473

7. Menander 47(}

8. Kleinere Stücke, vielleicht jüdischen Ursprung)*, unter heid- nischen Namen 178

Vlll. Der Rhetor Cäcihus von (^^alact«- IH3

§. 34. Philo der jüdische Philosoph 4S7

I. Philo's Schriften . . 4^^?

II. Die Lehre Philo's . . 542

Dritter Theil.

Das Jiidcnthum in der Zerstrounng und die jüdische Literatur.

§ 31. Das Judenthum in der Zerstreuung. Die Proselyten.

Literatur:

Remond, Versuch einer Geschichte der Ausbreitung de« Judenthums ron

Cyrus bis auf den gänzlichen Untergang des Jüdischen Staat«. Leipzig 1789. Gi eseler. Lehrbuch der Kirchengeschichte Bd. I, Abth. 1 (4. Aufl. I!:y44),

S. 515 fl". Winer, RWB. Art. „Exil" (I, 357—360) und „Zerstreuung" (H, 727—730).

Auch die Artikel über einzelne Städte, wie „Alexandria", „Antiochia",

„Cyrene", „Rom" u. a. J. G. M(ülleri, Art. „Alexandrinische Juden" in Herzog's Real-£nc. 1. Aufl.

Bd. I (1854), S. 285—239. Reuss, Art. „Helleuisten" in Herzog's Real-Enc. 1. Aufl. V. 701—705 (2. Aufl.

V, 738-741). Lutterbeck, Die neutestamentlichen Lehrbegrifle Bd. I (1852), 8. 99—120. Franke 1, Die Diaspora zur Zeit des zweiten Tempels (Monat«8chr. für Ge«eh.

und Wisseusch. des Judenth. 1853, S. 409—429. 449— 4<J3). Fraukel, Die Juden unter den ersten römischen Kaisern iMonatsschr. 1854,

S. 401—413. 439—450:. Jost, Gesch. der Israeliten Bd. II, S. 239—344. Ders., Gesch. des Juden-

thums und seiner Secten Bd. I, S. 33ti ff. 344-301. 307—379. Herzfeld, Gesch. des Volkes Jisrael Bd. III, S. 425— 579. Ders., Handels- geschichte der Juden des Alterthums, 1879. Grätz, Gesch. der Juden Bd. HI, 4. Aufl. (1888) S. 24—49. Ghampagny, Home et la Jiidee au temps de la ehuie de Neron, tomel {Paris

1805) p. 107—154. Ewald, Gesch. des Volkes Israel Bd. IV, S. 305 ff. V, 108 ff. VI, 396 ff. Holtzmann, in Weber und Holtzmann's Gesch. des Volkes Israel Bd. H,

S. 38-52. 253—273. Hausrath, Neutestamentliche Zeitgeschichte 2. Aufl. Bd. H, 91—145. HI,

383—392. Neubauer, La geographie du Talmud (1868) p. 289 419. Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms Bd. IH (1871),

S. 504 517. Ders., De Jiulaeorum coloniis. Begimonti Pr.lSlß (Progr.). Deutsch, Art. „D isper sion'^' in Kitto's Cyclopaedia of Biblical Literature. Westcott, Art. „Dispersion" in Smith's Dictionary of the Bible. Weizsäcker, Art. „Zerstreuung" in Schenkel's Bibellex. V, 712 716. Huidekoper, Judais-m at Borne B. C. 70 to A. D. 140. New York 1876 (rgl.

Theol. Litztg. 1877, 163).

Schür er, Geschichte III. 3. Aufl. 1

2 § 31. D&n Judenthum in der ZerHtreuung. [493. 4Ö4]

Hamburger, Rcal-Encyclopödie fQr Bibel und Talmud, Abth. II (1H83), Art „Zehn Stämme", „Zcrntn-uung", auch Ah.'xandria, Aiitifx-liia, Ilom u. A. Ders., Supplementbd. III (1HU2), H. ü-2t: Art, ,,Aii-}.r<itung de« Juden- tums".

Mommsen, R<')mi8che GcHchichte V, 1885, ö. W.)—VM.

PrcHscI, Die Zerstreuung doH Volke» Israel, 5 Hefte in einem Bande, 1889 (1. Der Charukter dieser Zerstreuung. 2. Die Stufen dieser Zen^trcuung. 3. Der Thulmud. 4. Midrasch, Kabbalah, Thargum, Septuagiuta, MaMora. 6. Die Zukunft der Zerstreuung).

Renan, Ilistoire du jyeuple (fhrnH V, 1893, p. 221 247.

M. Friedländer, Das Judenthum in der vorchristlichen griechischen Welt. Wien 1897 (74 S.). .

I T. An.<?hreit.nnfr.

Die Geschichte des .hKUüitliunis im ZeitalKT .ie.sii < iiri.>ti ist nicht beschränkt auf den engen liahnien des heiligen Landes. Fast in allen Ländern der damaligen gebildeten Welt hatten sich auch jüdische Gemeinden von gi'össerer oder geiingerer Zahl und Be- deutung angesiedelt, die einei-seits mit dem Mutttnlande in dauern- der Verbindung blieben, andererseits in lebhaftem Austausch mit der nichtjüdischen Welt standen und dadurch eine grosse Bedeu- tung sowohl für die innere Entwickeln ng des Judenthums als für seinen Einfluss auf die übrigen Culturvölker gewannen. Die Ur- sachen dieser Zerstreuung sind sehr verschiedener Ait. In der älteren Zeit haben die assyrischen und babylonischen Eroberer grosse Massen des Volkes gewaltsam in die östlichen Provinzen deportirt. Auch später kam dies in geringerem Umfange noch vor, wie z. B. Pompejus Hunderte von Juden als Kriegsgefangene nach Rom schleppte. Von grösserer Bedeutung waren aber in der hellenistisch-römischen Zeit die freiwilligen Wanderungen jüdischer Ansiedler, namentlich um des Handels willen, nach den Nachbar- ländern Palästina's, ja nach allen Hauptstädten der damaligen civilisirten Welt. Namentlich im Beginn der hellenistischen Zeit müssen diese Wanderungen sehr stark gewesen sein. Die Diadochen und deren Nachfolger beförderten im Interesse der Consolidii'ung ihrer E eiche nach Möglichkeit die Vermischung der vei-schiedenen Nationalitäten, also das Hin- und Herwandern der Völker aus einer Provinz in die andere. Auch hatten sie für ihre neuen Städte-Gründungen oft grosse Massen von Ansiedlern nöthig. Und im einen wie im anderen Interesse wurde den Eingewanderten an vielen Orten oft ohne Weiteres das Bürgerrecht oder sonstige Privilegien ertheilt. Durch diese Umstände angelockt, scheinen besonders auch die Juden zur Auswanderung in gi'össeren Massen

[494. 495] I. Ausbreitung. 3

veranlasst worden zu sein. Missliche Verhältnisse im eigenen Lande mögen noch das Ihrige dazu beigetragen haben: namentlich die exponirte Lage Palästina'«, das bei allen Verwickelungen zwi- schen Syrien und Aegypten den Kriegsschauplatz bildete. So wandten sich denn viele Tausende jüdischer Auswanderer nach den Nachbarländern Syrien und Aegypten, wo ihnen namentlich in den Hauptstädten Antiochia und Alexandi'ia, überhaupt aber in den neugegründeten hellenistischen Städten werthvoUe Rechte er- theilt wurden. Demnächst wurde auch Klein- Asien, namentlich die Städte der jonischen Küste von ihnen aufgesucht, überhaupt aber alle wichtigeren Hafen- und Handelsplätze des mittelländi- schen Meeres.

Schon um das Jahr 140 vor Chr. kann daher die Sibylle von dem jüdischen Volke sagen, dass jegliches Land und jegliches Meer von ihm erfüllt sei'). Um dieselbe Zeit (130 138 vor Chr.) erliess der römische Senat ein Rundschreiben zu Gunsten der Juden au die Könige von Aegypten, Syrien, Pergamum, Kappadocien und Parthien, und an eine grosse Zahl von Provinzen, Städten und Inseln des mittelländischen Meeres (I Makk 15, 16—24). Da das Schreiben den Zweck hat. die Juden zu schützen, so muss man voraussetzen, dass in allen diesen Ländern und Städten sich schon damals eine grössere oder geringere Zahl von Juden befunden hat ^). Von der Zeit Sulla's (um S5 v. Chr.) sagt Strabo, dass das

1) Orac. Sibyll. III, 271: Häau 6s yala ai^iv nXijQrii xal näaa SüXaaaa.

2) Ausser den Köuigeu von Aegypten, Syrien, Pergamum, Kappa- docien und Parthien werden I Makk. 15, 1(3 24 noch genannt: Sampsame, Sparta, Sikyou (im Peloponnes), die Inseln Delos und Samos, die Stadt Gortyna auf Kreta, die Landschaft Karien mit den Städten Myndos, Ha- likarnassos und Knidos, die Inseln Kos und Khodus, die Landschaft Lycien mit der Stadt Phaseiis, die Landschaft Pamphyiien mit der Stadt Side, die phimicische Stadt Aradus, endlich Cypern und Cyrene.

Die einzelnen Landschaften, Städte und Inseln, welche neben den fünf Königreichen genannt werden, waren mehr oder weniger selbständig und werden darum besonders aufgezählt (vgl. oben § 7, 2. Aufl. I, 199). Sie sind alle be- kannt ausser dem räthselhaften Saftxpäfiij (so die meisten Handschriften; nur einzelne 2!a/uxpdxr], Vet. Lat. Lampsaeo, Syr. Samsonos). Auf die richtige Spur der Erklärung hat höchstwahrscheinlich schon J. D. Michaelis hinge- wiesen, indem er das bei arabischen Geographen vorkommende Samsun an der Nordküste Kleinasiens, östlich von Sinope, vergleicht (deutsche üeber- setzuug des ersten Buchs der Maccabäer 1778, S. 320 fl Freilich hat weder er noch einer seiner Nachfolger (Grimm, Keil, Winer RWB.. Fritzsche in Scheukel's Bibellexikon) bemerkt, dass dieses Samsun identisch ist mit dem alten Amisus (s. Ritter, Erdkunde XXTII, 79<3— 806). Letzteres war eine der bedeutendsten Städte des Pontus. Sein Gebiet reichte westlich bis zum Halys, so dass dieser die Grenze zwischen dem Gebiet von Sinope und dem

1*

4 § 31. Da« Judenthuni in der Zerstreuung. [49ö]

jüdische Volk damals „in jede Stadt bereits gekommen war. Und man kann niclit leicht einen Oi-t in der Welt finden, der nicht dieses Geschleclit aufgenommen hat und von ihm eingenommen wird" ='). Aehnlich äussern sich gelegentlich Josephus |i und Philo -^i. Am ausfülirlichsten wird der Umfang der jüdi.schen Diaspora be- schrieben in dem Briefe Agrippa's an Ualiguia. w<1<!m-m IMiil.. mit-

von AmiHUH bildete (E. Kuhn, Die Htädti«che und bürgerliche Verl;' römlHchen Reichs IT, 1805, S. 253; vgl. überhaupt über die GocliiciiU' und Bedeutung von Amisus: Forbiger, Handb. der alten Geograi)bie II, 1'_M. Pauly'8 Real-Enc. s. r. Marquardt, R<"»miKche StaatKverwaltung I, S. 357. Henze, De civitatihus liheris, Berol. 1892, p. CAsq. Ileaä, /// ^ Numorum 1887, p. 424 «7.). Durch die ThatKache, da»»» SaniKun und Amixu« identisch sind, gewinnt Miehaelis' Hypothese bedeutend an Wahrscheinlichkeit, zumal Philo ausdrücklich sagt, das» Juden wohnten „bis in die Winkel de» Pontus" {Leg. ad Cajum § 3(>, Mang. II, 587]. Das Bedenken, das« der Name Samsun im Alterthum nicht nachweisbar ist, will nichts besagen, da auch andere Beispiele uns zeigen, dass uralte Städte-Namen, die in der griechischen Zeit aus dem Sprachgebrauch der Gebildeten viUlig verdrängt waren, nach dem Untergang des Hellenismus wieder aufgelebt sind. Ueberdies kommt für Amisus auch die Form Samisus vor (Friedländer, Zeitschr. für Numismatik II, 1875, S. 29—31, weist eiue Münze mit der Aufschrift Sanlaov und eine andere mit der Aufschrift Safiiao^Q unserem Amisus zu; vgl. auch die mittel- alterliche Form Simiso, Ritter, Erdkunde XVIII, 798), Ein anderes Beden- ken, welches namentlich Reinach [liecue des ititdes grecques t, I, 1888, p. '.^!i\sq.) betont hat, ist dies, dass Amisus zum pontischen Reiche gehr»rt habe, also keine selbständige Stadt gewesen sei. Allein die Zugehörigkeit von Amisus zum pontischen Reiche ist erst für die Zeit Mithridates' des Gr. bezeugt. Unter seineu Vorgängern kann es sehr wohl unabhängig gewesen sein. Reinach's eigene Ansicht, dass Samosata in Commagene gemeint sei, ist nur durch die gewaltsame Annahme durchzuführen, dass im hebräischen Texte des ersten Makkabäerbuches am Schlüsse des Wortes irrthümlich mem statt iet gelesen worden sei.

3) Straho bei Joseph. Antt. XIV, 7, 2: dq näaav n6).iv fjörj nagtlrjUdn, xal xonov ovx sarc Qccölwg evQslv z^g olxovfisvrjq 6g ov naQaötdtxxai tovro xb (fvkov, fxri^ intxQazeiTai vn' aitov.

4) Josej)h. Bell. Jud. H, 16, 4 [Niese § 39S): ov yuQ eaziv ine xr,g oi- xovfievtjg 6^/j.og o (jLtj fxoTgav fjfiezcQav eymv. B. J. VIL, 3, 3: z6 yuQ 'lov- öaiütv yevog noXv fiev xaza näoav zrjv olxovfitvrjv nuQsanaQxai zolg iTii- XOJQioig.

5) Philo in Flaceum § 7 {Mang. H, 524): 'lovöaiovg yuQ yjtvQa (xla öiu. itoXvav&Qcjnlav ov pftößfr, 'Hg aiziag ävsxa zug n/.dazug xal evSaif^oveazdzag Zü)v iv EvQwm;! xal ^Aoia xaxa. xe vrjoovg xal ijneiQovq ixvißoviai. firiXQo- TtoXiv fxhv XTjv ^I^QOTCoXiv ijyoifxsvoi, xa&' ?]V "ÖQVxac oxov vxplaxov S^eov vtatq ayiog' ag d' 8?m/ov ix naxeQOiv xal Tiänncav xal ngoTtämKov xal xwv eri avoj TtQoyoviov olxelv exaaxoi, naxQiöaq vofiit,ovxsq, iv alq iyevvrj^aav xal ixgä- (prioaV siq iviaq Sh xal xxiQofxtvaq sv&vg i^?.&ov dnoixiuv oxsi?.ä/i£voi, xolq xxlazaig xaQiC,iiJi£voi.

[495. 490] I. Ausbreitung (Euphrat-Länder). 5

theilt. „Jerusalem so lieisst es hier ist die Hauptstadt nicht nur von Judäa, sondern von den meisten Ländern wegen der Colo- nien, die es ausgesandt hat bei passenden Gelegenheiten in die an- grenzenden Länder Aegypten, Phönicien, Sj'rien, Cölesyrien, und in die weiter entfernten Paraphylien, Cilicien,indie meisten Theile von Asien bis nach Bithynien und in die entlegensten Winkel des Pontus; desgleichen 1 nach Europa, Thessalien, Böotien, Macedonien, Aetolien, Attika, Arges, Korinth, in die meisten und schönsten Theile des Peloponnesus. Und nicht nur das Festland ist voll von den jüdischen Ansiedelungen, sondern auch die bedeutendsten Inseln: Euböa, Cypern, Kreta. Und ich schweige von den Ländern jenseits des Euphrat. Denn alle, mit Ausnahme eines geringen Theiles, Babylon und diejenigen Satrapien, welche das ringsum gelegene fruchtbare Land umfassen, haben jüdische Einwohnei-^ •*). Auch die Apostelgeschichte erwähnt ja Juden und Judeugenossen aus Parthien, Medien, Elamitis und Mesopotamien, aus Kappadocien, Pontus und Asien, Phrygien und Pamphylien, Aegypten und Cyrenaica, aus Rom, Kreta und Arabien (^c^. 2, 9— 11)^).

In Mesopotamien, Medien und Babylonien lebten die Nachkommen der einst von den Assyrern und Chaldäern dorthin deportirten Angehörigen des Zehnstämme-Reiches und des Reiches Juda^). Die „zehn Stämme" waren überhaupt niemals aus dem Exil zurückgekehrt '^), und man stritt noch zur Zeit Akiba's darüber, ob sie je zurückkehren würden '**j. Auch die Rückkehr der Stämme Juda und Benjamin wird nicht als eine völlige vorgestellt werden

6) Philo, Legat, ad Cajum § 3»), Mang. II, 587.

7) Die Worte 'lovSaloi xe xal ngoatili^oi Act. 2, 10 »ind vielleicht nur Apposition zu '^Pcufiaiot, und *Iovöaioi 2,5 ist textkritisch anfechtbar (s. Blas», Neue kirchliche Zeitschr. 1892, S. 82l)— 830). Aber auch wenn nur Judeuge- DOäsen gemeint sind, so setzt ihre fixistenz doch das Vorhandensein von Juden in den genannten Ländern voraus.

8) Vgl. über die verschiedenen Deportationen: Winer, Realwörterb. Art. „Exil". Ueber die Oertlichkeiten s. unten Anm. 16.

9) Joseph. Antt. XI, 5, 2. IV Esra 13, 39—47. Origenes Epist. ad Afri- canum § 14. Commodian. Carmen apologet. vers. 930 939 (9Vj Stämme sind noch jetzt irans Persida flumine clausi).

10) Sanhedrin X, 3 fin. : „Die zehn Stämme kommen niemals mehr zurück, denn es heisst von ihnen {Deut. 29, 27): Er wird sie in ein anderes Land schleudern wie diesi-n Tag. Also wie dieser Tag dahingeht und nicht wieder- kehrt, so sollen sie auch dahingehen und nicht wiederkehren. So R. Akiba. R. Elieser aber sagt: Wie der Tag finster und wieder hell wird, so wird den zehn Stämmen, denen es finster ward, auch einst wieder Licht werden". Vgl. dazu oben Bd. II, S. 538.

ß S 'Jl- t)a8 Judenthum in der Zerstreuung. [406. 497]

dürfen. Ja es kam später noch neuer Zuwachs hinzu. Als zur Zeit des persischen Könif^s Artaxerxes Ochus die Phönicier sich erhoben, scheinen auch die Juden sich am Abfall ])etlH'i]igt zu haben. Ochus fülirte dalier bei einem seiner ägyptisclu-n F«'l(l- zlige (um 350 vor Chr.) auch jüdische Gefangene mit und sie- delte sie in Hyrkanien am kaspischen Meere an"i. Auch durch I freiwilligen Zuzug mag die dortige Judenschaft sich noch vermehrt haben. Infolge alles dessen zählten die Juden jener Provinzen in

11) Euseh. Chron. ed. Schocne II, p. 112 ad anti. Abr. 1G57 (nach dem Armeni.Hchen): Ochus parteni aliqtiam de liomanii* Judaevique cepit et halrUare t'ccit in Hyrcaniu juxta niare Caxbitnn. Hieronytntis (ib.p. 113j: Ochus apo- dasvto Jitdaeorum capta in Ilyrcaniam accolas translatoa juxta mare Caspium conlocavit [apodnsmus ist griech. dnoSaaiiöq], Syneellus ed. Dindorf\,ABS: ß;fo? ^AQxa^hQ^ov nalq eh Aiyi-nxov örpartrojv fxtpix^v ai/fia).(oalav fiXtv 'lovdaiwv, (bv xolq /xiv iv ''YQxavia xaxvjxiae npog xji Kaanln l^akäaatj, xovq 6b iv BaßvXwn, dl xal n^XQ^ *'*'*' f^O'*' (tvxö&t, u>i noXlol xdiv '^EkXtjvwv laxo- Qovaiv. Orosius III, 7: Timc etiam Ochus, qui et Artaxerxes , jxist truns- actum in Aeifypto inaximuni diutiirnumque tjelluni pliirimos Judaeonnn in transinifirationem eqit atquc in Hyrcania ad Caspium viarv habitare praecejrit: quos ibi usque in Jiodiernum dient ampliaaimi yeneris sui incrementia consiatere atque exttn quandoquc erupturos opinio est. Sämmtliche Nachfolger de» Eusebius schreiben nur diesen ab. In der armenischen Uebersetzung ist der Text durch den Zusatz de liomonis entstellt; Syneellus fügt aus eigener Weis- heit xovq 6h iv BaßvXdivi hinzu. üb auch die von Josephus Antt. XI, 7, 1 erzählten Ereignisse in dieselbe Zeit gehören, ist ungewiss f Judeich 8. 17(J setzt sie einige Jahre später in die Zeit des letzten ägj'ptischen Feldzuges des Ochusi. Vgl. überhaupt: Jnynboll, Commentarii in historiam gentis Samaritanae {Lugd. Bat. 1846) p. 82—84. Ewald, Gesch. des Volkes Israel IV, 2*At Bergk, Rhein. Museum Bd. 37, 1882, 8. 369. Nöldeke, Aufsätze zur per- sischen Geschichte (1887), 8.77—78. Judeich, Kleinasiatische 8tudien, Unter- suchungen zur griechisch-persischen Geschichte des IV. Jahrhunderts v. Chr. (1892), S. 170 f. Ders., in Pauly-Wissowa's Real-Enc. II, 1318 ff. {s. v. Arta- xerxes). Robertson Smith, Das Alte Testament, seine Entstehung und Ueber- lieferung (deutsch 1894), S. 193, 419 (ist geneigt, einige Psalmen, welche man sonst in die Makkabäerzeit verlegt, in diese Zeit zu setzen; ebenso Cheyne und Budde, s. Theol. Litztg. 1896, 287). Wellhausen, Israelitische und jüdische Geschichte, 1894, S. 146 (2. Aufl. 1895, S. 181 f.). In der Regel be- zieht man auf den Krieg des Artaxerxes Ochus auch die confiise Notiz bei Solinus über eine Unterwerfiing Jericho's, Solin. 35, 4: Jvdaeae caput fuii Hierosolyma, sed excisa est. Successit Hierichus: et haec desivit, Artaxerxis hello subacta. Dagegen hat neuerdings Th. Rein ach die Vermuthung aufge- stellt, dass hier an Ardaschir I, den Begründer des Sassaniden- Reiches, zu denken sei, welcher unter Alexander Severus um 230 ff. nach Chr. Syrien be- drohte {Semitic studies in memory of Alex. Kohut 1897, p. 457 462;. Seine Truppen sind freilich nicht bis Jericho gekommen; aber es wäre denkbar, dass die Juden in Jericho sich rebellisch gezeigt haben und dafür von Alexander Severus bestraft worden sind.

[497] I. Ausbreitung (Euphrat-Länder). 7

der römischen Zeit nicht nach Tausenden, sondern nach Millionen ^^j. Da sie an der Ostgrenze des römischen Reiches wohnten bis Trajan als Unterthanen der Parther, später als Einwohner jener östlichsten Provinzen, welche von den Küuieru nie mit Sicherheit behauptet werden konnten''^) , so war ihi-e Haltung auch von politischer Bedeutung für das römische Reich. Der Legat von Syrien P. Petronius hielt es im J. 40 n. Chr. für gefährlich, sie zu einer feindseligen Stimmung gegen Rom zu reizen'^). Während des vespasianischeu Krieges suchten die Aufständischen in Palästina auch ihre Glaubensgenossen jenseits des Euphrat zu Feindselig- keiten gegen Rom zu bewegen*'^). Eine gi-osse Gefahr war es für Trajan, als er bei seinem Vordringen gegen die Parther durch den Aufstand der mesopotamischen Juden im Rücken bedroht wurde (s. § 21). Als Haupt wohn sitze der Juden Babyloniens und Mesopotamiens nennt Josephus die festen Stadt« Nehardea

12) Joseph. Antt. XI, 5, 2: A\ di Sixa (pvXal nigav elalv Ev<pQaxov tatf öeiQO , fiVQidöeg unsiQOt xal ägid^/nü yvwa&^vai fit/ Svvantvai.

Antt. XV, 2, 2: iv BaßvXiävi , evda xal nXfj^oq ijv ^lovdai'atv. Antt.

XV, 3, 1: ov yag oXiyai fivgiaSeQ rovdf tov Xaov nigl t^v Ba^Xotviuv dmpxiai^ijoav. Zur Geschichte der babylonischen Judeuschaft vgl. bes. auch Antt. XVIII, 9 (zwei Brüder Asiuäus und Aniläus gründeten zur Zeit de» Tiberius in der Gegend von Nehardea am Euphrat einen jüdiüchen Baub- staat, der sich bei der Schwäche der parthischen Königsmacht mehrere De- cenuien lang behauptete, nämlich 15 Jahre lang bei Lebzeiten des Asinäus Atitt. XVIII, 9, 4 fin., und nach dessen Tod noch eine Zeit lang unter Aniläus allein; zur Erläuterung vgl. auch Gutschmid, Kleine Schriften III, 53 55). In der Mischna wird wenigstens zuweilen auf die Juden Babyloniens und Me- diens Bezug genommen. S. Svhekalim III, 4 (Halb-Sekel-Steucr von Babel und Medien), Cfuilla IV, 11 (Erstgeburten aus Babel nicht angenommen), Jowo VI, 4 (die Babylonier zupften den Sündenbock am Versöhnungstag), Menu' choth XI, 7 (babylonische Priester), Baba mexia VII, 9 ( Jaddua der Babylonier), Schabbath VI, 0 (medische Jüdinnen), Baba kamma IX, b = Baba mexia IV, 7 (zur Wieder-Erstattung geraubten Gutes ist mau bis nach Medien hin ver- pflichtet), Schabbath II, 1, Nasir V, 4, Baba bathra V, 2 (Nahum der Meder). Dass Juden in Medien wohnten, beweist auch das Buch Tobit [Tob. 1, 14. 3, 7 etc.).

13) Ueber die politische Geschichte s. Marquardt, Römische Staatsver- waltung Bd. I (1881) S. 435 438. Schiller, Geschichte der römischen Kaiser- zeit, Bd. I, 1883. Mommsen, Römische Geschichte V, 339—445 (dazu die Anzeige von Nöldeke, Zeitschr. der deutscheu morgenländ. Gesellsch. Bd. 39, 1885, bes. S. 344 348). Gutschmid, Geschichte Irans und seiner Nachbar- länder, 1888.

14) Philo, Legat, ad Cajum § 31, Mang. 11, 578.

15) Joseph. B. J. VI, 0, 2 {ed. Niese § 343). Titus wirft den Juden vor: xal TiQeaßsltti fiiv vfxwv nQog zoig imsg EiifgaTijv inl vfmx(Qianä).

8 § 31. Das Judenthum in der Zeretreuunjr. [497. 4ÖSJ

(NaaQÖa) und Nisibis, erstere am P^uphrat, letztere im Strom- gebiet desselben gelegen'^')« Beide | Städte waren auch noch in späteren Jalirhiindert<'n Hauptsitze des talinudisr.hen Jiuh'nthumH und werden darum iiu babylonischen Talmud häutig erwähnt '•).

Syrien bezeichnet Josephus als dasjenige Land, welches den grössten Procentsatz jüdischer Einwohner hatte: und ganz besoii'^ - war es wieder die Hauptstadt Antiochia, welche in dieser Hin-i iii bevorzugt war ^^). Aber auch in anderen Städten Syiiens zählten die

16) Joseph. Antt. XVIU, 9, 1 und {) fin. U«'Ikt >chardc'a (xn-n:! h. Pauly's Eeal-Encyclopädie V, 375 f. («. r. Naarda), Ritter, ?>dkunde X, 140 f. Hamburger, Real-Encyclop. für Bibel und Talmud II, 852 f. Uel>er NisibiB: Pauly's Ileal-Enc. V, 059 f. Ritter, Erdkunde XI, 413 ff. Nisibi« lag nicht am Euphrat, wie es nach J<)8ej)liU8 scheinen ktiunte, sondern am Mygdonius, einem Nebeufluss des Chaboras, der wieder ein Nebcnfluns de» P^uphrat ist. Es bil- dete das Centrum der in 11 Ret/. 17, G; 18, 11 genannten Oertlichkeiten, nach welchen die Angehörigen des Zehnstämme-Reiches von den Assyrem deportirt worden waren (s, Gesenius' Thesaurus und Winer's Realwörterbuch über die betreffenden Artikel: n^n, i-an, "(jis, inis, Halach, Habor, Gosan, Medien; und die Commentare zu II Reg. 17, 0; 18, 11). Nehardea dagegen lag weiter südlich im eigentlichen Babylonien. Um Nisibis gruppirten sich also die Nachkommen der zehn Stämme, um Nehardea die Nachkommen der Stämme Juda und Benjamin, die wir uns aber beiderseits durch späteren Zuzug vermehrt zu denken haben. Vgl. über die Wohnsitze der zehn Stämme auch IV Esra 13, .S9 47 und dazu oben Bd. II, S. 537. Rabbinische« Material bei Lightfoot, Horac helyr. in eptst. I ad Corinthio», addenda ad c. XIV {Opp. ed. Roterodam. II, 929—932); Hamburger, Real-Enc. II. 1281 ff". (Art. „Zehn Stämme"). Neubauer, Where are the ten tribes'l (Jeicish Quar- terly Rerieic vol. I, 1889, p. 14—28, 05—114, 185-201, 406—423). Legenden- haft ist der Bericht des Eldad ha-Dani, von welchem neuerdings zwei kritische Ausgaben erschienen sind (Epstein, Eldad ha-Dani, seine Berichte über die X Stämme und deren Ritus in verschiedenen Versionen nach Handschriften und alten Drucken, 1891. H. Müller, Die Recensionen und Versionen des Eldad had-Dani u. s. w. veröffentlicht und kritisch untersucht, in: Denkschriften der Wiener Akademie, philos.-hist. Classe, 41. Bd. 1892. Hierzu Epstein, Re- vue des etiides jinves t. XXV, 1892, p. 30—43). Sonstige Meinungen über den Verbleib der zehn Stämme s. beiZöckler, Eden, Ophir, Ephraim (= Biblische und kirchenhistorische Studien, 5. Heft) 1893.

17) S. Berliner, Beiträge zur Geographie und Ethnographie ßabyloniens im Talmud und Midraseh (Berlin 1884) S. 47 ff". 53 f. xrTJi: wird auch schon in der Mischna erwähnt, Jebamoth XVI, 7. Vgl. überhaupt über die Wohn- sitze der Juden in den Euphratländem: Neubauer, La geographie du Tai- mud (1868) p. 343—308, und Berliner a. a. O.

18) Bell. Jtid. Vn, 3, 3: To yuQ ^lovöalcav ytvog no/.v ixev xaxa näaav tT]V oixovfisvTjv JittQsanaQTai roZg ini'/cDQioig, TcXelaTOV 6h t^ Svpla xaxa trjv ysiTviaaiv avafisfxiyfxivov, s^aiQtrioQ ö' inl x^q 'Avxtoysiaq ijv no/.v öiä x6 XTJq nöXswq fxtyeS^oq. Vgl. auch Neubauer, La geographie du Tal- mud p. 31152^5^. Hamburger, Real-Enc. s. v. Antiochien.

[498] I. Ausbreitung (Syrien, Arabien). 9

jüdischen Einwohner nach Tausenden; so in Damaskus, wo nach der Ang-ahe des Josephus zur Zeit des Krieges 10000 oder (nach einer anderen Stelle) 18000 Juden niedergemetzelt worden sein sollen i^).

In welche Zeit die Ausbreitung des Judenthums im südlichen Arabien zurückreicht, lässt sich nicht mehr ermitteln. Spätestens seit dem 4. Jahrh. n. Chr. war es doi*t stai'k verbreitet. Als unter Constantius Versuche zur Ausbreitung des Christenthums gemacht wurden, hatten dieselben mit jüdischer Gegnerschaft zu kämpfen-®). Auch eine im h. Jahrhundert spielende Heiligen-Legende setzt jüdische Gegner voraus^'). Im Anfang des 6. Jahrhunderts herrschte dort ein jüdischer König. Da dieser die Christen verfolgte, wurde er von dem christlichen Könige von Abessinien gestüi-zt^^^ Die Versuche Glasers, himjaritische Inschriften aus dem 4. und 5. Jahrhundert als „monotheistisch", d. h. jüdisch zu deuten, sind allerdings problematisch'^'). Arabische Jüdinnen werden auch in der Mischna erwähnt -^).

^\'ie von Syrien, so sagt Philo auch von Asien, dass daselbst

19) Zehntausend: Bell. Juä. II, 2(), 2. Achtzehntausend: BtU. Jud. VII, 8, 7 (ed. Niese g 3(38j.

20) P/iilusturgius III, 4 {Miyne, Patrol. ijr. t. <jö, col. 4&1).

21) H. Win ekler. Altorientalische Forschungen IV (1896). 8. 329—336: Zur Geschichte des Judentums iu Jemen.

22) Vgl. Gieseler, Kirchengesch. I, 2 (4. Aufl. \8tö), 8. 438 f. Nöldeke, (TCschichtc der Perser und Araber zur Zeit der Sasaniden, aus der arabischen Chronik des Tabari übersetzt (1879) S. 1740". 1S5. 187 ff. Dillmann, Zur (Jeschichte des Axumitischen Reichs im vierten bis sechsten Jahrh. (Abhand- lungen der Berliner Akademie 188«), philos.-hist. Classe), S. 27 ff. Fell, Die Christeuvertblgung in Südarabien und die himjarisch-äthiopischen Kriege nach abessinischer Ueberlieferung (Zeitschr der DMG. Bd. 35, 1881, S. 1 74). Halevy hat die Ansicht ausgesprochen, dass dieser König nicht Jude, son- dern Arianer gewesen sei (Recue des Stades /uires t. XVIII, 1889, p. 10 42, 101—178). S. dagegen Duchesne (ebendas. XX, 1890, p. 220—224), dessen Ausführungen durch die Gegenbemerkungen Halevy 's (ebendas. XXI, 1890, p, 73 sqq.) schwerlich entkräftet sind.

23) Glaser, Skizze der Geschichte Arabiens von den ältesten Zeiten bis zum Propheten Muliammad, 1. Heft 1889. Ders. in: Revue des eludes Juives t. XXU, 1891, p. 2&dsq, XXm, 1891, p. 121—125. Gegen Glaser bes. Ha- 16vy, Revue des etudes juites t. XIX, 1889, p. 312—317. XXII, 1891, p. 125— 129.' 281 s(/. XXIII. 1891, ;>. 304— 308. Für Glaser: Mordtmann und Müller, Eine monotheistische sabäische Inschrift; (Wiener Zeitschr. für die Kunde des Morgenlandes X, 1890, S. 2Sö 292). Noch mehr Literatur s. in der Zeitschr. des DPV. XV, 181 f. XVI, 125.

24) Nach Mischna Schabbath VI, 0 ist den arabischen Jüdinnen auch am Sabbath gestattet, ihren Schleier zu tragen.

10 8 31. Das Judenthum in der ZeratreuaDg. [4fm. 409^

in jeder Stadt Juden in grosser Menge wohnten '^''j- Schon Aristoteles hatte während seines Aufenthaltes in Kleinasien (348 345 V. Chr.) eine Begegnnng mit einem dorthin gekommenen gebil- deten Juden, welcher 'l'JkXrjVixog tjv ov xtj öiuXixrm fiovov u).Xa. xal Tfj ipvxd. Ueber diese Begegnung hat Klearchus, ein Schüler des Aristoteles, in seinem Buch ül^er den Schlaf einiges Nähere berichtet 26). Antiochus der Grosse siedelte 2000 Jüdische Faujilien aus I Mesopotamien und Babylonien in Phrygien und Lydien an '^'). Seit dem ersten Jahrhundert vor Chr. haben wir zahlreiche Be- weise für die starke Verbreitung des Judenthums in Kleinasien. Das meiste Material bieten die Urkunden bei Josephus Ayitt. XIV, 10 und XVI, G; demnächst die Stelle in Cicero's Rede für Flaccu.s, wo er erwähnt, dass auf Befehl des Flaccus jüdische Gelder, welche zur Absendung nach Jerusalem bestimmt waren, in Apamea, Lao- dicea, Adramyttium und Pergamum confiscirt worden seien (Cicero pro Flacco 28, s. den Wortlaut unten Abschnitt II, 2). Einige In- schriften und sonstige Notizen ei-gänzen dieses Material Wir können auf Grund desselben die Existenz von Juden und Juden- gemeinden in folgenden Landschaften und Städten Kleinasiens in der griechisch-römischen Zeit con.statiren (die Aufzählung Iteginnt in der nordwestlichen Ecke Kleinasiens).

In Adramyttium sind zur Zeit Cicero's (02/61 vor Chr.) jüdische Gelder durch den Legaten des Flaccus Cn. Domitius confiscirt worden {Cicero pro Flacco 28).

25) Philo Legat, ad Cajum § 33, Mang. II, 5S2: 'lovdaloi xa^* ^xüarijv nökiv dal TtafinXij^Hq 'Aaiaq xe xal Stgiag.

26) Der Bericht des Klearchus ist uns durch Josephus aufbewahrt, contra Apianem I, 22 (ed. Niese 1, 176 182). Aus Josephus hat die Geschichte Etisebius Praep. evang. IX, 5. In der Kürze gedenkt der Sache auch Clemens Alexandrinus Strom. I, 15, 70. Vgl. Müller, Fraffinenta Hist.Graec. II, 323 »7. Bernays, Theophrastos' Schrift über Frömmigkeit (1866), S. 110, 187. Gut- schmid, Neue Beiträge zur Geschichte des alten Orients (1876) S. 77. Ders., Kleine Schriften IV, 1893, S. 578 ff.

27) A7itt. XII, 3, 4. Ein interessantes Analogen hierzu ist die schon zur Perserzeit erfolgte Ansiedelung von Colonisten aus Hyrkanien in Lydien. Von ihnen hat „die hyrkanische Ebene" in dem Dreieck zwischen Thyatira, Magnesia und Sardes, sowie eine dort gelegene Stadt der Hyrkani ihren Namen. Die Ebene: Strabo XIII, 4, 13 p. 629. Lirim 37, 38. Stephaniis Byx. s. v. Die Stadt: Taeit. Annal. IL, 47 {Macedones Hyrcani). Plin. Hist. Nat. V, 120 (ebenso). Inschriften: Journal of philohgy VII, 1877 p. 145 (0 öfifxoq b Kai- aaQswv Maxeöovcov '^YqxuvIcov), Bulletin de correspondance h^llenique XI, 1887, p. 91 sq. [rj Maxtöovwv 'Y[px]av(öv 7i6?.ig). Corp. Inscr. Lat. X n. 1624. Mün- zen: Read, Historia Numoriim 1887 p. 550. Ueber die Lage: Ramsay, Hisfo- rical Qeography of Asia Minor 1890 p. 124. Ueber die Bedeutung als mace- donische Militärcolonie : Schulten, Hermes 32, 1897, S. 533.

[499] I. Ausbreitung (Kleiuasien). \\

Für Pergamum ist das älteste 2^ugniss dieselbe Stelle Cicero's (pro Flacco 28). Er sagt, daes dort „nicht viel" weggenommen worden sei. Die Gemeinde war also damals noch nicht bedeutend. Bei Josephus Antt. XIV, 10, 22 ist ein Volksbeschhiss der Pergamener erhalten, durch welchen die Ju- den und ihr Hoherpriester Hyrkan der Freundschaft der Pergamener versichert werden (es ist wohl Hyrkan II gemeint, während das in den Volksbeschluss bei Josephus irrthünüich eingeschobene römische Senatsconsult sich auf die Zeit Hyrkan's I bezieht). Zur Motivirung des Volksbeschlusses wird darauf verwiesen, dass schon zur Zeit Abraham's freundschaftliche Beziehungen zwi- schen den Juden und den Pergamenem bestanden hätten (tu? xol iv xoTi xaxa "Aßfta/jiov xaiQOiQ, 6g tjv nuvtwv ^Eß^aicuv naxi^Q, ol Tigöyovoi ijfnüv tjaav ttv- xotq (plXoi, xad-wg xal iv tolt; drmoaioiq etgiaxofxfv y^äfifiaaivK Dass in der hellenistisch-römischen Zeit unter dem Einfluss des Judenthums Derartige« geglaubt wurde, ist wohl möglich. Es liegt datier kein Grund vor, an der Echtheit des Psephisma zu zweifeln; vielmehr ist dasselbe ein Beweis für den Einfluss des Judenthums in dortiger Gegend.

In Lydien überhaupt sind, wie oben bemerkt, jüdische Colonisten durch Antiochus den Grossen angesiedelt worden {Antt. XII, 3, 4).

In Phokäa an der jonischen Küste ist folgende in mehrfacher Hinsicht interessante jüdische Inschrift gefunden worden (mitgetheilt von Reinach, Fevue des etudes jidves t. XII, I88(j, p. 236 243 und Bulletin de cftrresjxm- dance hellmique t. X, 1886, p. 327 335): Tüxiov SxQÜxtovoq xov 'EvnedwvoQ xov olxov xal xov neglßoXov xov vnai9pov xaxaaxfvdaaoa ix xiä[v i6]i<ov ixaglaaro x[olq *Io]vdaioii. *// avvaywy^ ixfi/ir]]asv xäiv 'lovSatutv Taxtov 2'[r()«T](üvo5 xov ^EvTifdiüvoi Z9^'^^ axf<f(tvip xal ngofögia.

[In Thyatira ist zwar die Existenz von Juden nicht nachweisbar. In- dessen darf als Beweis semitischen Einflusses überhaupt das dortige Sufißa- &eTov erwähnt werden, das auf einer Inschrift aus der Zeit Trajan's vorkommt [Corp. Inscr. Graec. n. 3509). Die Sambethe war die chaldäische Sibylle, das Sambatheion also ein Heiligthum derselben (Näheres s. in meinem Aufsatz in den Theologischen Abhandlungen zu Weizsäcker^ 70. Geburtstag 1892. '^ '" -58)].

In Magnesia am Sipylus hat sich folgende Inschrift gefunden dittut des etudes Juires t. X, 1885, p. 76): I^xgäxcav Tvgävvov *IoiSaIoQ Z<I»v xb /inj- (jiflov xaxsaxiaas kavxw xal ywaixl xal xexvoig.

In Smyrna spielten die dortigen Juden beim Tode Polykarp's eine lier- vorragende KoUe [Martyrium Polycarpi e. 12—13, 17—18 [in den Ausgabeu der Patres apostoliei], I'iVo Polycarpi auetare Pionio ed. Dueftesue 1881, hierzu Reiuach, Reme des etudes juives t. XI, 1885, p. 235—238). Auf einer In- schrift aus der Zeit Hadriau's werden in einer Liste von solchen, welche der Stadt Geschenke gemacht haben, auch ol noxe *Iov6aToi erwähnt [Corp. Inscr. Oraee. n. 3148). Ausser einer kürzeren jüdischen Inschrift, die schon länger bekannt ist [Corp. Inser. Graee. n. 9897: 'HQjjvonoicaq ngleaßvxfQoq] xh naxiiQ xov axifxaxog, Dlb^r), ist neuerdings folgende längere und interessante gefunden worden (Reiuach, Reme des etuiles Juires t. VII, 1883, p. 101—166): 'Ponffiva lovöaXa liQX^*^vväy(oyoq xaxsoxtvaosv xo ivaöpiov xoTg dneXev&SQOig xal dpt- /xaaiv fiTjöfvog aXov i^ovaiav exovxog dc'v'a* xivd, fl öe xig xo?.fnioei, Swoei X(5 tfQwtdxco xafidio ÖTjvä^ia 'a(f xal X(p ef^vet xäiv 'lovöatetv örjvÖQia '«. TavTTjg Tjjg iniygaipfig xo dvxlygatfov dnoxsixai eig x6 dg^tlov. Die Inschrift stammt frühestens aus dem 3. Jahrh. nach Chr.

12 § 31. Diw Judeuthuni in der Zeratrcuung. 4r«(»

Für Sardes ist die Existenz einer jüdischen Gemeinde im . l^l. n .iiim- hundert vor Chr. durch mehrere Urkunden bei Josephu« bezeugt. In einem Schreiben des L. Antonius an die ßei»<'>rden von Sardes {T)(>I4U vor Chr.i wird erwähnt, das« die dortigen Juden ihr eigenes Gericht haben. Em wird daher auch denjenigen Juden, welche römische Bürger sind, gestatt^-t, ihre Streitig- keiten vor dem jüdischen Gericht, statt vor dem für römische Bürger, zum Austrag zu bringen (Antt. XIV, 10, 17). Durch einen Volksbeschluss der Stadt Sardes, wahrscheinlich aus der Zeit Cägar's, wird den dortigen Juden die ungehinderte Ausübung ihrer Religion verbürgt (Antt. XIV, 10, 24). Durch ein Schreiben des Proconsuls C. Norbanus Flaccu» an die Behörden von Sardes zur Zeit des Augustus werden die Stadtbeliörden angewicücn, die Ju- den nicht an der Abführung der heiligen Gelder nach Jerusalem zu hindern [Antt. XVI, 6, 0).

In Hypäpa, südlich von Sardes, ist eine Inschrift gefunden worden, welche lautet: 'lovöaliuv vewrtQOjv, Sie stammt etwa aus dem Ende des 2. oder Anfang des 3, Jahrh. nach Chr. (Reinach, Rente des iiude« juires t. X, 1885, p. 74 sq.).

Ein Zeugniss jüdischen Einflusses ist es, wenn das Orakel des Apollo Klarius bei Kolophon einst auf Befragen Auskunft zu ertheilen hatu* über den Gott 'Idw (s, das Orakel bei Macrob. Saturn. I, 18; über die Echtheit: Baudissin, Studien zur semitischen Religionsgeschichte I, 1876, S. 213-218. Buresch, Klaros 1889, S. 4S— 55).

Zahlreich sind die Urkunden über die Juden in Ephesus. Schon zur Diadochenzeit, wahrscheinlich durch AntiochusII Theos (261 246 vor Chr.), erhielten sie hier das Bürgerrecht [Jos. contra Apion. 11, 4; vgl unten Ab- schnitt III). Als der Consul Lentulus im J. 49 vor Chr. im Interesse der pom- pejanischen Partei in Kleinasien die riwnischen Bürger zum Kriegsdienst aushob, wurden die Juden in Ephesus, welche das römische Bürgerrecht hatten, davon befreit [Antt. XIV, 10, 13. 16. 19). Im J. 43 v. Chr. wurde ihnen durch Dolabella dieses Privilegium erneuert und dabei überhaupt die freie Religions-Uebung zuge- sichert {Antt. XIV, 10, 11 12). Letzteres geschah auch durch M. Junius Brutus, 42 V. Chr. [Antt. XTV, 10, 25 , wo der corrumpirte Name sicher in dieser Weise zu lesen ist). Unter Augustus wurde den Behörden von Ephesus mehrmals eingeschärft, dass die Juden an der Abführung der heiligen Gelder nach Jerusalem nicht gehindert werden dürften (Schreiben des C. Norbanus Flaccus Philo Legat, ad Cajum § 40 ed. Mang. 11, 592, des Agrippa Jos. Antt. XVI, 6, 4, des Julius Antonius Antt. XVI, 6, 7; letzterer war im J. 10 v, Chr. CV)nsul, also wahrscheinlich 4 v. Chr. Proconsul von Asien). Ihre Synagoge wird Apgesch. 18, 19. 20. 19, 8 erwähnt. Aus dem 2. 3. Jahrh. nach Chr. stammen folgende zwei in Ephesus geftindeue Grabschriften: 1) To fivjj/ieZov iari Mag Moioaiov 'laigeog . ^y . xTjSovTca oi 'lovöaZoi [Ancient greek inscriptions in the British Museum III, 2: Ephesos, 1890, n. 676). Mag ist = "r, Titel für einen ange- sehenen Rabbi, Movaoioq = Moses. 2) [To fiVTjfielöv ioxiv] ^Io[vXiov'l ]

aQXStäxQov [xal tTJg yvvai}c]6g avvov 'lovXlaq [ ]j;s xal zixvcjv avzcäv. Zoi'aiv.

[Tavxriq t^Jc ooqov xi]dov[xai ol iv 'E<pt'aoj 'lovSäoi [Ancient gr. inscr. in the Brit. Mus. III, 2 n. 677). „Oberärzte" Messen in der Provinz Asien die von der Stadt angestellten Aerzte, welche Freiheit von allen Lasten genossen. Nach einer Verordnung des Antoninus Pius [Digest. XXVU, 1, 6 § 2) sollten es in den kleinen Städten fünf, in Mittelstädten sieben, in den Hauptstädten zehn sein. S. überh. Marquardt, Das Privatleben der Römer 11, 1882, S. 749flf. Ein jüdischer dg/JaxQog auch in Venosa [Ascoli, Iscrixioni 1880 n. 10).

[409] I. Ausbreitung (Kleinasien). 13

Die Behörden von Tr alles mussten durch den römischen Proconsul, wahrscheinlich zu Cäsar's Zeit, gezwungen werden, den Juden die freie Aus- übung ihrer Religion zu gestatten, wie wir aus einer gelegentlichen Erwähnung in dem Schreiben der Laodicener Antt. XIV, 10, 2< » sehen.

Dass in Karlen, speciell in den Städten Myndus, Halikarnassus und Knidus, schon im zweiten Jahrh. v. Chr. Juden lebten, darf aus \Makh. 15, 23 geschlossen werden (s. oben B. 3). Bestimmte Zeugnisse haben wir für Milet, Jasus und Halikarnassus.

Die Behörden von Milet wurden durch ein Schreiben des Proconsuls von Asien nachdrücklich angewiesen, die Juden in der Ausübung ihrer religiösen Gebräuche nicht zu hindern {Antt. XIV, 10, 21). Das Schreil)en gehört wahr- scheinlich in die Zeit Cäsar's; der Name des Proconsuls ist in unserem Josepbus- Texte corrumpirt (s. unten Abschnitt II, 2).

In Jasus, an der Küste zwischen Milet und Halikarnassus, wird in einem Verzeichnisse solcher, welche die Feier der Jioviaia durch Geldbeiträge unter- stützt haben, auch ein fiix^xaq'läaovoii'^ ItQoaoXinlxriq erwähnt, und zwar aU Metöke (Fremder, der in Jasus wohnt). Er steuerte hundert Drachmen bei [Le Bfis et Waddington, Inseriptiuns t. III n. 294 = Rerue des ttudesjuitta X, 7t). Die Inschrift stammt etwa aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts vor Chr. (s. die Erläuterungen bei Le Bas et Waddington III, 2 p. 87 zu n. 252 ff. . Die Unterstützung eines heidnischen Festes durch einen Juden erinnert an die analogen Vorgänge in Jerusalem vor Beginn der makkabäischen Erbebung. Freilich ist es nicht sicher, dass Niketas Jude war.

Ein Volksbeschluss der Stadt Halikarnassus verbürgt den dortigen Juden die freie Ausübung ihrer Religion {Antt. XIV, 10, 23). Auch diesi'r Volksbeschluss ist unter römischer Einwirkung, wahrscheinlich zu Cäsar s Zeit. gefasst worden.

In Phrygien ist die Ansiedelung zahlreicher Juden schon durch An- tiochus den Grossen bewirkt worden {Antt. XII, 3, 4, vgl. oben S. 10). Ihre Hauptsitze scheinen hier Laodicea und Apamea gewesen zu sein. Vgl. über die Juden in Phrygien überh.: Ramsay, The cittes and bisJioprics of Phrygia vol. I, part II (1897), p. 0<J7— G7ti.

In Laodicea wurden auf Befehl des Flaccus ((J2/G1 vor Chr.) jüdische Tempelgelder im Betrag von etwas mehr als zwanzig Pfund Gold conliscirt {Cicero pro Flacco 28: Laodieeae tiginti pottdo pauUo amplius per htine L. Pedueaeum judieem nostrum). Die Behörden von Laodicea versichern in einem Schreiben an den Proconsul C. Rabirius, wahrscheinlich zu Cäsar's Zeit (über den Namen s. unten Abschnitt II, 2\ dass sie, dem römischen Befehle gehorchend, die Ju- den in der freien Religiousübuug nicht hindern würden {Antt. XIV, 10, 20).

InHierapolis sind in neuerer Zeit drei jüdische Grabschriften gefunden worden. 1) »/ ooQoq .... AvQiiXiai Pkvxvjviidoq 'AfifAiavov xal x,ov] dvÖQOi ttirctiq M{a.Qxov) AvQ{riUov) \\Xiia.vdQOv Sfo<ftlov inixX[riv'Aa-Tä<p kaov*Iov- äaitov, .... kttQco de ovöevl i^tarai xrjöevaai iv avx^ rivw fi de fir], ano- xslasi X(j} Xaip xöv 'Iov6aiiat]v ngooxe 1)/liov ov[6/i]axi dijvaQta xf^^^''' t«v- XTjq xT/g iniyQttcpTJq anXovv avxiyQa<fOV dnext&rj eig xa «(»xic^ Altertümer von Hierapolis, herausg. von Humann, Cichorius, Judeich, Winter = Jahrbuch des deutschen archäolog. Instituts, 4. Ergänzungsheft, 1S9S, Inschr. n. 69 [die In- schriften sind von Judeich bearl)eitet]). 2) ^ oogog .... AvQ{TiXlag. Av- yoiaxag ^cdxsixov .... fl 6e exi txeQog XTjöevasi, öiüan x^ xaxotxia xüiv iv leQanöXst xaxoixovvxwv 'lovöaiov TiQoaxst/Ltov {örjvÜQia . > xal

14 § 31. Das Juden thum in der Zerntreuung. [490]

TW ix^ijf^aavti {äTjvdpiu) {öta-^iXia). uvxlyQaipov anfxi&ij iv zip dpxW ^*^*' 'lovöttimv (Altertümer vou Hierapoli«, lunchr, n. 212). Da» hi<»r erwähnte jüdische Archiv ist wohl auch auf der vorigen In««:hrirt gemeint. 3) Be- nierkenswerth ist besonders die Grabschrift eine« gewissen Publiu« Aelius (Jly- kon, in welcher es hcisst, das« der Verstorbene dem Vorstancle d«'r /unft cler Purpurfürber (t^ at[xvoxaxy nQoeÖQla xdiv noQtpvQaßutfwv) eine Sumin»- hinter- lassen habe, damit aus deren Zinsen jährlich sein Grab geschmückt werde, und zwar iv xy hoQxy xdiv di^vfxtov, ferner einer anderen Gilde (ty awfdflqt xwv xaiQoöttTiiaxüiv) eine Summe zur BchmUckung des Grabes iv rp koQX^ 7isvxT]xo[ax^g]. Hiernach war uiindesteDS der Verstorbene ein Jude; denn xcc a^vfxa kann nur Bezeichnung des jüdischen, nicht des christlichen Oster- festes sein, was Ramsay für m<»glich hält Aber auch die Mitglieder jener Zünfte müssen dem Judenthum irgendwie nahe gestanden haben. Die In- schrift ist mitgetheilt von Wagener, Herne de r/ntitructwn publique en lielgü^ue XVIe annee, nour. Serie t. XI, 18<39, p. 1 sqq., hiemach im Philologus XXXII, 1873, S. 380; bei Ramsay, The cities and ImhopricH of thryijia I, 2, p. 545, und bei Judeich, Altertümer von Hierapolis, Inschr. n. 342.

In Apamea wurden auf Befehl des P'laccus (02/01 vor Chr.) jüdische Gelder im Betrage von nahe an hundert Pfund Gold confiscirt {Cicero pro Flacco 28: Apameae manifesto deprehemum, ante pedes praetoris in foro ex- pensum esse auri pondo centum patillo minus per Sex, Caeaium, equitem Ho- manum, castissimum honiinem atque inteijerrinium). Eine neuerdings in Apa- mea gefundene Inschrift lautet: Avq. 'Pov«poq 'Jov?.iavov ^ inoilijoa xo tj]qwov ifiavxiö xe [x{j avfißiqi fi]ov Avq. Taxiavj^' ig 6 bxtgog ov xed^^' ei 6i xiq im- XTjösvai, xov vöfiov oiöev xdiv Elovöimv (Ramsay, The cities and hishoprics of Phrygia I, 2, p. 538). Ueber r/Qtpov = Grabmal, Begräbnissstätte «. unten die Bemerkungen bei der Inschrift von Tlos. Zu den Formeln der Inschr. vgl. auch Bulletin de corresp. hell. 17, 248 ff. 320. Auf jüdischen Einfluss ist höchst wahrscheinlich auch die Localisirung und Aufnahme der Noa-Sage in Apamea zurückzuführen. Bestimmte Zeugnisse dafür hal>en wir freilich erst aus christlicher Zeit. Julius Africanus erwähnt als Ansicht Einiger, dass der Ararat bei Kelaenae in Phrygien liege {Jul. Afric. bei Georg, Syncell. ed, Dindorf I, 38 sj. == Rouih, Reliquiae sacrae U, 243: xivsg iv Ki).aivaZq xf^q 4»Qvyittq sivai (paaiv). Eben dorthin, nämlich an die Quellen des Marsyas, verlegt den Ararat auch der Verfasser von Orac. Sibyll. I, 201 ff. Kelaenae lag nach Strabo XII, 8, 15, p, 577 sq. in der Nähe der Quellen des Marsyas und Maeander. Durch Antiochus Soter wurden die Einwohner gezwungen, die Stadt zu verlassen und sich weiter flussabwärts , an der Vereinigung des Marsyas und Maeander anzusiedeln, wo Antiochus zu Ehren seiner Mutter Apama die Stadt Apamea gründete, so dass also Apamea an die Stelle von Kelaenae trat [Strabo XU, 8, 15, p. 577 sq. Livius XXXVIII, 13. Plin. Eist, Nat. V, 106. Vgl. über die Lage und Geschichte der Stadt bes. die eingehende Abhandlung von Hirsch feld in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1875; femer: Hogarth, Journal of Hellenic Studies IX, 1888, p. 343 349; Bu rasch, Philologus Bd. 51, 1892, S. 457 459, Weber, Z)^na^>, Celenes, Apa- niee Cibotos, avec un plan et deux cartes, Besan^on 1892 [Revue archeol, 1893, XXI, 95 f.]; Hirschfeld in Pauly's Real-Enc. Neue Bearb. s, v. Ramsay, The cities and hishoprics of Phrygia, vol. I, 2, 1897, p. 396— 4S3). Von Apa- mea nun haben Avir Münzen aus dem Anfang des dritten Jahrh. nach Chr., aus der Zeit des Septimius Severus, Macrinus und Philippus Arabs, auf welchen Noa und seine Frau abgebildet sind, wie sie aus der Arche steigen, und der

[499] I. Ausbreitung (Kleinasien). 15

Name N£iE zur Erläuterung beigefügt ist (die Münzen sind schon den älteren Numismatikern bekannt, Eckhel, Doetr. Num. III, 132 ff. ; am eingehendsten sind sie beschrieben und erörtert bei Madden, Ntimisinatic Chronicle 1866, p. 173 219 und pl. VI). Da die Münzen von den heidnischen Behörden Apa- mea's geprägt sind, sind sie ein Beweis für die Aufnahme der Sage auch in diesen Kreisen. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass diese Aufnahme erst durch christliche Einflüsse bewirkt ist. Denn das Judenthum hat ja dort viel früher Fuss gefasst, als das Christenthum. Mit der Aufnahme der Noa - Sage st«ht in irgendwelcher Verbindung auch der Beiname Kißioxöq, welchen Apaniea schon bei Strabo führt { Sirabo XII, 8,. 13 jw. 576: 'AntifiSta rj Kißtuxbz Xeyofitvrj , vgl. Plin. Hist. Not. V, 1()6: Apanteam ante appellatum Celaenas dein Cibotun, Ptolem. V, 2, 25: 'Anafteta Kißtaxoq). Ktßüjzög ist nämlich im Alten Testamente die ständige Bezeichnung der Arche Noa's. Es ist daher möglich, dass Apamea seinen Beinamen geradezu iufolge der Aufnahme der Noa -Sage erhalten hat (so Gutschmid, Rhein. Museiun 1864, S. 40() Kleine Schriften II, 392; Babelon, li'etme de l'histoire de» relifjions t. XXIII, 1891, p. 176). Freilich kommt Kißejtog auch sonst als Orte- bezcichuuug vor. Nach Striiho XVII , 1 , 10 p. 795 hiess der innere künstlich gegrabene Hafen von Alexandria Kißatxog, und Anna Komnena {ed. Reiff er- scheid, Lips. Teubner 1884, II, 101, 128, 244, 2«iö) erwähnt einen Ort Kißutxöq an der Küste Bithynien's in der östlichen Ecke der Propontia (s. Ramsay, Historical Oeographif of Asia Minor 1890 p. I8<i). Es ist daher auch möglich, ja wahrscheinlich, dass Ktßiuxoq zunächst eine Localität in oder bei Apamea bezeichnete und diese erst den Anlass zur Localisiruug der Noa-Sage gegeben hat (schwankend äussert sich Ramsay, T/te eities and bishoprics of Phrygiu 1,2, t)69 672). Keinesfalls aber liegt ein Grund zu der Annahme vor, das» in A])amea ursprünglich eine heidnische Fluth-Sage eiistirt habe, welche später mit der jüdischen combinirt worden sei (so z. B. Droyseu, Gesch. des Helle- nismus 2. Aufl. III, 2, S. 271; Reinach, Les monnaies juives 1887, />. 71«}.). S. dagegen bes. Bubeion, La tradition phryyiettne du deluge {Rente de fhigtoire des reliyions <. XXIII, 1891, p. 174— 183).

Ausser der Noa-Sage begegnet uns in Phrygien auch die Henoch- Sage. Bei Steplianus Byxant. s. r. *lx6viov heisst es, dass zur Zeit eines ge- wissen Annakus, welcher mehr als 300 Jahre alt wurde, die Phrygier vom Orakel den Bescheid erhalten hätten, dass nach dessen Tode Alle umkommen würden, was denn auch infolge der Deukalionischen Fluth geschehen sei (<faal <r oxi tjv T/s 'Avvaxog, og s^tjoev vnip xa x^taxoaia sztj . xovg dh nipt^ fiav- xevaaaS^ai, ewg xivog ßnuaeai^ai. eSod-T^ 6i ygiianog, öxi xoi-xov xsi.tvxr/aavxog nävxtg ötatf&aQtjaovxai. oi dt ^f^vysg äxovaavxeg s&qi]vovv a(fod()dig. ö^ev xal 7ia(jot/jtia „xu int Avvaxov xXavaeiv" inl xwv ).iav otxxt^Ofiivwv . yfvo- /X6V0V 6e xov xaxaxi.vaiJ.ov ini JfvxaUutvog ndvxfg Sie<fBdQ^aav). Die Be- ruftiug auf das Sprüchwort zeigt, dass die Notiz aus derselben Quelle stammt, wie die ganz ähnliche bei Zenobius Pror. VI, 10 {Paroemiographi graeei edd. Leutsch et Schneideirin I, 164) und Suidas Lex. s. r. Nävvaxog. Zenobius, dessen Werk nur ein Auszug aus älteren Sprüchwört*'rsammlungen ist, lebte zur Zeit Hadrian's. Er, und nach ihm Suidas, hat statt Annakus Nävvaxog, nennt ihn 4>^vyüiv ßaaiXevg, und citirt als Gewährsmann "^Egfioytvrig iv xolg <pQvyioig. Ob dieser Hermogenes mit einem der sonst bekannten Schriftsteller Namens Hermogeues identisch ist, lässt sich nicht sagen (s. Müller, Fragni. hist. ffraee. III, 523). Vielleicht ist es derselbe, welchen Josephus unter den Schriftstellern nennt, die auch der Juden gedacht haben contra Apion. I, 231 Jedenfalls

\Q § 31. Das Judeiithuiii in der Zerstreuung. (4Öi*j

liegt kein Grund vor, eine Ur- Verwandtschaft de« pbryg^Hchen und jQdiitchen Mythus Hnzunohineii (so z. B. Ruttnuinn, Mytholoj^t* I, 17<Jf.). Vielmehr int der phryj^isclie Atiiiakus ciiiiach der von den Juden eingeführt«- hihÜHche Henoch (so z.B. auch Babelon, Jievue de l'fiintoire den reltgionn XXIII, IS«);.

In der Gegend von Aknionia in Phrygien ist eine Khren-Inwhrift für mehrere Personen, welche sich um den Bau de« oIxoq, d. b. der 8ynag«»ge, verdient gemacht haben, gefunden worden (nacrh einer Copie KamHay'it mit- getheilt in lievue archcol. troiaüme Serie t. XII, 1888, p. 225 und bei Kamitay, T/ie cities and bishoprics I, 2 p. (>49«7.)' Uuter den Geehrten befindet »ich r. TvQQWvioq K}.u6o<i o diu ßiov «();fi(<Tv»']ayö'y<'C- Am SelduHue beisst e»: ovaxivaq xal ^ avvaywyrj irelfiTjaiv onlot inr/Qvoio 6tä xi rfjv fvagfxo» avxiöv {ßl]waiv xal xt/v Trpo; xt]v avvaywyf/v ivvotav xt xal anovSr/v. Die Inschrift stammt, wie «ich auf Grund der vorkommenden Perhonen - Namen erweisen lässt, aus der Zeit Nero's (». liamsay'» Bemerkungen a. a. O. und im Expositor 1895, April p. 274). Unter den um die Synagoge Verdienten wird auch Julia Severa genannt, eine vornehme Dame von Akmonia, die auch houbI durch Münzen und Inschriften bekannt ist. Man darf daraus auf Kinfiuii» den Judenthums in den h<>chsten Gesellschaftskreisen der Stadt schliessen. Doch wird mau nicht sagen dürfen, dass Julia Severa „Jüdin" war (wie von Kam- say geschieht, T/ie cities and hishoprics I, 2 p. 073 ä^.); denn sie war UQx^fQtiu, Oberpriesterin des Kaisircultus (RaiiiJ^ay p. 047 ». r)."/), ülx-rli. //. t;:57 fT. 673 ff.).

Zu Phrygien gehurtc urxpriinglicii aiith Antioehia Pisi«iiae, wo zur Zeit des Apostels Paulus eine jüdische Synagoge war (Apgesch. 13, 14).

In Lycien, speciell in der Stadt Phaseiis, ist die Exi8t<*nz von Juden nach I Makk. 15, 23 schon für das zwt'ite Jahrb. vor Chr. vorauszusetzen (vgl. oben S. 3).

Aus Korykos an der lycischen Küste südlich von Phaseiis ist folgende, freilich erst aus später Zeit stammende Inschrift bekannt {Reime des ctudes juives X, 76): Qrjxt} Evoa/aßaxlov 'lovöaiot TcgtaßvxtQov.

In Tlos in Lycien ist neuerdings eine Inschrift von hervorragendem In- teresse gefunden worden (mitgetheilt von Hula in: Eranos Vindobonensis 1893, S. 99 102). Sie lautet: üxoXsfiaZoq [A]e[v]xiov Tkatetq xaxeaxevaafv ix X(üv täiwv xb T]Q(3ov dnb ^sfie^üiov aitog xal vntQ xov vloi uixol IIxo).t- [xaiov ß' xov Afvxiov vTieg dgyovxeiaq xe).ov/xtvaq nag' ijfielv 'lovöaiotq, toaxi avTO elvai nävxwv xuiv 'lovöaiwv xal /xr/ötva i^ov tivai i'xsQov xtitTjVui iv

avx(S' iuv 06 xiq evge&fiTj xiva xi&cüv, 6<fti)Jaii TXajtwv xoj 6^,um Der

Schluss fehlt. Das Wort i^Q<pov, das eigentlich die Begräbnissstätte eines Heros bezeichnet (Rohde, Psyche I, 1890, S. 149 ff.), steht hier in der Bedeutung „Begräbnissstätte" überhaupt, in welcher es in Lycien auch sonst vorkommt (vgl. bes. Corp. Inscr. Graee. n. 4278; 4303 h3 [t. IH Addenda p. 1141]: auch n. 427Sb; 4278 e; in Cilicien: 4418. 4419. 4420. 4427. 4428. Sehr häufig auch auf christlichen Grabschriffcen Phrv'giens, s. Ramsay, The cities and bishoprics of Phrygia I, 2, p. 514—508). Ptolemäus hat also eine Begräbnissstätte für die Juden in Tlos erbaut zum Danke dafür, dass sein Sohn die ugxovxeia, die Würde eines Archon, in der jüdischen Gemeinde erlangt hat. Auffallend ist, dass sein Sohn nicht [IzoXefjialoq IIxokefiULOv , sondern nxo?.efxaioq Aevxlov (nach dem Grossvater) genannt wird. Hula glaubt daher, dass der Buchstabe /?' andeuten solle, dass nxoXsixaiov zweimal zu lesen sei f? s. dagegen das ana- loge Vorkommen des Buchstabens ß auf christlichen Grabschriften bei Ramsay

[499] I. Ausbreitung (Kleinasien). 17

a. a. O.). Die Inschrift stammt nach Schriftcharakter und Orthograpiiie etwa aus dem Ende des ersten Jahrh. nacl» Chr.

Für die Verbreitung des Judenthums in Paraphylien haben wir die allgemeinen Zeugnisse I Makk. 15, 23 und Philo, Legat, ad Cajiim § 36 ed. Mangey II, 587; vgl. auch Apgesch. 2, 10. Nach I Makk. 15, 23 ist speciell die Stadt Side als Wohnsitz von Juden zu betrachten.

Auch Cilicien nennt Philo Leg. § 30 M. II, 5b7 als von Juden bewohnt. In Jerusalem lebten Juden aus Cilicien in grösserer Zahl (Apgesch. 0, 9). Die Hauptstadt Cilicieus, Tarsus, war bekanntlich die Heimath des Apostels Paulus (Apgesch. 9, 11. 21, 39. 22, 3). Auf einer in Jope in Palästina ge- fundenen Grabschrift kommt vor ein 'Iov3ag viOQ loar] TagaeiQ (Euting, Sitzungs- berichte der Berliner Akademie 1885, S. GS6, n. 87). Epiphanius erzählt ge- legentlich, wie der jüdische Patriarch Juda (4. Jahrh. nach Chr.) einen dno- axoXoq nach Cilicien sandte, um bei den dortigen Juden die Abgaben einzu- sammeln [Epiphan. haer. 30, 11: oq dvtX^utv ixnae dno kxdatrjg nökiuK; x^f KiXixluq iniöixaxa xal tag dnapx"i nagu ztLv iv rp inuQyUt 'IovSaia}v tlatngarxev). Er erwähnt dabei auch ihre Archisynagogeu , Priester, Aelteste und Diener (ßgav/ra/ ==- C'Sjn). In Korykos in Cilicien ist ein Sarkophag mit folgender Inschrift gefunden worden : ^Evdtldi xiliai 'AXd^avSgog 'Avffxovgi' Bvq 'lovöalog avv x^ avvßl^ avroi: ^Eav ovv xig na(tfvoxXr]an rjnflv , Seiatt UgwräToj xufieiw * ßff . (Heberdey und Wilhelm, Reisen in Kilikien [Denk- schriften der Wiener Akademie, phil.-hist. Cl. Bd. 44, 1896] S. 08).

In Ikonium, der Hauptstadt Lykaonien's, war zur Zeit des Apostels Paulus eine jüdische Synagoge (Apgesch. 14, 1). Wenn l>ei Steph. BtfX. s. r. 'Ixöviov die Henoch-Sage in Verbindung mit der deukalionisehen Fluth-Sage nach Ikonium verlegt wird, so ist dies wohl eine Nachwirkung von Phrj-gien aus, wo die Henoch-Sage zunächst Aufnahme gefunden hatte (s. oben S. 15).

Für Galatien haben wir nur spärliche Zeugnisse. Vielfach wird als ein solches das Edict des Augustus zu Gunsten der Juden Antt. XVI, ti, 2 ange- sehen, weil es am Schlüsse des8ell>en heisst, dass sein Wortlaut in Aucyra (der Hauptstadt Galatien's) öffentlich aufgestellt werden solle. Allein 'AyxvQy ist nur eine Conjectur Scaliger's. Die Handschriften haben sämmtlich uqyvqti, und der Zusammeuhang verlangt, an eine Stadt der Pronnz Asien zu denken (Mommsen, Bes gestae divi Äugtisti ed. 2, />. X vermuthet Pergamum). Ob der Name ^Haav auf einer Inschrift in Galatien {Corp. Inser. Graee. n. 4129) richtig gelesen ist, darf man wohl bezweifeln, da ein Jude «ich schwerlich »o genannt haben wird. Auf einer Inschrift zu Germa [Bulletin de corresp. hei- lenique t. VII, 1883, p. 24 = Herne des itiides juives X, 77) kommt vor: MvTj/na HfQ[bv . . . .] Eiaxwß . . . . xh 'Ea&^gag.

Dass im Gebiet des Königreichs Kappadocien Juden wohnten, ist nach I Makk. 15, 22 (Schreiben der Ri»mer an deu König Ariarathes) anzunehmen. Vgl. auch Apgesch. 2, 9. Mischtia Kethuboth XHI, 11. Neubauer, Geo- graphie du Talmud p. 317 319. In Jope in Palästina ist folgende jüdische Grabschrift gefunden worden: Tonog Eiaxoiß) Kanadoxog xf Axohag aw- ßtov avxov xs AatSQiov \Palestine Exploration Fund, Quarterly Statement 1893, p. 290).

Für Bithynien und Pontus haben wir das Zeugniss Philo's {Legat, ad Cajum § 36 ed. Mangey II, 587: uxQi Bt&vvlag xal tiüv rot Ilövrov fivx<üv). Dass unter Sampsame I Makk. 15, 23 wahrscheinlich Amisus in Pontus zu verstehen ist, ist oben S. 3 f. zu zeigen versucht worden. Aus Pontus stammte

Schür er, Geschichte III. 3. Aufl. 2

IS § 31. Da.s Judentliuiri in der Zeratreuung. [490]

Aquila, der Gefahrte des PauluH (AjiROHch. IK, 2: 'lovSalov . . . Uovnxov tu» yivsi) und ebenso der Prowelyt Aquila, der UeberHetzi-r ^]^'^^ Alt<*n T<'t«tain«'ntCM (s. unten § 33, I, 2). Vgl. auch Apgesch. 2, 9. In Bithynicn, in clcr Nähe des BowporuH, ist folgende .spätgriechische InMchrift gefunden wr»rdi-n: Kvl^adt xaxuxTjxe 2avßaxi<i vyoq rtQwvxrjov 7rp* yf^afiaxtvq x ainTjaxaxti; xov nukt- u)v, H(HVT], was heissen soll: ^EvbdSt xaxaxtlxai 1,'avßäxii, v16q rtQovxlov TiQeaßvxtQOV, yga/a/iaxtvi xal iniaxüxTj^ xtäv na).attüv. Klpr/Vt] iliente de* etudes juives t. XXVI, 1893, p. 107—171).

Auch nach dem nördlichen Ufer des schwarzen Mt-errM Hind die Juden frühzeitig gekommen. In Pantikapäum (dem heutigen Kertiwh) am cimnierischen Bosporus hat spätestens im ersten Jahrh. nacli Chr. eine organi- sirte jüdische Gemeinde bestanden, wie eine vom J. 377 der bos]>oranim:hen Aera = 81 nach Chr. datirte Inschrift beweist {Corp. Imcr. (iraee. t. II, p. lOOö Addenda, n. 2114*' *> =■ Latyachev, Inscripl tonen aniiquue orae itepteiitrionalU Ponti Euxini graecae et IcUinae vol. II, 1890, n. 52). Auf ihr bekundet eine Jüdin die Freilassung eines Sklaven: dtpiltj/xi inl xf/Q \npo]a(vxfji i^Qtnxov fiov '^ HguxXäv ikevitegov xai^äna^ xaxa tv^i^v fiov uvtnD.t/nxov xal dnaftvO' Xktjxov dno Ttavtoq xXijQOvöfiov Xi»intaf^ai aixov onov av ßov/.tjxai ävemxto- XvTcog xa&wq ev^ccfXTjv, z*"?^? ^? ^'Z** ^(toafvxtiv i>(ontluq xf xal nQoaxuQxt- Qijaewg, owtnivtvaävxmv 6t xal xwv xXrjQOvößwv fiov '' HpaxktUov xul'' KXi- xmviääoQ, avvinixQomovarjq 6h xal xrjg awaytayf/g xüiv 'Iov6ala>v. Die Schluss- bemerkung, dass auch die Erben ihre Zustimmung gegel>en haben, und dass die jüdische Gemeinde die Aufsicht führt, hat den Zweck, die rechtliche Wirkung des Actes dauernd sicher zustellen (über die Häufigkeit solcher Erklärungen s. Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht in den östlichen Provinzen des rö- mischen Kaiserreichs 1891, S. 372 f.). lieber die Formel xf^Q^i ^? ^'J»' ^Qoaiv- X^jv 9(i)7isiaq xe xal TtQoaxuQxegi^afcug s. unten Abschnitt 11, 1 gegen Schluss und die Abhandlung von Derenbourg, Journal asiatique, aixieme Serie ^ XI, 1868, p. 525 537. Ganz ähnlichen Inhaltes ist eine andere nur fragmentarisch erhaltene Inschrift, ebenfalls aus Pantikapäum {Corp. Imcr. Oraec. n. 2114b = Latyschev vol. 11, n. 53). Nur dürftige Fragmente von Namen sind auf einigen in Pantikapäum gefundenen jüdischen Grabschriften erkennbar [Laty- schev vol. II, n. 304 306). Nicht jüdisch ist dagegen eine vom J. 338 aer. Bosp. = 41 nach Chr. datirte Inschrift zu Gorgippia (dem heutigen Anapa) östlich vom cimmerischen Bosporus. Da sie mit der judaisirenden Formel ÄfftJt vxplaxtüi navxoxQärogi evXoyrjxw beginnt, so hat ihr erster Herausgeber Stephani sie für jüdisch gehalten {Bulletin de PAcademie de St. Petersbourg t. I, 1860, col. 244 sqq. = Melanges greco-romains tires du Bulletin de l'Acade- mie de St. Petersbourg t. JI, p. 200 204). Allein Latyschev hat gezeigt, dass am Schlüsse zu lesen ist vnb dla rijv "HXiov {Latyscfiev, Inscriptiones vol. H, n. 400, vgl. vol. I, Anmerkung zu n. 98). Die Inschrift ist also heidnisch, aber mit jüdischem Einfluss. Dieselbe judaisirende Formel ist auch her- zustellen auf dem verstümmelten Eingange einer anderen ebenfalls in Gor- gippia gefundenen Inschrift [Latyschev vol. TL, n. 401). Vgl überhaupt auch meinen Aufsatz: Die Juden im bosporanischen Eeiche u. s.w. (Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1897, S. 200 225). Die hebräischen Inschriften aus der Krim, von welchen Chwolson einige noch dem ersten Jahrh. n. Chr. zuweisen zu dürfen glaubte (Chwolson, Achtzehn hebräische Grabschriften aus der Krim, Memoires de V Acadeniie imperiale des sciences de St. Petersbourg Vn« Serie, T. IX, 1866, -A.V. 7), sind viel jünger, indem die entscheidenden Daten von Firkowitsch gefälscht sind. S. die Nachweise bei Strack [A. Fir-

[4991 ^- Ausbreitung (Aegypten). 19

kowitsch und seine Entdeckungen, ein Grabstein den hebräisschen Grabschriften der Krim, Leipzig 1870) und Harkavy (Altjüdische Denkmäler aus der Krim, Mhnoires de l' Academie imperiales des sciences de St. Petersbonrg , Vlle Serie, T. XXIV, 1876, Nr. 1). Die Thätsache der Fälschung hat Chwolson we- nigstens in beschränktem Umfange später selbst zugegeben (in seinem Corpus Inseriptlonum Hebraicarum , Petersburg 1882). Vgl. auch Kautzsch in der Theol. Litztg. 1883, 319 ff.

Am wichtigsteil in cultuigescliichtlicher Beziehung war die jüdische Diaspora in Aegypten und vor allem in Alexandria'^^). Schon lange vor der Zeit Alexander's des Grossen hatten jüdische Einwanderungen dorthin stattgefunden. Schon ein Psammetich, wahrscheinlich Psammetich II (594 -089 vor Chr.), soll bei seinem Krieg gegen die Aetliiopier jüdische Söldner in seinem Heere gehabt haben 2ö). Nur wenige Jahre später, bald nach der Zei*störung

28) Vgl. überhaupt: Cless, De colonüs Jttdaeorum in Aegyptum terrasque cum Aegypto coiijuuclas post Moseti deductis, P.I. Stuttg. 1832. Hamburger, Ileal-Euc. Art. „Alexandrien". Noch einige andere Literatur s. bei Reu 88, Gesch. der heil. Schriften Alten Testaments § 430. Die Meinung von Will rieh (Juden und Griechen vor der makkabäischen Erhebung, 1895), da«» es vor der Makkabäerzeit so gut wie keine jüdische Diaspora in Aegypten ge- geben habe, ist nur durch eine Reihe von gewaltiuuuen kritischen Operationen durchführbar und widerstreitet überdies den neueren Urkunden -Funden. 8. Tht'ol. Litztg. l8i)G, cul.'ib, und Wilckeu, Berliner philol. Wochenschr. 1896, 1492 f.

29) Aristeue epist. ed. M. Schmitit, in Merx' Archiv für wigsenschaflL Er- forschung des A. T. Bd. I, S. 255 (Havercamp's Josephus U, 2, 104) zählt fol- gende drei (mehr oder weniger unfreiwillige) Verpflanzungen von Juden nach Aegypten auf, von Ptolenuuis I an rückwärts: 'ExfTvoQ yop (nämlich Ptolemäus Lagi) inf).^u>v xu xaxa xoD.tjv ^VQiav xal <Poivixi]v dnavxa, ai'y/Q(ufitvoQ fVTjfifQin /nfz' uvö^iiaq, xovg fisv fiexiyxi^fv, ovg de ^fialwxii^i , foßoj nav9^ vnoxfiQia noiov/ievoq' ev öaio xal ngog dexa fivQiäicg ix xf,^ röJv ^loidalwv XtvQCtq tig Ar/vnxov fifxr'iYayev ((<p' wy (hofl XQfig /ivQiüdag xa^onÄiaui dvÖQüiv ixksxxüiv elg xijv x^Q^*' xaxqixtafv iv xolg ipQOVQioiz' fjötj ftsv xal npöxepov ixavaiv fioeXTjXv&oxcDv aiv xiö Wgoy, xal tiqo xovxtov exi^aiv ovfifiaxi(üv i^ ansaxaX/^tvwv ngoq xov xüJv Al&ionu/v ßaaiXta /läxfa^ai ovv ^a/ifiTjxiyt»' d).).' oi) xoaovxoi xm nXtjSei naQeyfvt'iQjiaav, oaovq UxoXepiaToQ b xov Aäyov (Jiexiq- yayf. Unter Psammetich ist wohl nicht Psammetich I (6G4—61(» vor Chr.) zu verstehen (so z.B. Cless, De coloniis Judaeorum p. ■i 7), sondern Psam- metich II, da nur von letzterem ein Feldzug nach Aethiopien bezeugt ist {Ilermlot. II, IGl). In die Zeit Psammetich's II gehören aus demselben und anderen Gründen höchst wahrscheinlich auch die berühmten Söldner- Inschriften bei Abu-Simbel an der Grenze von Ober-Aegypten und Aethiopien (über die Zeit derselben s. bes. Wiedemann, Rhein. Museum XXXV, 1880. S. 364 372; Literatur in Pauly's Real-Enc. Neue Bearb. I, 128 Art. Abu-Simbel; dazu noch: Mall et, Memoires publies par les membres de la mission archSol. franfaise au Caire toineXH, fasc.l, 1893, p.S2 96). Der griechische Text

2*

2Q § 31. Da« Judenthuiii in (l«r Zerstreuung. [499, 500]

Jerusalem's durch Nebukadnczar (586 vor Chr.) ging ein grosser I Zug jüdisclier Auswanderer g<'gen den Willen des Propheten Jeremia aus Furcht vor den Chaldäern nach Aegypten ^Jenm. 42—43; über die Veranlassung s. Jerem. 41). Sie siedelten sich an verschiedenen Stellen Aegypten's, in Migdol, Tachpanhes, Noph und Patros an (Jerew. 44, 1)^''); und wenn auch viele von ihnen theils zu den ägyptischen Culten tibergingen, theils durch die Kriegs- ereignisse aufgeriel)en wurden, so wird doch ein Stamm sich er- halten haben. Eine gewaltsame Deportation jüdischer (Joloni.sten nach Aegypten soll zur Zeit der pei-sischen Herrschaft stattgefun- den haben ="). Die Blüthezeit des ägyptischen Judenthuins beginnt jedoch erst mit Alexander dem Grossen. Gleich l)ei der Gründung von Alexandria wurden auch jüdische Ansiedler unter Verleihung des Bürgerrechtes dorthin gezogen ^■^). Grosse Massen von Juden kamen dann namentlich unter Ptolemäus I Lagi nach Aegypten, theils als Kriegsgefangene, theils als freiwillige Einwanderer. Sie wurden von Ptolemäus besonders auch als Truppen zur Besatzung der festen Plätze verwendet 3*). In Alexandria wurde den Juden

besagt, dass, als König Psammetich nach Elephantine kam, drei Heereu-Ab- theilungen, nämlich die Griechen unter Führung des Psammetich, des Sohnes des Theokies, die aXXöy'ktaaaoi unter Potasimto, und die Aegypter unter Ama»i^. noch weiter stromaufwärts kamen, nämlich „oberhalb Kerki«, wohin der P'luss es zuliess" (BaaiXiog iX^övroQ ig 'E).t<pavzlvav Wafiari/^ov, xavxu iyQutpav zol avv Wafxfiaxixoi tw 6toxX[i]oq tnXiov. r^?.&ov 6s KtQxioq xatvneQ^e vlq 6 noxaßbq dvhj. 'A?.?.oyXutaaovq 6* ijx^ Uoraoif/Ttü, Alyvmlovq dk 'Aiuaatg}. In der Nähe des griechischen Textes stehen mehrere Namen in griechischer Schrift und mehrere Namen in phönicischer (alt-hebräischer). Es ist möglich, dass unter den Semiten sich auch die von Aristeaa erwähnten Juden befunden haben. Ein Facsimile sämmtlicher Texte giebt Lepsius, Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien Bd. XII . Blatt 98 u. 99 ; hiemach die griechischen Texte bei Eöhl, Inscriptioties Graecae antiquissimae (18S2) «. 4S2, die semi- tischen im Corp. Inscr. Semitiearum 1. 1 n. 112 {p. 131 135). Zur L#esung des griechischen Textes: Blass, Hermes Bd. 13, 1878, S, 381f. Abel, Wiener Studien 1881, S. 161— 184. Krall, ebendas. 1882, S. 164— 106.

30) ^'n55D und onsenpi (= Daphne) liegen in der Nähe von Pelusium, also an der nordöstlichen Grenze von Unterägypten. ?! oder ~^ ist Memphis, an der südlichen Spitze des Delta. D""ire ist Oberägypten. S. die Commentare und die betreffenden Artikel in Gesenius' Thesaurus und Winer's Real- wörterb.

31) Von einer solchen spricht Aristeas an zwei Stellen; die eine s. oben Anm. 29; die andere: ed. Schmidt p. 260, Havercamp's Josephus 11, 2, 107. Vgl. dazu Cless, De eolomis p. 11 13.

32) Äpion. II, 4. Äntt. XIX, 5, 2.

33) Hecataeus bei Joseph. Apion. I, 22 {ed. Niese I, 194): ovx oUyai 6s [fivQiäSeq\ xcd /nsra rbv ^AXe^dvÖQov &ävaxov slg Äiyvnxov xal ^oivixrjv (itxi-

[500. 501] I. Ausbreitung (Aegj-pten). 21

zur Zeit der Diadochen ein eigenes Quartier angewiesen von der übrigen Stadt getrennt, „damit sie ein reineres Leben führen könnten, indem sie sich weniger mit den Fremden vermischten" 3*). Dieses Judenquartier lag am hafenlosen Strande | in der Nähe des königlichen Palastes, also im Nordosten der Stadt 3^). Später ist diese Absonderung nicht strenge aufrecht erhalten worden. Denn es befanden sich nach Philo jüdische Bethäuser in allen Theilen der Stadt 3*^), und es wohnten nicht wenige Juden in allen Quar- tieren zerstreut^'). Aber auch Philo sagt noch, dass von den fünf Stadtbezirken, welche nach den fünf ei*sten Buchstaben des Alpha- betes benannt wurden, zwei „die jüdischen" Wessen, weil sie vor- wiegend von Juden bewohnt seien ^^). In der Hauptsache hat sich

axtjaav Sia v^v iv SvqIu arüaiv. Ausführlicher Aristeas an der in Anm. 29 angeführten Stelle, und Josephus Antt. XII, 1.

34) Bell. Jud. II, 18, 7: (oi Siuöoyoi.) tvnov iSiov avtolg utfwQiaav, '6no}<; xa^ttQiox^Qav f^o/fv t^v äiaixav, r/rrov inifitayofztvwv rüiv dk).o<pi'Xüiv. Stritho hei Joseph. Antt. XIV, 7, 2: t^s rtüv liXf^avSQtuuv nokttoi dtfvÜQiaro Htya fi^Qog riö e&vei rovxip. Nach Joseph. Apion. II, 4 konnte es scheinen, als ob scbon Alexander d. Gr. den Juden dieses besondere Quartier augewiesen hätte. Allein nach der oflenbar genaueren Darstellung Bell. Jitd. II, 18, 7 geschali es erst durch die Diadochen. Vgl. J. G. Müller, De« Flanus Josephus Schrift gegen den Apion (1877) S. 239.

35) Josephus c, Apion. II, 4 mit. (aus Apion citirt): iX&övrei dno Svgiaq (jjXTjaav npog äki/nevov &dkaaaav, yetxvidaavre^ xali tdiv xvfiäxwv ixßo- ?.aTg .... (Josephus selbst sagt dazui: ngog xoig ßaaiXixolg ^aav lögv/Atvoi.

Der grosse Hafen von Alexandria, an welchem entlang der grösste Theil der Stadt lag, wird im Westen begrenzt durch die Insel Pharos und den die Insel mit dem Festlande verbindenden Damm, im Osten durch die Landspitze Lochias, welche vom Festlande in's Meer hineinragt (s. den Plan bei Kiepert, Zur Topographie des alten Alexaudria, Berlin 1872; auch M. Erdmauu, Zur Kunde der hellenistischen Städtegründuugen , Strassburger Prugr. 18S3, S. 10

23). Auf der Landspitze Lochias und in deren Nähe lag die königliche Burg mit den zahlreichen dazu gehörigen Gebäuden (Strabo XVII, 1, 9 p. 794), welche zusammen ein Fünftel der Stadt einnahmen [Ptiiiius V, 10, 02; s. überh. Xiroutsos-Bey, L'aucienne Alexandrie, 1888, mit Plan. Puchstein, Art. „Alexandreia" in Pauly's Real-Enc, Neue Bearb. I, 1, 1893, Col. 1370 ff. mit Plan. Liunbroso, VEgitto dei Greei e dei Romani, 2. ed. 1895, p. 154 sqq.). Das Judenquartier lag also am Strande östlich von der Land- spitze Lochias.

30) Philo, Legat, ad Cajum § 20, Mang. II, 565.

37) Philo, in Flaccum § 8, Mang. II, 525. S. die folgende Anmerkung.

38) Philo, in Flacenm §8, Mang. II, 525: Ilevxe (ioigai xfig nöXeoiq daiv, i7i(üvi\uoi Tiöv n^täxiuv oxot^eicuv xijg iyyQafifidxov (pwvijq' xovxwv ovo lov- da'ixcd Xsyovxut, ötd xb nXeioxovi 'lovöaiovq iv xavxaig xaxoixtiv. Olxovai 6e xttl iv xaiq akXaig ovx oXiyoi anogäöeq. Die Eintheilung Alexandria's in fünf Bezirke und die Benennung derselben nach den fünf ersten Buchstaben

22 S 31. Das Judenthuin in der Zerstreuung. [üjOl. 502]

also die Trennung doch erhalten, und wir werden die jüdischen Quartiere zur Zeit Philo's noch an dei-selben Studie wie früher, also in» Osten der Stadt zu suchen haben •'•'). Nach einer m-h'f^aut- lichen | Notiz des Josephus wolinten die Juden namentlich in dem „sogenannten Delta", d. h. also in dem vieilen Stadtbezirke«"). Die Gesamnitzahl der jüdischen Einwohner Aegyptens scliätzt Philo zu seinerzeit auf etwa eine Million^'). Er bemerkt dabei, dass die Juden wohnten „bis an die Grenzen Artliiopiens" {fiiXQ'' '^^^ oQimv Ai&iojiiag). In der That haben wir auch sonst Zeugnisse ihrer Verbreitung über das ganze Land. Im Nomos von Heliopolis, also im Süden des Delta auf der östlichen Seite de.s- selben, lag der von Onias zur Zeit des Ptolemäus Philometor ge- gründete jüdische Tempel (s. hierüber unten Abschnitt IV). Die dortige Gegend hiess /) 'Oviov x<r)Qa {Antt. XIV, S, 1. li. J. I, 9, 4). Vielleicht ist damit identisch der vicus Judaeorum Itinerar. Anton- nini). Ebenfalls auf der östlichen Seite des Delta lag ein caatra Judaeorum {Notit. Di<pntat). Verschieden davon ist to ^lovöaimv öTQaroTcEÖov {Antt. XIV, 8, 2. B. J. I, 9, 4), denn letzteres lag auf der westlichen Seite des Delta (Näheres s. unten Abschn. IV; dass es mehrere , .Judenlager" gegeben hat. kann nicht auffallen, da Ptolemäus Lagi 30000 bewafinete Juden «/§ x^v x^h'^v xarm- xiosv ev Tolg (pQovQloig, s. oben Anm. 29). Die Existenz einer Juden- gemeinde in Athribis im südlichen Delta ist durch eine Inschiift bezeugt''^). Aus einer Papyrus -Urkunde der früheren Ptoleniäer-

des Alphabetes ist auch sonst bezeugt. S. Pseiido-Callisthenes I, 32 {fd. Mensel in Fleckeisen's Jahrbb. für class. Philol. Supplementbd. V.): Sffxfkiwaaq (Je rb nkelarov /xeQoq Tijg nö/.ewq ^AXi^avögoq, xul yo}QoyQa(f:riaaq intyQurpi yQUfx- fxaTttnivte' ä ß yd f. Der zweite dieser Stadtbezirke wird auf einer Inschrift

aus der Zeit des Antoninus Pius erwähnt: Tißipioq ^lovhoq ^Aki^uvÖQoq

xwv dyoQ«vo[irix6xo)v o inl r^q evd-Tjviaq xov B ygufifiaroq (s. Lumbroso in den Annali dell' Instituto di corrisp. archeol. 1875, S. 15; Bursian's Jahres- bericht f. 1874—75, Bd. n, S. 305; Marquardt, Römische Staatsverwaltung I, 1881, S. 455). Den vierten Stadtbezirk, xa/.ovfiivov Jü.za, erwähnt Josephu.«, s. Anm, 40.

39) Josephus sagt c. Apion. 11, 4 ausdrücklich, dass die Juden den von ihnen eingenommenen Platz auch später nicht aufgegeben haben {xaxioxov wq fitjö' VOX6QOV ixueaelv).

40) Bell. Jud.TL, 18, 8: elq x6 xaXovfievov diXxa' avviuxioto yccQ ixü tu 'lovöa'ixöv.

41) Philo, in Flaccum §6, Mang. II, 523: ovx aTtodioiai (ivQidöojv hxaxov ol xTjv 'Aks^ävÖQSiav xal xr]v xwquv 'lovöaZoi xaxoixovvxeg utio xov TCQoq Aißvrjv xaxaßa&f/.ov ßi'/Qi xwv OQiav AtQ^ioniaq.

42) Revue des etudes juives t. XVII, 1888, p. 235 238 = Bulletin de corre- spondance helleniqne ^. XIII, 1889, ^.178 182. Den Wortlaut s. unten Ab- schnitt III.

[502] I. Ausbreitung (Aegypteu). 23

zeit, welche im Nomos von Arsinoe, dem heutigen Fajjuni, in Mittel-Aegypten gefunden worden ist, geht hervor, dass in dem Doife Psenyris irgend welclie Abgabe zu entrichten war eig za ajiodoxut Tr}q xcofitjg jraQa xcov lovöaitov xai xoav EXXrjvmv txaoTOV ocofiazog S. Die Juden und Hellenen bildeten also dort besondere Gruppen neben den Einheimischen ^3). In Antinoopolis, an der südlichen Grenze von Mittelägypten, ist eine hebräische Grabschrift gefunden worden ^^), In Ober-Aegypten haben schon zur Zeit des Jeremia sich Juden angesiedelt (s. oben Aum. 30). In der Gegend von Theben sind Steuer- Quittungen auf Thon- Täfelchen (Ostraka) mit jüdischen Namen gefunden worden, welche der Ptolemäerzeit angehriren^^l. Ein Jude Namens J«rooi5/o?, welcher ein Pferd, das er einem gewissen Menon hätte überbringen sollen, nicht abgeliefert hat, wiid auf einem in der Thebais gefundenen Papyrus des zweiten Jahrh. vor Chr. erwähnt*^). Im Pan-Tempel zu Apollonopolis Magna (Edfu) haben sich zwei Juden durch In- schriften verewigt^'). Ein Hauptbeweis für die starke Verbreitung

43) The Flimlers l'etrie Papyri ed. bij Muhaffy (=- uu(j(it irish Aeademy, Chmningham Manoirs No.WH), Jhiblin 1891, />. 43. Das Zeichen S bedeutet eine halbe Drachme, awfiu ist das gewöhnliche Wort für Sklave; es scheint sich also um eine Taxe zu handeln, welche die in Psenyris wohnenden Juden und Griechen für die in ihrem Besitze befindlichen Sklaven zu entrichten hatten. Anfang und Schluss der Urkunde sind defect. Auf einer anderen Urkunde aus derselben Gegend vom J. 238/237 vor Chr. kommt vor ein [nage- n]i6ri/Jog og xai avQian lutva^Ui; [xaltixai], The Flinders Petrte Papyri Part II [Cunningham Memoirs So. IX i Dublin 1893, p. 23, 15. Ueber eine dritte, von Grenfell gelundeue Papyrus-Urkunde aus jener Gegend, auf welcher jüdische Namen vorkommen (2. Jahrh. vor Chr.), s. Theol. Litztg. 1890, 522. Vgl. auch Deissmanu, Theol. Litztg. 1896, 011.

44) Mitgetheilt von Euting, Zeitschr. für ägypt Sprache und Alterthums- kunde XXXIV, 1896, S. 164f. Euting bemerkt S. 105: „Der Schrift nach dürfte das Denkimü in das 1. Jahrh. n.Chr. gehören." Der Entdecker, C.Schmidt, macht aber darauf aufmerksaip, dass Antinoopolis erst durch Hadrian gegründet worden ist.

45) Mitgetheilt von Sayce in: The Jewish Quarter ly Rerieic t.ll, 1890, p. 4(X) 405. Wilckeu, Griechische Ostraka aus Aegypten und Nubien (soll 1898 oder 1899 erscheinen).

46) Grenfell, An Alexandrian erotie fragment and other greek jxipyri chiefly Ptolemaic {Oxford 1896) p. 75. Der hier mitgetheilte Papyrus-Text ist ein Brief eines gewissen Älenon an seinen Bruder Hennokrates, in welchem es

heisst: fy()ai/;a ti[ ]tvai fjfitv r^v "nnov, xai) nag' lovöaiov [.. .]a&ai

ttvz^v ni zo ovofz« /ittvoovko[g' a.]vxoi de /ir/rf" aTioSiöatxözog Tjfilv fi[T]ö]h 'Innov fiTjöh ZTjv noQiiav avxTjq i:n[t6f6a)x6zog. iygccxi'afisv aot OTiwg ovv ei6^[ig]. Statt l'yt)«!^'« ist nach einer brieflichen Bemerkung GreufeU's tygaxpug zu lesen.

47) Letronne, Beeueil des inscriptions greeques et latines FEyypte t.H (1848) p. 252= Corp. Inscr. Graec. «. 4S3Sc == Lepsius, Denkmäler aus

24 >; 31. DaH Judeuthum in der Zerstreuung. [502]

des Judentluims in Oberägypten ist der Umstand, dass der jüdische Aufstand zur Zeit Trajan's sich auch über die Tliebais er- streckte ^^j. Entsprechend ihrer grossen Zahl und Bedeutung waren die Juden von Alexandria und Aegypten auch bei allen grösseren Conflicten zwischen der jüdisclien und heidnischen Welt in hervorragender Weise betheiligt; so bei der grossen Verfolgung unter Caligula (s. § IT"), bei den Aufständen zur Zeit Nero's und Vespasian's^-') und zur Zeit Trajan's (s. §21;. Eben die Geschichte dieser Conflicte ist zugleich ein Beweis für die fortdauernde Be- deutung des ägyptischen Judenthunis auch in der römischen Zeit. Ausser den eigentlichen Juden lebten aber in Aegypten auch Samaritaner^*'). Schon Alexander der Grosse soll Sauiaritaner in der Thebais angesiedelt haben*'). Ptolemäus I Lagi nahm bei seiner Eroberung Palästina's nicht nur aus Judäa und Jei-usaleni, sondern auch „aus Saniarien und von den am Berge Garizim woh- nenden" viele Kriegsgefangene mit sich und siedelte sie in Aegypten an ^2). Ein Dorf 2a/jaQeia in Mittel-Aegypten konmjt auf Papyrus- Urkunden aus der Mitte des dritten Jahrh. vor Chr. vor"*^). Zur Zeit des Ptolemäus VI Philometor sollen die Juden und Samaritaner in Aegypten ihren Streit über die wahre Cultusstätte (ob Jerusalem oder der Garizim) vor das Forum des Königs gebracht haben ''\). In Hadrian's angeblichem Briefe an Servianus wird von den Samari- tanern in Aegypten dasselbe gesagt, wie von den doi-tigen Juden und Christen, dass sie nämlich allesammt „Astrologen, Haruspices und Quacksalber" seien ^^). Die Existenz vonSamaritanern in Aegypten wird

Aegypten und Aethiopien Bd. XII Blatt 81 Inscr. Or. v. 136 u. 144. Den Wort- laut s. unten Abschnitt IV Anfang.

48) Euseb. Chron. ed. Schoene II, 164 sj. (zum 18. Jahre Trajan'n). Orosius Vn, 12.

49) Bell. Jud. II, 18, 7—8. VII, 10.

50) Vgl. hierüber: Juynboll, Commentarii in historiam gentis Samari- tanae (Uigd. Bat. 1846) p. 38—41, 43-4.5.

51) Antt. XI, 8, 6/2«.

52) J-W^. XII, 1: noXXovq alx(iaX(öxovq Xaßütv dno ze Trjq oQSivJiq^IovSala(; xal X(5v nsgl ''IsQoaoXvfia rÖTtcov xal XTJg SafxaQeiziöog xal räiv iv raQit,siv, xazwxiasv anavzaq slq Äiyvnzov dyayföv.

53) The Flinders Petrie Papyri Part 11, ed. hy Mahaffy (== Royal Irish Äcademy, Cutmingham Memoirs No.lX) Dtiblin 1893, p. [1412, [88] 9, [93] 4, [94] 22, [96] 12. Aegyptische Urkunden aus den königl. Museen zu Berlin, Griechische Urkunden Bd. I, 1895, Nr. 94 (dazu Deissmann, Theol. Litztg. 1896, 611). Auch auf einem von Grenfell gefundenen Papyrus kommt dieses SccfiaQSia vor, s. Theol. Litztg. 1896, 522.

54) Antt. XIII, 3, 4. Vgl. XU, 1 fiti.

55) Vopise. vita Saturnini e. 8 (in den Scriptores historiae Augustae) : nemo illie archisynagogus Judaeorum, nemo Samarites, nemo Chr istianorum presbyter non mathematicus, non hariispex, non aliptes.

[502. 503] I. Ausbreitung (Cyrenaica). 25

auch in einem Schreiben der Kaiser Valentinianus, Theodosius und Arkadius vom J. 390 an den praefectus Augustalis vorausgesetzt ^^). In der Schrift eines Bischofs Eulogius wird von einer Synode be- richtet, welche dieser Bischof gegen die Samaritaner gehalten hat Wenn darunter der auch sonst bekannte Eiilogius von Alexandria zu verstehen ist. so würde damit die Blüthe | der Samaritaner in Aegypten für das sechste Jahrhundert nach Chr. bewiesen sein^'). Ihre Existenz daselbst ist aber auch noch während des Mittelalters und bis in's 17. Jahrlu nach Chr. nachweisbar*^).

Von Aegypten aus war die jüdische Diaspora auch weiter nach Westen vorgedrungen. Namentlich in Cyrenaica war sie sehr stark vertreten. Schon Ptolemäus I Lagi hatte dorthin jüdische Ansiedler geschickt ^'^j. Nach Strabo zerfielen die Einwohner der Stadt Cyrene zu Sulla's Zeit (um 85 v. Chr.) in vier Classen: 1) Bürger, 2) Ackerbauern, 3) Metöken, 4) Juden ^''). Eben damals spielten die Juden bereits eine hervorragende Rolle bei den Un- ruhen in Cyrene, welche LucuUus bei seiner zufälligen Anwesen- heit daselbst zu schlichten hatte*'), üeberhaupt scheint es, dass

5()) Ck)dex Theodosianus ed. Haenel XIII, 5, 18.

57) Wir kennen die Schrift jenes Eulogius nur durch die Mittheiiungen bei Photius, Biblioth. cod. 230 s. fin. [ed. Bekker p. 2s5). Photius liielt den Verfasser für den Eulogius von Alexaudria (Ende des ♦). Jalirh.), womit aber nicht vereinbar ist, dass die Synode im siebenten Jahre des Kaii^ers Marcia- nus (450 457) gehalten worden sein soll. Man hat nur die Wahl, entweder Marcianus in Mauricius zu ändern, der v. J. 582 ^i/iJ2 n. Chr. regierte (bo z. ß. Fabrictus-Harlt's , Biblioth. gr. X, 754) oder an einen anderen Eulogius zu denken, etwa den Bisehof von Philadelphia in Palästina, welcher die Acten des Concils von Chalcedon 451 unterschrieben hat iso z. B. Tillemont und Ceillier; s. überh. Smith and Waee, Dictionary of Christian bio^raphy s. r. Eu- logius). Im letzteren Falle würde seine Schrift für die Geschichte der ägyp- tischen Samaritauer überhaupt nicht in Betracht kommen.

58) JttynbuU, Commentarii in historiam gentis Sam. p. 43 15. Hei- denheim, Nachrichten über die Samaritaner [in Aegypten] aus einem hand- schriftlichen Reisejouruale aus dem 15. Jahrh. (Vierteljahrsschr. für deutsch- uud euglisch-theolog. Forschung und Kritik Bd. III, 1807, S. 354 350). Brüll, Die Samaritaner in Kairo (Jahrbb. für jüdische Gesch. und Literatur VII. Jahrg. 1885, S. 43—45).

59) Joseph. Äpion. 11, 4. Vgl. über die Geschichte von Cyrenaica überh. Thrtge, Res Cyrenetisium, Hafniae 1828. Clinton, Fasti Hellenici HL, 394—398. Marquardt, Römische Staatsverwaltung I (1881) S. 457-^64, und die hier citirte Literatur. Zur Geographie: Forbiger, Handb. der alten Geographie II, 825—832.

00) Strabo bei Jijseph. Antt. XIV, 7, 2: xexxaQfq ä" rjoav iv r^ noXsi rüiv KvQt]vai(x)V , jj TS x<üv TioXixdiv xal jj xiäv yeiuQywv, xgtxrj d* ^ xdiv fttxoixouv, TSxäQXTj 6* Tj x<üv 'lovöalütv.

01) Strabo bei Joseph. Antt. XIV, 7, 2. üeber die damalige Thätigkeit

26 § 31. Das Judenthum in der Zerntreuung. [5<)3. 5iA]

die Juden von Cyrene ganz besonders zum Aufruhr geneigt waren. Zur Zeit Vespasian's verlief hier das Nacli.spiel des Krieges '^^j, und zur Zeit Trajan's war Cyrenaica ein Hauptsitz dei- grossen jüdischen Empörung (s. oben §21)^^). Nocli weiter westlich dürfen wir gewiss ebenfalls dische Ansiedelungen voraussetzen. Doch finden sich hiervon nur einzelne sichere Spuren •^•).

Die Verbreitung der Juden in Macedonien und Griechen- land erhellt vor allem aus dem bei Philo mitgetheilten Briefe Agrippa's an Caligula •'■')• Thessalien, Boeotien, Macedonien, Aetolien, Attika, Argos, Korinth, endlich tu jiXtlara xcu

des Lucullus in Cyrene 8. Plutarch. Lueull 2. Marquardt, Staatsverwal- tung I, 459. Sein Hauptzweck war, Schiffe für Sulla zu requiriren. Er hatte dabei aber auch innere Unruhen zu schlichten, da die Zustände in Cyrene noch sehr ungeordnete waren. Der letzte König, Ptolemäus Apion von Cyrene, war im J. 9G v. Chr. gestorben, nachdem er die Römer zu seinen Erben ein- gesetzt hatte. Aber erst im J. 74 v. Chr. wurde Cyrene als Provinz einge- richtet.

G2) Joseph. Bell. Jud. VII, 11. Vita 7(3.

03) Vgl. zur Geschichte der Juden in Cyrene auch I Makk. 15, 23 (hierzu oben S. 3); Antt. XVI, 6, 1. 5; und die Inschrift von Berenike, Cftrp. Inner. Qraec. n. 5361. Noch einiges Material bei Wesseling, De Judaeorum archon- tibus 1738 c. 3. Jüdische Männer aus Cyrene werden erwähnt: II Makk. 2, 23 (Jason aus Cyrene), Ev. Matth. 27, 32 = Mc. 15, 21 = Lc. 2.3, 26 (feimon au» Cyrene), Actor. 2, 10 (Cyrenäer beim Pfingstfest in Jerusalem), Act. 6, 9 (Syna- goge der Cyrenäer in Jerusalem), Act. 11, 20 (Cyrenäer kommen von Jerusalem nach Antiochia), Act. 13, 1 (Lucius von Cyrene in Antiochia).

64) Jüdische Inschriften zu Cirta: Carp. Itiscr. Lat. f. VIII n. 7150 {Julius Anianus Judeus), 7155 (Po7upeio Restuto Jiideo), 7530 (dazu Add. p. 965), 7710. Zu Sitifis in Mauritanien: Corp. hucr. ImI. t. VIII n. 8423 {Caelia Thalassa Jtidaea), 8499 {Avilia Aster Juden, M. Ävilius Januarius pater sina- gogae fil. dulcissimae). Inschriften zu Hanimam-Lif (in Tunis) in der dor- tigen Synagoge (s. oben Bd. 11, S. 437 f. 443). Wenn die unter Tertullian'» Namen überlieferte Schrift adv. Judaeos echt ist, würde aus deren Eingang er- hellen, dass zu jener Zeit Juden in Carthago waren. Auf eine Stelle des Procopius {De aedif. VI, 2 ed. Dindorf III, 3.34) verweist Friedlaender, De Judaeorum coloniis (Königsberger Progr. 1876) ^.3. In Volubilis im äussersten Westen von Mauritanien ist eine hebräische Inschrift gefunden worden, welche lautet: n: nTüT^ "^n"! rn x:i-iaT3 (mitgetheilt von Ph. Berger im Bulletin archeologique du Comite des travaux historiques et scientifiques, Paris 1892, Nr. 1, p. 64 66 und pl. XIII; incorrect ist die 3Iittheilung in der Revue des etudes juives t. XXII, 1891 , p. 294). Berger glaubt sie theils aus paläographischen Gründen, theils wegen des lateinischen Namens Mairotm noch der römischen Periode, also „den ersten Jahrhunderten unserer Zeit- rechnung" zuweisen zu dürfen. Mittelalterliche Inschriften und Zeugnisse stellt zusammen: Caxes, Antiquites judaiqites en Tripolitaine {Revue des etudes juives t. XX, 1890, p. 78—87).

65) Philo, Legat, ad Cajum § 36, ed.. Mangey 11, 587.

[504] I. Ausbreitung (Griechenland). 27

agiöxa IltXojiovvrjGov, nennt er als Länder, in welchen Juden wohnten. Unter den inschriftlichen Urkunden über Sklaven-Frei- lassungen, welche in Delphi gefunden wurden, befinden sich auch zwei über die Freilassung jüdischer Sklaven aus dem 2. Jahrh. vor Chr.^^. In Sparta und Sikyon müssen nach I MakJc. 15, 23 schon zur Makkabäerzeit Juden gelebt haben. Bestätigt werden diese Zeugnisse durch die Geschichte des Apostels Paulus, der in Philippi, Thessalon ich, Beröa, Athen, Korinth jüdische Synagogen fand (Ap.-Gesch. 16, 2 3. 17, 1. 10. 17. 18, 4. 7). Dazu kommen noch einzelne Inschriften^'). Auch auf den Inseln des gi-iechlschen Archipelagus und des mittelländischen Meeres waren fast überall Juden, zum Theil in giosser Anzahl. Bestimmt werden bei Philo Euböa, Cypern und Kreta genannt^^). Und wenn wir es von den kleineren Inseln nur zum geringeren Theile ausdrücklich wissen, so liegt dies nur an der Dürftigkeit der Nachrichten**).

6(j) W es eher et Foueart, Inseriptions reeneillies ä Delphe$ (1863) n. 57 = Sammlung der griechischen Dialekt-IuHchritten herausg. von Colli tz Bd. II Heft 3—5, 1892-90 (Delphische Inschrift«'n bearb. von Baunack) n. 1722: ein gewisser Atisidas erklärt fiir frei outfiaxa ywuixtiu XQia alg ovofiecra 'Avziyöva x6 yivog 'lovSaiav xal raj Qvyttxigai; «vzäq ßeodwQav xal dcnQO&iav. Auf einer anderen Urkunde {Wescher - Fouvurt n. 'Ü'A = Collitz- Baunack n. 2029) heisst der Freizulassende aüiia dvögtlov tui ovofta 'loviaio^ ro yivog 'lovSalov (der Name 'lovSaTog kann nur «= *Iotda<; sein). Beide Urkiinden gehören derselben Zeit an, 170—157 vor Chr.; Baunack (S. 037) setzt sie in das J. 15S vor Chr. Es handelt sich also wohl um Kriegsgefangene der Mak- kabäerzeit, die als Sklaven nach Griechenland verkauft worden waren.

67) Jüdische Inschriften zu Athen {Corpus Insc-r. Ättiearum III, 2, n. 3545. 3540. 3547; ebendas. n. 2891—2893 auch Samariter); zu Paträ in Achaia {Corp. Inscr. Oraec, n. 9896); in Lakonien {Rente des etudes Juices X, 1885, p. 77) und Thessalonich (ib. p. 78); in Mantinea {Bulletin de corresp. hellenique XX, 1896, p. 159 == Bemte des etudes juires XXXIV, 1897, p. 148).

68) Philo, Legat, ad Cajtim § 36. M. II, 587. Vgl. über Cypern: I Malk. 15, 23. Apostelgesch. 4, 30. 11, 20. 13, 4 ff., Josejth. Äntt. XIII, 10, 4, und die Geschichte des grossen Aufstandes unter Trajan (oben § 21); über Kreta: I Mahk. 15, 23 (Gortyna auf Kreta). Joseph. Äutt. XVII, 12, 1, B. J. II, 7, 1. Vita 76.

69) Vgl. I Makk. 15, 23 (es werden genannt: Delos, Samos, Kos, Rhodus). Corp. Inscr. Graee. n. 9894 (jüdische Inschrift zu Aegina), Joseph. Äntt. XVII, 12, 1. Bell. Jud. H, 7, 1 (Melos), Äntt. XIV, 10, 8 (Faros), Äntt. XIV, 10, 8 u. 14 (Delos), Antf. XIV, 7, 2 u. 10, 15 (Kos). In Rho- dus lebte zur Zeit des Tiberius ein Grammatiker Diogenes, welcher nur am Sabbath zu disputiren pflegte [Sueton. Tiber. 32: Diogenes grammatieus, disputare sabbatis Rhodi solitus, renietitem eum, ut se extra ordinem audiret, iwn admi,^erat oc per ^errolum suum in septimum diem distulerat). Zwei hervorragende, in Rhodus lebende Schriftsteller, Posidonius und Apol-

28 § 31, Da» Judenthum in der Zerntreuung. [!504. 506]

In Italien war namentlich Rom der Sitz einer nach TauHcn- den zählenden jüdischen Gemeinde 'o». Das erste Auftreten der Juden daselbst reicht bis in die Makkaltäei-zeit zurück. Schon Judas der Makkabäer sandte eine Gesandtschaft an den römischen Senat, um ein Bündniss mit den Kömern abzuschliessen, oder lich- tiger gesagt, um die Zusicherung ihrer Freundschaft und Unter- stützung zu erbitten (I Mah-k. 8, 17 32). Sein Bruder und Nach- folger Jonathan folgte seinem Beispiel {\ Makk. 12, 1—4. 16). Von grösserer Bedeutung war die Gesandtschaft, welche der drittt; der makkabäischen Brüder Simon im J. 140/139 nach Rom sandte. Sie erreichte den Abschluss eines wirklichen Schutz- und Trutz- bündnisses mit den Römern {IMakk. 14,24. 15, 15—24). Wahrend ihres längeren Verweilens in Rom scheinen die Gesandten oder deren Begleitung auch Vei-suche religiöser Propaganda gemacht zu haben. Denn darauf deutet die allerdings etwas contuse Notiz bei Valeritis Maximus I, 3, 2: Jdem (nämlich der Prätor Hispalus) JudaeoSf qui Sabazt Jovia cultu Romanos ivßccre mores conati erant, repetere domos suas coegit ' '). Der Jupiter Sabazius ist freilich eine

lonius Molon, haben schon in der ersten Hälfte des 1. Jahrb. vor Chr. gegen die Juden geschrieben.

70) Vgl. über die Juden in Rom überh.: Migliore, Ad inscriptionem FU> viae Antontnae commentarius sire de antiquis Judaeis Italicis exercitatio epi- graphiea (Handschrift der vatikanischen Bibliothek, n. 9143, citirt von Enge- ström). — Auer, Die Juden in Rom unmittelbar vor und nach Christi Gebart (Zeitschr. für die gesammte kathol. Theo!. Bd. IV, Heft 1, 1852, S. 56—105).

Hausrath, Neutestamentl. Zeitgesch. 2. Aufl. HI, 383-392 (1. Aufl. HI, 71 81). Renan, Paulus S. 131 fl'. Engeström, Gm Jtidarne i Eom un- der äldre Oder och deras katakomher, Upsala 1876. Hitidekoper, Judaism, at Rome, Neiv York 1876. Schürer, Die Gemeindeverfassung der Juden in Rom in der Kaiserzeit, Leipzig 1879. Hamburger, Real-Enc. für Bibel und Talmud, II. Abth. S. 1033—1037 (;Art. „Rom"). Hild, Lcs juifa ä Rome de- vant l'opinion et dans la litthature [Revue des ettules Jiiires t.YlJI, 1884, p. 1 —37. XI, 1885, p. 18—59, 161—194). Hudson, History of the Jeics in Rf/me, 2. ed., London 1884 (394 p.). A. Berliner, Geschichte der Juden in Rom von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart. 2 Bde. in 3 Abthlgn. Frankfurt 1893.

Vogelstein und Rieger, Geschichte der Juden in Rom, Bd. II, 1420 1870, Berlin 1895. Bd. I, 139 v. Chr.— 1420 n. Chr., Berlin 1896. Die Werke und Abhandlungen von Levy, Garrucci u. A. über die Inschriften der jüdischen Katakomben in Rom (s. oben § 2). Auch die unten am Anfang von Abschnitt V genannte Literatur.

71) Der Text des Valerius Maximus hat im ersten Buche eine grosse Lücke. Zu deren Ergänzung dienen zwei uns erhaltene Auszüge aus seinem Werke: der des Julius Paris und der des Januarius Nepotianus (beide heraus- gegeben von Mai, Scriptorum veterum nova colleetio HI, 3, 1828; für die Lücke auch in Kempf's Ausgabe des Valerius Maximus, 1854). Die uns interessi- rende Stelle ist oben nach dem Auszuge des Paris mitgetheilt. Im Auszug

[505. 506J I. Ausbreitung (Rom). 29

phrygische Gottheit '2). Da aber das Judaeos im Texte gesichert ist, so beruht seine Nennung an unserer Stelle ohne Zweifel auf einer Verwechselung des jüdischen Sab(wth (ZebaotJi) mit Sahazim"'^). Das hier berichtete Ereigniss fällt aber | (nach den bei Valerius Maximus unmittelbar vorhergehenden Worten) in das Consulat des M. Popilius Laenas und L. Calpurnius Piso (139 v. Chr.), also genau in die Zeit der Gesandtschaft Simon's, und bezieht sich demnach höchst wahrscheinlich auf diese. Man darf daraus zugleich schliessen, dass damals noch keine Juden dauernd in Rom wohnten. Die ei"sten Ansiedelungen scheinen aber bereits im ersten Drittel des ei"sten Jahrhunderts vor Chr. stattgefunden zu haben, denn schon vor dem Jahr 61 wurden jüdische Gelder aus Italien nach Jerusalem abgeführt'^). Zu grösserer Bedeutung gelangte die römische Juden-

des Nepotianus lautet dieselbe Stelle: Judaeos quoque, qui liottuinis tradere Sacra sua conati erant, idem llippalus urbe exlenuhuirit; anisque prirutas e publicis locis ahü'cit. Da also beide Epitomatoreu das Wort Judaeos haben, so hat es ohne Zweifel bei Valerius Maximus gestanden. Es fehlt nur in dem auf einer schlechten Abschrift aus Paris beruhenden gedruckten Vulgärtexte, welchem ich iu der ersteu Auflage dieses Buches gefolgt bin.

72) Vgl. über Sabazius: Georgii in Pauly's Real-Enc. VI, 1,615—621.— Lenormant in Act lievue archeulugique,Nouv. Sh-ie /.XXVIII, 1874, p.dfJOsqq.. 380 tiqq. XXIX, 1875,;). 43 sqq. Ueber seine Verehrung in Kom: Marquardt, Römische Staatsverwaltung III, 1878, S. 80 f. Corp. Inscr. iMt. t. VI, n. 429. 430. Kaibel, Inficripti<.'nes Graecae Siciliae et Italias n. 1021. 1022. Schon Cicero kennt die Sabaxia {De natura deorum III, 23, 58).

73) Zebaoth ist zwar an sich kein Eigenname. Da aber das hebr. Jahte Zebaoth durch xvgiog ^aßaiü^ wiedergegeben wurde (so die LXX namentlich im Jesajas, s. Tromniius' und Hatch'Concordanzeu, und zwar ist ^aßaw& die besser bezeugte Form, nicht I!ußßauj9^), so ist i:aßaw& iu der That von Juden, Christen und Heiden als Gott es na me behandelt worden, s. Ocw. Sibyll. I, 304. 310. II, 240. XII, 132 («/. Friedlieb X, 132). Celsus bei Origene^ e. Cels. I, 24. V, 41. 45. Die Gnostiker bei Ireuaeus I, 30, 5; Origenes c. Cels. VI, 31—32; Epiphanius haer. 2% 10. 40,2. Zahlreiche gnostische Gemmen (s. Baudissin, Studien zur semitischen Religionsgeschichte Heft I, 1876, S. 187 flu). Origenes selbst, Exhortatio ad marttfrium e. 46. Eieronymus, epist. 25 ad Mareellam de decem nominibus Dei {Opp. ed. Vallarsi I, 130**?.). Auch in ähnlichen ano- nymen Tractaten über die Gottesnamen {Eieronymi Opp. ed. Vallarsi III, 719 sq. Lagarde, Onomastica sacra p. 100. 205 «g.). An den hebräischen Sabbath ist sicher nicht zu denken, da nicht einzusehen ist, inwiefern dieser als Gottes- name aufgefasst werden konnte. Vgl. im Allgemeinen auch Bertholet, Die Stellung der Israeliten und der Juden zu den Fremden, 1896, S. 228.

74) Cicero pro Flacco 28: Quam aurum Judaeorum nomine quotannis exitalia et ex omnibus prorineiis Eierosolyma expttrtari soleret, Flaecus sanxit edicto, ne ex Asia exportari iiceret. Flaecus war von 62—61 vor Chr. Statthalter von Asien. Wenn schon damals jüdische Gelder aus Italien nach Jerusalem abgeführt wurden, so kann die Ansiedelung von Juden iu Italien nicht erst seit dem Triumph des Pompejus (61 vor Chr.) datiren, worauf mit Recht Berliner

30 § 31. Das Judenthum in der Zemtreuung. [506. 507)

Schaft seit den Tagen des Pomp ejus. Als dieser im J. 63 Jeru- salem erobert liatte, brachte er auch zalilieiche jüdisclie Kri«'(^sg«'fan- gene mit nach Rom. Sie wurden dort als Sklaven verkauft; viele von ihnen aber bald wieder freigelassen, da sie ihren HeiTen wegen ihres strengen Festhaltens an den jüdischen 0<'bräuchen unbequ«'m waren. Mit dem römischen Bürgerrecht*! beschenkt, siedelUMi sie sich jenseits des Tiber an und verstärkten hier die wahrscheinlich schon vorhandene jüdische Gemeide '^). Von da an bildete die jüdische Colonie in Trastevere einen nicht unwichtigen Fact<jr des römischen Lebens. Als Cicero im J. 59 v. Chr. seine Vertheidi- gnngsrede für Flaccus hielt, finden wir auch zahlreiche Juden unter den Zuhörern anwesend"*^). Beim Tode Cäsar's, des gi-ossen Juden- protectors, klagten eine Menge von Juden die Nächte hindurch an seinem Scheiterhaufen'"). Zur Zeit des Augustus zählten sie schon nach Tausenden. Wenigstens erzählt Joseph us, dass an die Deputation, welche rm J. 4 vor Chr. von Palästina nach Rom kam, sich 8000 römische Juden angeschlossen hätten"**). Zur Zeit des Tiberius begannen bereits die Repressivmassregeln. Die ganze Judenschaft wurde im J. 19 nach Chr. aus Rom verwiesen, nach Josephus des halb, weil ein paai- Juden einer vornehmen Proselytin Namens Fulvia grosse Summen Geldes abgeschwindelt hatten unter dem Vorgeben, sie an den Tempel nach Jerusalem zu schicken'®). Viertausend waffenfähige Juden wurden dafür nach Sardinien zur Bekämpfung der dortigen Briganten deportii-t; die übrigen aus der Stadt verwiesen. So berichten im Wesentlichen übereinstimmend

aufmerksam gemacht hat (Geschichte der Juden in Rom, Bd. I, 1893, S. 5 ff.). Andererseits hat freilich Berliner Unrecht, wenn er die Beziehung der gleich zu erwähnenden Notiz Philo's auf die Zeit des Pompejus in Abrede stellt. Auf welche Zeit soll sie sich denn sonst beziehen?

75) Philo, Legat, ad Cajum § 23, Mang. 11, 568: n<üg oiv dnfStxfto {seit. Augustus) TTjv negav zov TißtQeoDq nora/xov fisyälTjv ZTJg 'PwfiTjg anoTOfir/v, 7]V ovx i^Y'^öei xarexofi£vr]v xal olxovfiivrjv TCQoq 'lovöultov; "" Pojßaloi dt r/oav Ol nXiiovq «TreAfv^f (jw^e'vrfc. Atyjiäkwxoi yäg dyßivxfq eiq 'Ixa)dav vtio rcwv xTTjaafxevojv i^kevd^sQojO^Tjaav, ovöhv xöiv narglmv naQaxuQÜ^ai ßiaa^ivxeq. Die Beziehung dieser Worte auf die Zeit des Pompejus sucht Berl inera.a. O. durch Berufung auf Appian. Mithridat. 117 zu entkräften. Dort ist aber nicht von gewöhnlichen Gefangenen, sondern von Fürstenkindem und Feldherren die Eede.

76) Cicero pro Flacco 28.

77) Sueton. Caesar 84: In summo publieo luctu exterarum gentium mul- titudo cirlulatim suo quaeque more lamentata est, praecipueque Judaei, qui etiam noctibus eontinuis hustum frequentarunt.

78) Antt. XVII, 11, 1. B. J. II, 6, 1.

79) Antt. XVIII, 3, 5.

[507. 508] I. Ausbreitung (Rom). 31

Tacitus®^), Suetonius*^') und Josephus®^). Nach dem zeitgenössischen Berichte Philo's war die Massregel hauptsächlich durch den schon damals mächtigen Sejan betrieben worden ^^l. Nach dem Stui-ze Sejan's (31 n. Chr.) habe Tiberius eingesehen, dass die Juden von Sejan grundlos verleumdet worden seien, und habe den Behörden {vjtaQYoiQ) an allen Orten befohlen, die Juden nicht zu belästigen und die Ausübung ihrer Gebräuche nicht zu hindern ^^). Man darf daher annehmen, dass ihnen auch die Rückkehr nach ßom gestattet worden] ist; und es erklärt^ sich so, dass Philo schon zur Zeit Caligula's die Existenz der römischen Gemeinde wieder als selbst- verständlich voraussetzen kann. Die Regierung des Claudius be-

80) Annal. II, 85: Actum et de saeris Aegyptiis Judaicüque pellendi» fae- timique patriim consultum, ut quattitor milia libertini generia ea auperstitivne infecta, qnis idonea aetas, in insulam Sardiniam vtherentur, eoereendü itlie latrociniis et, si ob graritatem caeli interissent , eile damnum; eeteri cederent Itaiia, nisi certam ante diem profanoa rUu» exuiuent.

81) Vita Tiber. 36: Extemaa eaerimoniaa , Aegyptios Judaicosque rittu compescttit , eoactis qui superstüione ea tenebantur religiosas veste» cum instru' mcnto omni comburere. Judaeorum juventutem per speeiem saeramenti in pro- rincids gravioris caeli distrihuit, reliquos gentis ejusdem vel similia sectantea tirbe siimmorit, sab poena perpetuae servitutia nisi ubternperaasent.

. 82) Joseph US {Antt. XVIII, 3, 5) sagt bestimmt, dass 4000 Juden zum Kriegsdienst ausgehoben und nach Sardinien geschickt wurden. Tacitus nennt dieselbe Zahl, spricht aber von Aegyptern und Juden. Nach Tacitus wären die Uebrigen aus Italien, nach Josephus nur aus Rom vertrieben worden. Suetouius stimmt mehr mit Josephus. Die harte Bestrafung (statt einfacher Ausweisung) erklärt Mommsen daraus, dass die Juden in Kom als libertini römische Bürger waren (Mommsen, Der Religioiisfrevei nach römischem Recht, Sybel's Historische Zeitschr. Bd. W = N. F. Bd. 28, 1890, S. 407 f.). Ueber die Chronologie vgl. Volkmar, Die Religionsverfolgung unter Kaiser Tiberius und die Chronologie des Fl. Josephus in der Pilatus-Periode ( Jahrbb. für prot. Theol. 1885, S. 136—143). Volkmar nimmt mit Recht an, dass Jo- sephus Antt. XVIII, 3, 5 dieselbe Juden-Austreibung meine wie Tacitus und dass diese (gemäss dem Bericht des Tacitus) in das J. 19 n. Chr. falle.

83) Euseb. Chron. ad ann. Abr. 20ö0 (ed. Schoene II, 150) nach dem Ar- menischen: Seianus Tiberii prueurator, qui Intimus erat consiiiarius regia, uni- lersim gentem Judaeorum derperdendam expoacebat. Metninü autem huiua Phi- Ittu in secnnda relatione. Syncellus, ed. Dindorf 1, (321: I^rjiavoq fnagxoQ TtßeQiov KalauQoq tx(qI reXelaq dnioXfiag xov e&vovq xvüv ^lovöaiuiv nokXu avveßovlive Kalaafii, oJ? 4>lX(i)v 'lovöaloq i^ 'AXe^avö^eiaq diüycuv laxoQtZ iv T}] ötvTi^a Trjg tkqI aitov ngsoßticcg. Hieronymus, Chron. (bei Eiuseb. Chron. ed. Schoene II, 151): Seianug praefectus Tiberii qui aput eum pbtrimtwi poterat insta)(tissif?ie cohortatur, ut gentem Judaeorum deleat. Filo meminü in lihro legationis seeundo. Dieselbe Notiz nach derselben Schrift Philo's auch bei Euseb. Hist. ecel. II, 5, 7. Vgl. über dieses Werk Philo's unten § 34.

84) Philo, Legat, ad Cajum § 24, ed. Mang. II, 509.

32 § 31, Das Judenthuni in d«;r ZtTKtreuunjr. [TjüB]

gann mit einem allgemeinen Toleranz-Edict für die Juden ®^). Aber auch dieser Kaiser sah sich spätci- geiiöthigt, Massregeln gegen die Juden zu ergreifen. Nach den kurzen B<;richten der Apostel- geschichte und des Suetonius hätte eine wirkliche Ausweisung der Juden aus Koni durcli Claudius stattgefunden'»^). Nach dem offen- bar genaueren Berichte des Dio Cassius verbot aber Claudius den Juden nur die Versammlungen, da eine Ausweisung ohne gi-ossen Tumult nicht durchführbar gewesen wäre*»'). Dieses Verbot kam freilich einem Verbote freier Religioivsübung gleich und hatte wohl zur Folge, dass Viele die Stadt verliessen. Die Zeit des Edictes lässt sich nicht sicher bestiiii?nen; jedenfalls fällt es in die spätere Zeit des Claudius, wahrscheinlich 4U n. Ciir."''). Aus den Worten

85) Joseph. Antt. XIX, 5, 2—3.

80) Ap.-Gesch. 18, 2: dia ro diaxtraxivai Klavöiov ;((0p/^eo&ai nüitui xovq 'lovSalovg uno z^g ^PwfujQ. Sueton. Claud. 25: Judaeoa impulsore C/ireato asaidiie tunniltuontcs Roma cxpulit,

87) Dio Cas8. LX, 0: xovq xe 'loviaiovq n)^ovttaavxaq av&iQ, ojaxt /aAf- n(Sq av avsv xaQax^i vno xoi Sx^ov atpwv x^q noXeiaq dgx^rivttt, ovx i^).aaf fiiv, T<5 de ÖTj naxglü) ßiu> XQ'^^'^ovq ixiktvae ßfj avva&QOiXia&ai. Die Notiz steht bei Dio Cassius im Anfang der Regierung des Claudius, während die von der Apostelgeschichte berichtete Massregel wahrscheinlich viel später fallt (s. Anm. 88). Allein Dio Cassius erzählt hier überhaupt noch nicht chrono- logisch, sondern giebt eine allgemeine Charakteristik des Claudius (dies scheint mir sicher trotz der entgegengesetzten Bemerkungen von H. Lehmann, Sta- dien zur Gesch. des apost. Zeitalters S. 2 4; mit den Worten Xf^ca «Je xo^* ixaaxov wv inoir,a£ c. 3 geht Dio nicht zur chronologischen Erzählung, son- dern zur Schilderung der guten Seiten des Claudius über). Ein den Juden ungünstiges Edict kann unmöglich in die erste Zeit des Claudius fallen, da Claudius eben damals ein Tolerauzedict für sie erliess. Das von Dio Cassius erwähnte Edict ist also höchst wahrscheinlich mit dem des Suetonius identisch. Es wäre ja seltsam, wenn der eine nur dieses, der andere nur jenes erwähnte. Das expuh't bei Suetonius ist zu verstehen nach Analogie von Sueton. Tiber. .SO: expulit et matheynaticos, sed depreeaniihus . . . veniam dedit. Die Ausweisung war wohl beabsichtigt; als man aber merkte, dass sie auf Schwierigkeiten stossen würde, sah man davon ab. Hieraus erklärt sich auch das Schweigen des Tacitus und Josephus. Mommsen (Sybel's Historische Zeitschrift Bd. f>4, 1890, S. 416) nimmt nichl einmal eine beabsichtigte Ausweisung an, sondern nur ein Verbot der Ausübung des Gottesdienstes.

88) Unser Edict wird von Manchen identificirt mit dem von Tacitus zum J. 52 erwähnten, Tac. Annal. XII, 52: De mathematicis Italia pellendis factum senatus constiltwm atrox et irritiim. Allein unter den mathematici kann un- möglich die römische Judengemeinde verstanden werden. In der Chronik des Eusebius und Hieronymus wird die Ausweisung der Juden durch Claudius nicht erwähnt. Eine genaue Zeitangabe für unser Edict (und zwar das neunte Jahr des Claudius, 49 n. Chr.) giebt nur Orosius VII, 6, 15 {ed. Zangemeister 1882) : Anno ejiisdem notio expulsos per Claudium Urbe Judaeos Josephus refert. Sed ine magis Suetonius movet, qui ait hoc modo etc. Da aber Josephus die

[509] I. Ausbreitung (Rom). 33

! Sueton's darf man wohl schliessen, dass es veranlasst war durch Unruhen, welche infolge der Predigt von Christo im Schoosse der Judenschaft entstanden waren ^'-^i. Auch dieses Edict des Claudius hatte nur ganz vorübergehende Folgen. Es vermochten eben solche Massregeln nicht mehr die bereits festgewurzelte jüdische Gemeinde wieder auszurotten oder auch nur dauernd zu schwächen. Sie war, namentlich durch ihre zahlreichen Proselyten, schon zu sehr mit dem römischen Leben verwachsen, als dass eine völlige Unterdrückung noch hätte gelingen können. Aus der Stadt ausgewiesen, wanderten sie in die Nachltarschaft, etwa nach Aricia aus^'^). um sich von dort dann bald wieder in die Stadt hereinzuziehen. Ihre Geschichte in Rom lässt sich in die Worte des Dio Cassius zusammenfassen: Oft unterdrückt, sind sie doch aufs stärkste gewachsen, so dass sie selbst die freie Ausübung ihrer Gebräuche durchsetzten*'). Der vornehme Römer sah freilich mit Verachtung auf sie herab. Aber

Sache überhaupt nicht erwähnt, so ist die Notix in Betreff der Quellenangabe jedenfalls irrig und damit auch liinsichtlich ihres Inhaltes nicht Kicher. Immer- hin darf man annehmen, dass Orosius die genaue Zeitangal>e nicht aus der Luft gegriffen hat. Er schreibt im dortigen Zusammenhang die Chronik des Eusebius = Hieronymus ab, schaltet aber in dieselbe die dort fehlende Notia über die Judenaustreibung auf Grund anderweitiger Kunde ein. Auch nach dem Zusammenhang der Apostelgeschichte (beachte das nQoa<päxw<; Aet. 18, 2) ist es wahrscheinlicJ», dass das Edict etwa um 50 52 u. Chr. fallt. Paul Schmidt (Der erste Thessalonicherbrief 1885, S. 87 90) glaubt in der „immer von Neuem übersehenen" Stelle Euseh. Hut. eeel. II, 18/»«. einen Beweis für die Datirung des Edictes aus dem Jahre .52/53 gefunden zu haben, weil dort das Edict in die Zeit gesetzt wird, „als Paulus seinen Weg von Jerusalem bis Illyrien vollendete". Der Wortlaut bei Eusebius zeigt aber, dass er keine an- deren Quellen hatte, als Rotn. 15, 19 und Aet. 18. Vgl. überh.: Wurm, Tübinger Zeitschrift für Theologe 1833. 1. Heft, S. 44—49. Anger, De temporum in actis apostqlontm ratione (1833) p. Wi'tsqq. Wiesel er, Chrono- logie des apostol. Zeitalters S. 120—128. Winer, RWß. I, 231 f. (Art. Claudius). H. Lehmann, Studien zur Geschichte des apostolischen Zeitalters (1856) S. 1—9. Lew in, Fitxti sacri [London 1865) n. 1773. 1774. Laurent, Neu- testamentliche Studien, 18tk), S. 88 91. Keim, Art „Claudias" in Schenkel's Bibellex. Paul Schmidt a. a. 0.

89) üeber Chrcutus = Christus s. Hug, Einl. in das N. T. (4. Aufl.) II, 335. Anger a. a. O. S. 116. Credner, Einl. in das N. T. S. 381. Hilgenfeld, Einl. in das N. T. S. 303 f. Huidekoper, Judaism at Rotne p. 22^ sq.

90) Dies deutet der Scholiast zu Juvenal IV, 117 an: qui ad portam Äri- einam sive ad clivum mendicaret inter Judaeos, qui ad Arieiam trans' ierant ex Urbe misst.

91) Dio Cass. XXXVn, 17: eaxi xal Tcaga xoig'^Pwfiaiotg t6 yt'voc tovto, xoXovad-sv /iiv noXXcixig, av^rid-sv 6h ^7il nknarov, ojare xal ig nagQtjaiav xTjq vo/iiasutg ixviXTJaai.

Schürer, Geschichte III. 3. Aufl. 3

34 § 31, Das Judeuthuin iu der Zerstreuung. [5<)9]

gerade die häufigen Spottreden der Satiriker sind ebensoviele Zeug- nisse dafür, wie sehr sie in der römischen Gesellschaft bemerkt wurden 92), Schon von der Zeit des Augustus an f»'hlt es auch nicht an directen Beziehungen von Juden zum kaiserlichen Hofe; ja zur Zeit Nero's scheint die Kaiserin Poppila selh.st dem Juden- thuni zugeneigt gewesen zu sein ■♦•♦). Allmälilicli b!»'it'*t»'!i -i>* ^-i^h

92) üeber die sociale Stellung der Juden in Rom «. die oben Anm. 70 citirte Literatur, bes. Hausrath, NeuteBtamentl. Zeitpesch. 2. Aufl. IH, 383—392.

9.3) Auf Beziehuugeu der Juden zu Augustus und Agrippa dfutt-n die Namen Avyovati]Otoi uud 'Ayfinntjaioi, welche zwei jüdische Gemeinden in Rom führten (s. unten Nr. 11;. Die Kaiserin Livia hatte eine jüdische Sklavin Namens A lerne (./os. Antt. XVII, 5, 7. Bell. .lud. I, 32, 0. 33, 7). Kaiser Claudius war mit dem jüdischen Alabarchen Alexander (nach anderer I^s- art Lysimachus) befreundet, der seiner Mutter Antonia als Finanz-Ver- walter gedient hatte (-4////. XIX, 5, 1: Xvet ie xal ^AXi^avÖQOv ImI. Lyniniachum] zov uXaßÜQxriv (fiXov ägxo^^ov uvttj) ytyovoxa xal 'AvTawlav uvtov iniXQO- nevaavra xtjv fxrjr^Qa). Auf einer Inschrift aus der Zeit de« Claudius wird eine [Cl]attdia Aster [Hi\ero8olymitana [ca'ptiva, offenbar eine jüdische Sklavin des Claudius, erwähnt {Orelli-Ifenxen, Inscr. Lat. n. 5302 Mommaen, Ingrr. Regni Neap. n. (5407 = Corj^. Inscr. Ijat. t. X n. 1971), Am Hofe Nero's finden wir einen jüdischen Schauspieler Alityrus {Jos. Vita 3). Poppäa wird selbst als 9eo<jfßr,g bezeichnet und war steta bereit, judische Bittgesuche beim Kaiser zu vertreten {Jos. Antt. XX, 8, 11. Vita 3). Dass sie nach ihrem Tode nicht nach riunischer Sitte verbrannt, sondern „nach der Gewohnheit aus- ländischer Könige" [reguvi exteruorum constietudine) eiubalfiamirt wurde, be- merkt Tacitus Annal. XVI, 0. Unter Vespasian, Titus unfl Domitian lebte der jüdische Geschichtschreiber Josephus in Rom, von allen drei Kaisem durch Wohlthaten unterstützt und geehrt {Jos. Vita 70). Durch Domitian's Vetter Flavius Clemens drang, zwar nicht das Judenthum, aber das aus dem Judenthum her^•orgegangene Christenthum sogar in die kaiserliche Fa- milie ein (so \>'ird jetzt allgemein und mit Recht Dio Cass. LXVII, 14 und Sueton. Damit. 15 verstanden). Aus späterer Zeit ist etwa noch der jüdische Spielgeßihrte {conlusor) des Caracalla zu erwähnen [Spart ian. Caracalla 1; hierzu Görres, Zeitschr. f. wissenschaftl. Theol. 1884, S. 147 AT.). Ausserdem ist zu erinnern an die regen Beziehungen des Herodes und seiner Dj'nastie zu Au- gustus und dessen Nachfolgern. Die meisten Söhne des Herodes wurden in Rom erzogen. Agrippa I brachte den grössten Theil seines Lebens bis zu seiner Ernennung zum König in Rom zu; als Knabe M'ar er mit Drusus, dem Sohne des Tiberius, befreundet {Jos. Antt. XVIII, 6, 1), später mit Caligula. Bekannt sind die nahen Beziehungen Agrippa's II und der Berenice zu Ves- pasian und Titus. Endlich verdient aber auch bemerkt zu werden, dass unter den jüdischen Namen auf den Inschriflen sich auffallend häufig Gentilnamen der Kaiser finden. Es kommen folgende, und zwar in ziemlich grosser Anzahl vor: Julius, Claudius, Flavius, Aelius, Aurelius, Valerius. Mögen diese Namen auch häufig nicht auf die alten Geschlechter, sondern auf spätere Kaiser als Quelle zurückgehen (Constantin d. Gr. z. B. hiess mit seinem vollen Namen C. Flavius Valerius Aurelius Claudius Const.), so beweisen sie doch

[509. 510. 511] I. Ausbreitung (Eom). 35

auch in der Stadt immer 1 mehr aus. Das Quartier in Trastevere blieb nicht das einzige^*). Wir finden sie später auch auf dem Marsfelde und mitten in der römischen Geschäftswelt: in der Subura (s. unten Nr. II i. Juvenal macht sich darüber lustig, dass der hei- lige Hain der Egeria vor Porta Capena an die Juden verpachtet sei und von jüdischen Bettlern winnnle iSat. UI, 12— 16i. Die An- siedelung von Juden in verschiedenen Gegenden der Stadt und ihre fortdauernde Blüthe bis in die spätere Kaisei*zeit wird namentlich auch durch die z. Th. erst in neuerer Zeit entdeckten jüdischen Begräbnissplätze bezeugt, deren im Ganzen bis jetzt folgende be- kannt sind ^5). 1) Ein ziemlich unansehnliches | Cömeterium ent- deckte Bosio im J. 1602 vor der Porta Portuensis. Es war wohl der Begräbnissplatz der Juden in Trastevere. Die Kenntniss der Localität ist später verloren gegangen, und es ist bis jetzt nicht gelungen, sie wiederzufinden '•*•>). 2) Ein grösseres Cömeterium wurde im Anfang der sechziger Jahre au der Via Appia in der Vigna Randanini (noch etwas weiter aussen, als die Callistkatakombe) entdeckt. Ihm verdanken wir die Kenntniss einer grossen Zahl römisch -jüdischer Grabschriften »'). 3) Im J. 1867 (oder 1866?) wurde in der Vigna des (irafen C'imarra ebenfalls an der Via Appia (beinalie gegenüber der Callistkatakombe) ein jüdisches Cömeterium aufgedeckt, über welches de Kossi eine kurze Notiz gegeben hat *®).

immerhin ein nahes Verhältniss der Juden zu den Kaisem. Vgl. sonst auch die Abhandlung von Harnack über die Christen am Kaiserhofe {Prmeeton

Review 1878, July, p. 239-280).

94) Hierauf macht mit Recht auch Berliner ((Jesch. der Juden in Rom I, 105 f.) aufmerksam.

95) Vgl. die Uebersichten bei Kraus, Roma Sotterranea (1. Aufl. 1873) S. 489f Caspar i, Quellen zur Gesch. des Taufsymbols III. 1875, S. 271 f. Berliner, Geschichte der Juden in Rom Bd. I, 1893, S. 45— 92. Vogelstein und Rieger, Gesch. der Juden in Rom Bd. I, 1896, S. 49 ff. Daselbst S. 459 —483 Zusammenstellung der Inschriften. Die bis gegen Ende der fünfziger Jahre bekannten griechisch -jüdischen Inschriften aus Rom sind zusammengestellt im Corp. Iiu^er. Grate. T. IV n. 9901— 992<3. Einige lateinische s. im Corp. Inscr. Lot. VI n. 29756—29763. Vgl. überh. die Literatur über die Inschriften oben § 2.

90) Oarrueci, Cimitero degli antichi Ebrei p. 3.

97) Vgl. Oarrucei, Cimitero degli antichi Ehrei scoperto reeentemente in Vigna Handanini, Roma 1802. Ders., Dissertaxiani are/ieologiehe di vario argomento, vol. II, Roma 1865, p. 150—192. Ueber die Lage des Cö- meteriums s. den Plan bei De Rossi, Bidlettino di Archeologia eristiana (1. Serie) Bd. V, 1867, S. 3 und dazu die Erläuterung S. 16.

98) De Rossi, Bullettino V, 16. Die Inschriften aus diesem Cömeterium

3*

36 § 31. Da« Judcnthum in der Zerstreuung. [511. 512]

4) Ein jüdisches Cömeteriuni an der Via Labicana, also in der Nähe des Esquilin und Viniinal, etwa aus der Zeit der Ant4>nine, ist im J. 1883 durch Marucchi nachjfewiesen worden '^'•' ». 5) lieber ein im J. 1885 an der Via Appia, ^^egenüber der Vigna Kandanini, ent- decktes jüdisches Cönieteiiuin hat Nikolaus Müller einen vorlilufigen Bericht gegeben '"^^j. 6j Auch in Porto (an der Tiberinündung) ist ein jüdisches Cömeterium mit einigen Inschriften gefunden worden '^'). Das Alter dieser Cömeterien und der darin enthaltenen Inschriften lässt sich nur annähernd bestimmen: sie mögen in der Hauptsache etwa dem zweiten bis vierten Jahrh. n. Chr. angehören. Ausser den eigentlichen Juden gab es in Rom (wie in Alnxan- diia) auch Samaritaner '^2). Ein Samaritaner Namens Thallus, ein Freigelassener des Kaisers Tiberius, lieh dem Agrippa I in Rom einst eine grosse Summe '''^). Die Existenz von Samaritanern in Rom noch zur Zeit des Ostgothenkönigs Theodorich ist bezeugt durch ein Schreiben dieses Königs an den Comes Arigernus, welches der Briefsammlung Cassiodor's einverleibt ist'®*). Dass die Sama- ri|taner überhaupt im römischen Reiche noch in der späteren Kaiser- zeit nicht ohne Bedeutung waren, erhellt aus der kaiserlichen Ge- setzgebung, welche mehrfach auf sie Bezug nimmt '®^),

giebt nach de Rossi's Mittheilungen: Berliner, Geschichte der Juden in Born

I, 1893, S. 90—92.

99) Marucchi in De Rossi's Bullettino 1883, p. ~9 sq. Der«.. D>' un nuovo cimitero gitidaicho scoperto aulla via Lahicana, 1887.

100) Nicold Mu eller, Le catacombe degli Ehrfi ]>rrxso la via Apj/ia Pi- gnateUi (Mittheilungen des kaiserl. Deutschen archäolog. Instituts, Römische Abtheilung Bd. I, 1886, S. 49—56).

101) S. De Rossi, Bullettino IV, 1866, p. 40. Fünf Inschriften aus dem Cömeterium in Porto (darunter einige zum ersten Male) giebt nach Mit- theilungen de Rossi's: Dercnbourg, Melanges Retiier, 1887, p. 437 441.

102) S. hierüber: Juynboll , Commentarü in historiam gentis Samari- tanae (1846) p. 47—49.

103) Jos. Antt. XVIII, 6, 4. Vgl. dazu unten § 33, III, 10.

104) Cassiodor. Variarum HL, 45 (ed. Mommsen im Monumeuia Gemia- niae historica, Auetores antiquissimi t. XII, 1894): Arigerno Viro Illustri Co- miti Theodericus Rex .... Defensores itaque sacrosanctae ecclesiae Romanae conquesti sunt, beatae recordationis quondam Simplicium domum in sacratis- sima ürbe positam ab Eiifraxio acoluiho instrumentis facti^ solemniter com- parasse; quam per annorum longa curricula ecclesiam Romanam quieto jure suggerunt possedtsse et in usus alienos transtulisse securitate dominii. Nunc autem existere Samareae super stitionis [populum] improba fronte duratum, qiii synagogam ibidem fuisse iniquis conatibus mentiatur. populum fehlt in einem Theil der Handschriften und ist von Mommsen getilgt.

105) Codex Theodosianus {ed. Haenel] XIII, 5, 18. XVI, 8, 16 u. 28. No- vell. Jtistin. 129 u. 144.

[512] I. Ausbreitung (Italienv 37

Nächst der römischen Judengemeinde ist vermuthlich die in Puteoli (Dikäarchia) die älteste in Italien. In diesem Haupt- Hafen- platz für den Handel Italiens mit dem Orient finden wir Juden bereits um das J. 4 vor Chr., unmittelbar nach dem Tode Herodes' des Gr. i^^j. Im übrigen Italien sind sie ei-st in der späteren Kaiserzeit nachweisbar; doch gestattet dies keinen negativen Schluss in Bezug auf die Zeit ihrer Ansiedelung'*^'). Viel inschriftliches Material hat in neuerer Zeit namentlich die Entdeckung der Kata- kombe von Venosa (Venusia in Apulien, Geburtsort des Horaz) geliefert. Die Inschriften derselben sind griechisch, lateinisch und hebräisch; nach Mommsen's Uitheil aus dem sechsten Jahrh. n. Chr.'<>®).

l(»(i) Jos. Antt. XVII, 12, 1. Bell. Jud. II, 7, 1. Schon im J. Gl n. Chr. war iiier auch eine Christengemeinde (Ap.-Gesch. 28, 13 14).

107) Die Nachweise s. bei Friedländer, Darstellungen aus der Sitten- geschichte Roms Bd. III (1871) S. 511—512. Ders., De Judaeorum colonns (Köuigsberger Progr. 187(5) p. 1—2. Renan, Der Antichrist (1873) S.S. Für Unteritalien auch bei Aseoli, Iserixioni (1880) p. 33—38, Neubauer, The early settlement of the Jetts in Southern Italy (Jewish Qtiarierly Review vol. IV, 1892, p. (X)6— 625). Die Orte, an welchen sie sich finden, sind bes. fol- gende: Genua [Cassiodor. Variar. II. 27), Mailand [Cassiodor. Tar. V, 37, Inschriften Bevue archeol. Nour. Serie t. II, 1B«)1>, p. 348), Brescia (.Inschriften Corp. 7w.se/-. Lat. t. V n. 4411 und Kaibel, htscr. Graeeae Sieiliae et Italiae n. 2304), Atjuileja (Römische Inschrift bei Qarrueei Cimitero p. b'2), Bo- logna [Ambrosii4s Exhurtatio rirginitatis e. 1), Ravenna (Anottymus VaUiii c. 81—82, im Anhang zu den meisten Ausgaben des Ammianus Marcellious)^ Capua (Inschrift bei Mommnen, Inser. Hegni Neap. 3057 = Corp. Inser. Lat. t. X n. 30(15), Neapel [F^ocop. Bell. Ootth. I, 8 u. 10, ed. Diiidorf t. II p. 44 u. 53), Venosa (s. die nächste Anm.), Syracus (Inschrift Corp. Inser, Graer. n. 9895), Palermo, Messina, Agrigent (Briefe Gregor's des Gr.). In Apulien und Calabrien konnten im vierten Jahrhundert an manchen orten die Gemeinde- Aemter nicht regelmässig besetzt werden, weil die jüdischen Ein- wohner sich weigerten, dieselben zu übernehmen (Erlass der Kaiser Arcadius und Houoriiis v. J. 398 im Codex Theodosianus XII, 1, 158: VaeiUare per Apidiam Calabriamque plurimos ordines eiritatum eomperimus, quia Judaieae superstitionis sunt, et quadam .<e lege, quae in Orientis partibus lata est, neeea- sifate ifiibeiindorum munerum aestimant defendendoa).

108) Die Katakombe ist schon im J. 1853 entdeckt und in zwei Denk- schriften (von De Augelis und Smith und von D'Aloe^ beschrieben wor- den. Beide Denkschritten lagen aber handschriftlich im Archiv des Museums zu Neapel vergraben, bis ihr Inhalt in neuerer Zeit bekannt gemacht wurde 1) durch Aseoli, Iserixioni inedite 0 mal note yreehe latine ebraiehe di antichi sepoleri gindaici del Napolitano, Torino e Roma ISSO, und 2' im Corp. Inser. Lat. t. IX (1883) n. 6195—0241, vgl. 647. 648. Eine kurze Mittheilung über die Katakombe hatte schon früher Hirsch feld gegeben iBullettino dell' In- stituto di eorrisp. areheol. 1S67, p. 148 1521 Vgl. auch Theol. Literaturztg. 1S80, 485-488. Grätz, Monatsschr. 1880, S. 433 ff. Derenbourg, Revue des etudes juins t. II, 1881, p. 131—134. Lenormant. La eatacombe juire de Ve-

38 § 31. Das Judenthum in der Zeretreuung, (512. 513]

In I Spanien und Gallien finden wir jüdische Gemeinden eben- falls in der späteren Kaiserzeit an verschiedenen Orten. In Betreflf der Zeit gilt hier dasselbe wie von Italien '**»).

II. Gemeinde-Verfassung. 1. Innere Organisation der Gemeinden').

Die Erhaltung der jüdischen Religion und Sitte bei den in alle Welt zerstreuten Gliedern des Volkes war selbstverständlich nur möglich, wenn sie auch in der Fremde, mitten unter der heidnischen Welt, sich zu selbständigen Gemeinden organisirten. in deren Schooss der Glaube und das Recht der Väter wie im heiligen Lande gepflegt werden konnten. Im Allgemeinen ist dies ohne Zweifel schon von frühe an geschehen, jedenfalls seit Beginn der helleni- stischen Zeit. Die Art der Organisation mag nach Zeit und Ort verschieden gewesen sein, namentlich insofern diese jüdischen Ge- meinden bald den Charakter von reinen Privat-Vereinen hatten, bald aber mit mehr oder weniger politischen Befugnissen ausge- rüstet waren: irgendwie aber hat eine selbständige Organisation sicherlich überall da stattgefunden, wo Juden nur in einiger Zahl beisammen wohnten.

Am wenigsten wissen wir in dieser Hinsicht über die östliche Diaspora; ja über die Diaspora der Euphratländer fehlen über-

nosa [Revue des etitdes juives t. VI, 1883, p. 200 207). Ausser den Kata- komben-Inschriften kennt man aus Venosa auch datirte hebräische Grab- schriften aus dem neunten Jahrh., s. Ascoli a. a. O.; Theol. Litztg. 1880, 485. 109) S. die Nachweise bei Friedländer a. a. O. Für Spanien sei nur erwähnt die lat. Inschrift Corp. Inscr. Lat. t. II n. 19S2, und die drei- sprachige Inschrift zu Tortosa (hebräisch-lateinisch-griechisch, s. Le Blant und Renan, Revue archeol. Nouv. Serie t. II, 1860, p. 345 350 = Hiiebtier, biscr. Hispaniae christianae n. 186 = Chwolson , Corp. inscr. hebr. p. 167 sqq.). Für Gallien: lat. Inschrift zu Narbonne, datirt vom J. 688 n. Chr. (besprochen von Reinach, Revue des etiides juives t. XIX, 1889, p. 75—83), hebräische zu Vienne und Arles [Chuolson, Corpus inscr. hebr. p. \12sq.). Ueberhaupt: Schwab, Inscriptions hebraiques en France du Vlle au XV^ siede (Bulletin archeologique du comite des travaux historiques et scientifiques , annee 1897, p. 178—217).

1) Vgl. hierzu: Rhenferd, De arabareha vel ethnarcha Judaeonim {Rhenn ferdii opera philologica 1722, p. 584—613; auch in Ugolini's Thesaurus T. XXIV). Wesseling, Diatribe de Judaeoruni archontibus ad inscriptionem Berenieensem , TraJ. ad Rhen. 1738 (auch in Ugolini's Thesaurus T. XXIV). Die Abhandlung Wesseling's ist noch heute von Werth.

[513] II, 1. Innere Organisation der Gremeinden. 39

haupt alle näheren Notizen aus vortalmudischer Zeit. Auch für Syrien und Kleinasien ist unsere Kunde eine ziemlich dürftige. In Antiochia wird gelegentlich ein aQ'icov rcö^'/ofda/wr erwähnt'^). Eine kaiserliche Verordnung vom J. 213 n. Chr. bezieht sich auf das Vermächtniss einer Frau an die umversüas Juditeomm, qui in Antiochensium civitate cmtstituti sunt^). Für Kleinasien ist aus dem oben S. 10 ff. mitgetheilten Material Folgendes hervorzuheben. Die ovvayooyii xatv 'lovöuimv in Phokäa ehrte eine Frau, welche aus eigenen Mitteln den Bau der Synagoge bestritten hatte, durch Verleihung eines goldenen Kranzes und der :r(totdQia (oben S. 11). Die Inschrift der Kufina zu Smyrna bestimmt dass der unbe- fugte Benutzer der von ihr für ihre Freigelassenen gestifteten Be- gräbnissstätte dem ti^vog töjv 'lovdaivjv tausend Denare Strafe zu zahlen habe (S. 11). Die Rufina selbst führt den Tit^l a();f/öv*'a7€o/o$, was bei einer Frau eben nur als Titel zu betrachten ist. In Sardes hatten die Juden um 50 vor Chr. ihr eigenes Gericht [Antt. XIV, 10, 17: avvodov löiav xata xovc; :rarQiovg voftovg xcä rojiov töiov . Iv (p xa xt :tQay^axa xai xcn; :t()oc nXXfiXovq, avxi- Xoyiag xQivovoiv). Merkwürdig ist die kurze Inschrift von Hypaepa, welche nur die Woi-te 'lovöaicov vscoxtQcov enthält (oben S. 12). Sie scheint auf eine ähnliche Organisation zu deuten, wie wir sie in den griechischen Communen vielfach finden. Die jungen Männer der Stadt [ol vioi oder vecoxsgoi) bildeten einen Verein, hauptsächlich zum Zweck der gymnastischen Uebungen*).

2) Jos. Bell. Jud. VII, 3, 3. Da uQXütv ohne Artikel steht, 8o bt wohl nicht „der uQ^otv^^ zu übersetzen, sondern „ein ä(»xö»v" d. h. einer der jüdi- tichen Oberen.

3) Cod. Justin. I, 9, 1.

4) Vgl. Co/litjnon, Les Colleges de Nioi dans les eites greeqties { Annale» de la Faculte des lettres de Bordeaux 1S80, p. 135 151; hier p. 130«^. auch ein Verzeichuiss der in Betracht kommenden Inschriften). Mommsen, Böm. Gesch. V, 326. Reinach's Erläuterungen zu der Inschrift von H^-päpa {Rente des etudes juiees X, 1885, p. 74«}.). Löning, Die Gemeinde Verfas- sung des ürchristenthums 1888, S. 71. Ziebarth, Das griechische Vereins- wesen (1890) S. 111 115. Demouli n, Les rolleyia jurenum daus l' Empire roinain (Le Musee Belye I, 1897, p. 114—130). Floss, De coUegiis jurenum quae.'ttiones epigraphicae. Diss. Erlangen 1897. Material auch bei Ditten- berger, Si/Uogc Inscr. graec. p. 765» {Index s. c. vioi). Als Beispiele mögen genannt werden die von Curtius mitgetheilten Inschriften von Pergamum. (Hermes VII, 1873, S. 36 ff. Nr. XI: Schreiben Hadrian's ovvoöio xwv iv negyccfzip viwv, Nr. XIII: ^v rip rtuv viwv yt-piaaiio, Nr. XIV: r; ßovXrj xal 0 öfifioq xütv vHuv), femer das corpus quod appellatur neon in Kyzicus (Ephc- mcris epigr. III, 156 sq. = Corp. Inscr. Lat. III Suppl. n. 7(j6Ci). Häufig werden die etfTjßoi und die veoi oder vfiöxtQoi neben einander genannt, z. B. t(üv tf

40 § 31. Das Judenthum iu der Zentreuung. [513. 514]

Ein ähnlicher Verein von Juden, wenn auch nicht zu gleichem Zwecke, scheinen die %vöaioi vewxtitoi gewesen zu sein. Weniger wahrscheinlich ist, dass damit die jüdischen Mitglieder des städti- schen Vereins der vtojxLQoi g«'meint sein sollten. Die Jüdische Gemeinde von Hierapolis heisst o Xabq rojv 'lovdaitov oder auch // xaroixia rätv Iv 'leQajrukEi xaxoixovvtmv 'lovdaiojp (8. \'.i). »Sie hat ihr eigenes Archiv wie ihre eigene Kasse. Strafen wegen Ver- letzung eines jüdischen Grabes sind an sie zu entrichten. Nach der Inschrift von Apamea hatten die dortigen Juden ihr eigenes Recht in Betreff der Begräbnissstätten, das augenscheinlich von der staatlichen Behörde anerkannt war. Der etwaige Verletzer eines Grabes wird einfach auf dieses Recht verwiesen (tov po/iop olÖEV rmv Elovötmv, s. oben S. 14). Auf der Inschrift von Akmonia in Phrygien kommt ein lebenslänglicher Archisynagog vor (o dia ßiov aQXiOvvdymyog). Die dortige ovpayojyrj beschliesst Ehrenbezeugungen für verdiente Männer (s. oben S. 16). Die Inschrift von Tlos in Lycien zeigt uns, dass auch in Klein-Asien an der Spitze der jüdischen Gemeinden Are honten standen. Das Amt eines Archon heisst dort aQXovrsia (oben S. 16). Auf den Inschriften von Pantikapäum heisst die jüdische Gemeinde r] ovvayoyrj xöjv 'Jovöaiojv (oben S. 18, Latjschev II n. 52 u. 53).

I In Alexandria, wo die Juden einen starken Bruchtheil der gesammten Einwohnerschaft bildeten, war ihre Gemeinschaft mit sehr weitgehenden politischen Befugnissen ausgestattet. An ihrer Spitze stand nach Strabo ein iß-vaQxrjg^ „welcher das Volk regiert und Gericht hält und für Erfüllung der Verpflichtungen und Be- folgung der Verordnungen sorgt wie der Archon einer unabhän- gigen Stadt" ^). Die Juden bildeten also hier, obwohl sie das alexan- drinische Bürgerrecht besassen (s. Nr. III), doch einen selbständigen Communalverband in oder neben der übrigen Stadt, ähnlich wie in Cyrene. Die Erhaltung dieser Selbständigkeit wurde in der Kaiser- zeit wesentlich dadurch erleichtert, dass Alexandria von den letzten Ptolemäern an bis auf Septimius Severus im Unterschied von fast allen hellenistischen Städten keinen städtischen Senat hatte *•)•

i(priß(ov xal vewxeQojv xal rcöv akXwv xöiv aTtoövoiiivcjv tlg xb yvfiväaiov zu Phintia iu Sicilien, Corj). Inscr. Qraec. n. 5475 = Kaibel, Inscr. Qraecae Sicil. et Ital. n. 256).

5) Strabo bei Joseph. Antt. XIV, 7, 2: xaMaxaxai de xal idvaQxVi f^txdiv, oq öioixiZ xe x6 sd^voq xal öiaixä xQioeiq xal avfjißo).aicov inifiekeZxai xal nQooxayfxäx(ov, utg av 7io?uxslag a^x^'^ avxoxekovq.

6) Spartian. Severus c. 17 (in den Seriptores Historiae Äugustae ed. Peter 1865). Dio Cass. LI, 17. Vgl. überh. über die. Verfassung von Alexandria: Strabo XVII p. 797. Kuhn, Die !<tädtische und bürgerl. Verfassung des rönii-

[514] II, 1. Innere Organisation der Gemeinden. 41

Zur Zeit des Augustus scheint eine gewisse Aenderung in der Ver- fassung der alexandrinisclien Judenschaft eingeführt worden zu sein. Wenigstens sagt Philo, Augustus habe nach dem Tode des yEvaQx^(; eine ytQovaia zur Leitung der jüdischen Ange- legenheiten eingesetzt^). Hiermit scheint freilich im Wider- spruch zu stehen, dass es in einem Edicte des Claudius heisst, Augustus habe nach dem Tode des l&vccQxrjg nicht gehindert, da«s auch ferner Ethnarchen aufgestellt würden^). Wahrscheinlich ist aber letzteres nur eine ungenauere Wiedergabe derselben That- sache, die auch Philo meint: es kommt dem Claudius nur darauf an, zu sagen, dass die Juden auch ferner ihre eigenen Oberen (sd-va^xai) hatten. Das Genauere ist nach Philo, dass seit Augustus an Stelle des einen i&-vaQxrjg eine ytQovoia trat, an deren Spitze eine Mehrheit von agxovTsg stand ^). Sowohl die yeQovoia als die aQxovrtq werden von Philo öfters erwähnt*"). Letztere sind iden-

schen fieichs II, 47(iff. Marquardt, Rüm. Staat8verv«-altung I, 1881, S. 451 ff. Lumbroso, Hecherehes sur l'iconomie politique de r£gypte »uus les Latfides {Turin 1870) p. 2\2 s(jq. W ticken, Obsercatiunes ad historiam Ae/^ypti prO' rinciae liomanae, Berot. 1885, p. 7 nqq. Mommseu, Rom. Gesch. V, 555—558. Jung, Die römischen Verwaltungsbeamten in Aegypten (Wieuer Studien XIV, 1892, S. 227—266).

7) J'hi/o, in Flaccum § lU, Mang. II, 527 »9.: t^c »//i«Tf()«C yfpoia/oj, t]v 0 avDxriQ xal evfgyhijg Sfßaatoi inififkriaofitvijf Ttüv 'lovSttixiLv tlXito fjisxu x^v xov yfvÜQxoi' rtXfvxtjv 6ia xüiv nrpoj Mdyvov Mäqifiov ivxoXiHv, fttX' Xovxtt TiäXtv in Alyvnxov xal xfjg x*"(ff^i iniTQonevftv.

8) Jos. Antt. XIX, 5, 2: xad'^ov xaiQOv ^Axvaüq ^v iv 'Aleqavigii« rfktv- xiqaavxoq xov xüiv ^lovdaiwv ii^vdgxov xov Sfßuaxov ftr/ xfxmÄvxivat i^vuQ- Xaq yiyvfoBui.

9) Momni.sen, Rom. Gesch. V. 517 versteht die Anordnung des Augu- stus daliin, dass „die Wahl eines Einzelvorsteher» nur ttir diesmal unterlassen, nicht ein für allemal abgeschaflt ward". Dagegen spricht, dass uns später thatsächlich keine Spur des Ethnarches mehr begegnet. Wesseling, De Judaeorum archontibus, 1738, e. 8 p. 65 69 nimmt zwei verschiedene Anord- nungen des Augustus an. die eine, als Aquila Statthalter von Aegypten war, und eine spätere, als Magnus Maximus Statthalter war. Allein letzterer war, als Augustus an ihn schrieb, erst im Begrifl", sein Amt anzutreten. Aus der Verschiedenheit der Statthalter -Namen folgt also nicht eine Verschieden- heit der fraglichen Anordnungen.

10) Philo, in Flaccum Jj 10, Mang. II, 528: xüiv and xfjg yepovaiag X()tig tevÖQeg. Ibid. fiixane/ntpafievw ngöxtgov xovg ij/Aixigovg ccQx<>^'^'"i' Ibid. p. 528 «17. : xovg aQXOvxag, xriv yepovalav. Ibid. § 14 p. 534: xtSv fihv aQxovTcuv- Löniug (Die Gemeindeverfassung des L'rchristenthums 1888, S. 67) meint, dass Philo alle Mitglieder der yegovala als agxoyteg bezeichne. Dies widerspricht aber aller Analogie und ist auch nach dem Zusammenliang bei Philo sehr unwahrscheinlich. In § 10, Many. II, 52S heisst es, dass drei Mitglieder der Gerusia [xcüv uno xrjg yg^ovaia; XQüg ävÖQeg) vom alt-xandri-

42 § 31. Das Judenthum in der Zerstreuung. [514. 515]

tisch mit den bei Josephus vorkoninien den jtQcoTtvopteg ttjs; ytQov- alaq ' '). In Betretf der Mitgliederzahl der ytQovoia kann angeführt werden, dass Flaccus einst 38 Mitglieder derselben in's Theat<;r schleppen und daselbst geissein Hess'''). Ein weitverbreiteter Irrthum ist die Identificirung des ägyptischen Alabarchen mit dem jüdischen ICtlinarchen. Das Amt des ersteren ist ein rein bürger- liches Amt, das allerdings öfters von angesehenen Juden bekleidet worden ist (s. unten Nr. III).

Dass auch die Juden in Cyrene eine politische Sonderstellung einnahmen, ergiebt sich aus der bereits erwähnten Notiz Strabo's, dass die Einwohner der Stadt in vier Classen zerfielen: l) Bürger, 2) Ackerbauern, 3) Metöken, 4) Juden '^). Trotz dieser Sonder- stellung genossen die Juden aber bürgerliche Gleichberechtit,'ung {loopoftlä}^*.)

Sehr werthvolle Aufschlüsse über die Gemeindeverfassung der jüdischen Diaspora giebt uns eine jüdische Inschrift aus der Stadt Berenike in Cyrenaica, welche in Tripolis gefunden, von da nach Aix in der Provence gebracht worden ist und sich jetzt in Tou- louse befindet ' ^). Wir sehen daraus, dass die Juden von Berenike

nischen Pöbel ausgeplündert worden seien. Dies habe Flaccus erfahren, als er „unsere Archonten" (rolg rjßtxtQOvq uqxovxuq) zum Zwecke von Ausgleich)*- verhandlungen zu »ich kommen Hess. Hier handelt es »ich augenscheinlich um verschiedene Kategorien. Weiter hebt Pliilo hervor, dass bei der Geisse- lung von 38 Mitgliedern der Gerusia der sonst beobachtete Grundsatz, die alexandrinischen Bürger auch bei Abstraftmgen ehrenvoller zu behandeln als die Aegypter, schnöde missachtet worden sei. Denn während sonst sogar die jüdischen Privatleute, da sie Alexandriner sind, die ehrenvollere Bestrafung empfingen, habe man diesmal xovq agxovxaq, ttjv yegovalav, öl xal ytQotq xal XLfiflq slalv incövv/ioi, behandelt wie die gemeinsten Aegypter. Die Nebenein- anderstellung der beiden Kategorien wäre hier doch völlig zwecklos, wenn sie identisch wären. Das Richtige s. auch beiWesseling, De Judaeorum archon- tibus c. 7 fin. [p. 61 sq.).

11) Jos. Bell. Jud. Vn, 10, 1.

12) Philo, in Flaccum § 10, Mang. II, 527 »5'.

13) Strabo bei Joseph. Äntt. XIV, 7, 2.

14) Jos. Äntt. XVI, 6, 1: tcmv fihv TiQoxfQOv ßaai't.iiov iaovofiiav avxoig naQeGxriuhmv. Vgl. Marquardt, Rom. Staatsver\\'altung I, 463.

15) Corp. Inscr. Qraec. Tom. III, n. 5361 = Mmee de Toulouse, Catalogue des Äntiquites [par Boschach] 1865, n. 225, mit Facsimile (ich gebe hiemach den Text; auf den jetzigen Standort der Inschrift hat Prof. Dürrbach in Tou- louse mich aufmerksam gemacht; ein Exemplar des Kataloges hat O. Hirsch- feld mir mitgetheilt):

"Exovg ve <Pa(5(p xs, stiI avlXö'/ov x^g oxr/vo- Tvriyiag, inl aQxövxcDV Klsdvögov xov SxQaxovixov, EvifQÜvogog xov 'Agloxcavog, ^(oaiysvovg xov ^(oaimiov, livÖQOfxuxov

[515. 516] II, 1. Innere Organisation der Gemeinden. 43

ein eigenes | jcoXirevfia bildeten {Im. 11 sq. 21 sq.], an dessen Spitze neun (selbstverständlich jüdische) Archonten standen (/«/. 2— 8. 21. 25). Die Inschrift ist datirt vom Jahr 55 einer localen Aera, welche nach der wahrscheinlich.«!ten Berechnung 67 vor Chr. be- ginnt. Hiernach würde das Datum = 13 vor Chr. sein'*^).

5 Tov *Av6goficc/oi; MÜ(jxov AaiXiov 'Ovaai- wvoQ TQv *A7io?.?.wviov, 4*t).ojvlöov TOV 'Ayrf /lovog, Avzox?.eov(: tov Tijfnovog, Sutvi- xov TOV SeodoTov, 'iwoTjnov tov Sgaratvoi [sir''.

'Enil MtxQXog TiTTiog ^iazov viog Aifiih'a, 10 dvi/Q xa?.6g xal uyic&ög, nagaysvrji^flg tlg Tijv ina^y^fiav inl dij^toaicuv TtQayfiüxvjv xt\v Tf ngoaricalav avTcüv inoii,aaTO <pi).av&Qu>- nvDq xal xaXiüg tv Tf ttji dvaaTQO<py rjOv)[tov tji^og ivöixvvfievog ihl öiaTeXuJv Tvyxdvft, 15 ov liövov 6e iv Tovroig aßaQti havibv na^ia- X^oi, ukXä xal Tolg xut' iSiav irtvyxdvovai rtü»» nuliTüiv, tTt 61 xal Tolg ix xoi noXiTfV' fiuTog ijfxiüv 'lovSaioig xal xotv^ xal xaz' iSiav fv/gtatov TiQoaaTuaittv noioifievog ov dm« 20 XeiTifi ri,g idiag xa?.oxdya8iag a^ia TiptcaataV löv yäiiiv eöo^f Toig äg/ovai xal tiö TioXtTfV' fittti Tüiy iv biQtvlxy 'lovAalutv inaiv^aai Tf av- Tov xal axftfavovv övo/iaazl xaS* ^xdoTijy avvoöov xul vov/iT]yiat> OTffuvun ikatkOti xal 25 XTj/xviaxwi' Tovg ös dgxoyrag uvaygätpai to

x^Tiifiofia (ig ot^Xtjv Xi&ov llagiov xal &tlvai ftg TOV imaTjfioTaTov Tonov tov dfUfi&ifiTQOv. Jevxal nCtaai. IG) lieber das Datum vgl.: Wesseliny, De Judaeorum arekontibtu, 1738, c. 5 {p. 34 44). Friret, Obserratiotts sur l'epoque d'une antienne wucrip- tion (freequf, apportee de Tripoli d'Afrique Provence [Memoiren de l'AeadSmie des Inscriptions et Be lies- Lettre ti , alte Serie t. XXI, 1754, p. 225 244). Nauxe, Examen des obmervations etc. {Ibid. p. 245 269). Freret, Supple- ment aux obscrrat ions etc. {Ibid. p. 27() 277). Gibert, Sur l'epoque d'une inscri])tion grccque etc. {Ilistoire de l'Academie des Inscr. et Beiles - Lettres t. XXI, 1754, p. 35 3y\ Nauze setzt den Anfangspunkt der Aera 96 oder 95 vor Chr., weil damals Cyrenaica durch das Testament des Ptolemäus Apion an die Römer kam (ebenso Frankel, Zeitschr. der DMG. IV, 1850, S. 105— 107); Fröret 8S oder 87 vor Chr., -weil damals LucuUus die Verhältnisse in Cyrenaica ordnete; Gibert 67 v. Chr., theils weil Eutropius und Eusebius in diese Zeit die definitive Besitzergreifung von Cyrenaica durch die Römer setzen, theils weil unter dieser Voraussetzung die kalendarischen Daten der Inschrift stimmen im J. 13 vor Chr. sei der Versammlungstag des Laubhüttenfestes = 25. Paoph uacl» ägyptischem Kalender). An Gibert schliesst sich, durch j)ersönliche Mittheilungen Göpel 's unterstützt, Franz an {Corp. Inscr. Graec, Bemerkungen zu n. ö:!»'.!'; desgleichen Anger, Zeitschr. der DMG. IV, 1850,

44 8 31. Das Judonthuni in der Zenitreuung. [51«]

Am eingehendsten sind wir über die Gemeinde- Vei-fassuug der Juden in Kom und überhaupt in Italien orientirt durch die zahl- reichen in den Cömeterien von Rom und Venosa aufgefuruh'nen jüdischen Grabschriften "). Sie zeigen uns auch, wie hier die Ver- hältnisse im Wesentlichen jahrhundertelang sich gleich bliel>en. Denn die Inschriften von Venosa aus dem sechsten .lahrh. nach Chr. geben im Wesentlichen noch dasselbe Bild wie die lömischen. von denen die ältesten wohl den ersten Jahi-hunderten der christlichen Zeitrechnung angehören. Aus den römischen Inschriften erhellt zunächst, dass die Juden in Rom eine grössere Anzahl ein- zelner selbständig organisirter Gemeinden (avvuywyai) bil- deten, jede mit eigener Synagoge, eigener Gerusia und eigenen Gemeindebeamten. Von einer einheitlichen Zusammenfassung der gesammten römischen Judenschaft unter eine ytQovola zeigt sich keine Spur. Während also die Juden in Alexandria eine grosse politische Corporation bildeten, mussten sie sich hier mit der be- scheideneren Stellung einzelner religiöser Geno.ssenschaften be- gnügen. Die einzelnen Gemeinden legten sich besondere Namen bei, von denen folgende auf den Inschriften erwähnt werden: 1) eine övvaycoyfj Avyovarrjaicov^^), 2) eine avpaycoyrj lAyQijrxrj-

S. 110 f. und Marquardt, Biimische Staatsverwaltung I, 1881, S. 460 Anm. Wieder anders ist die Berechnung von Wieseler, Chronologische Synopse (1843) S. 4G1— 465; Ders., Beiträge zur richtigen Würdigung der Evangelien (1869) S. 310—312, und Gumpach, Ueber den altjüdischen Kalender (1848) S. 339 343. Sie nehmen mit dem ersten Herausgeber Maffei die ägyptische Aera des Augustus (30 vor Chr.) als Ausgangspunkt an, die aber nach Wieseler von den Juden vom J. 29 an gerechnet worden sein soll. Wie letztere« ge- künstelt ist, so ist auch die Voraussetzung unwahrscheinlich, dass man in Cyrenaica nach den ägyptischen Jahren des Augustus gerechnet habe. Un- entschieden äussern sich: Wesseling a. a. O., Wurm in Bengel's Archiv, zweiten Bandes 2. Stück 1817, S. 287 291, und Ideler, Handbuch der Chro- nologie I, 523 f. II, 614 f.

17) Vgl. zum Folgenden: Schür er. Die Gemeindeverfassung der Juden in Rom in der Kaiserzeit nach den Inschriften dargestellt, Leipzig 1879 (wo im Anhang auch die Texte der meisten in Betracht kommenden Inschriften abgedruckt sind). Mommsen in Sybel's Histor. Zeitschr. 04. Bd. 1890, S. 426 429. Vogel stein und Rieger, Gesch. der Juden in Rom Bd. I, 1896, S. 38 flf. Ueber die andersartige Organisation der jüdischen Gemeinden in der talmudischen Zeit s. Weinberg, Monatsschr. für Gesch. und Wissensch. des Judenth. 1897, S. 588 flf. 639 ff. 673 ff.

18) Corj). Inscr. Graec. ti. 99<32 = Fiorelli, Catalof/o del Museo Xaxionale di Napoli, Iscrixioni Latine «.1956: yfQOvoiäQyriq awayioytig Avyoarrjaitov [sie). Corp. Insr. Gr. 9903 = Fiorelli, Catalogo n. 1960: dnb r^g avvaywy^g X(5v Avy ovoTTjalwv. Orelli, Inscr. Lat. n. 3222 = CIL ^T n. 29757: Marcus Cuyntus Alexus grammateus ego (1. ix) ton Aitgiistasion mellarcon eceion (1. ix xöiv) Augustesion.

[51G. 517] II, 1. Innere Organisation der Gemeinden. 45

oiojv^^), 3) eine synaywja Bolumni (L Volumni)'^^). Diese drei Ge- meinden nennen sich nach hervorragenden Personen. Da neben den AvyovörrjOioi auch 'AyQijtjtyjoiot vorkommen, so ist wohl nicht daran zu zweifeln, dass jene ihren Namen von dem ersten Augustus, und diese den ihrigen von dessen Freunde und Kathgeber M. Agrippa haben. Die Benennung kann entweder darin ihren Grund haben, dass Augustus und Agrippa Patrone der betrettenden Gemeinden waren, oder darin, dass die Gemeinden wesentlich aus Sklaven und Freigelassenen des Augustus, resp. des Agrippa bestanden (vgl. Ol tx zTjg KaioüQog olxiag Phil. 4, 22). Vielleicht war beides der Fall. Die unter dem Schutze des Augustus und Agi-ippa consti- tuirten Gemeinden haben aber, wie es scheint, ihre Namen auch nach dem Tode der Gönner beibehalten^'). Andere Gemeinden nannten sich nach demjenigen Stadttheile Roms, in welchem die Mitglieder wohnten, nämlich 4) die Kafijcr'joioi nach dem Campus Martias-'^), und 5) die 2^ißovQ?joioi nach der Subura, einem der belebtesten Quartiere des alten Roms, einem Centrum des Handels und Geschäftslebens -^). Von anderen Synagogennamen sind noch

19) Corp. Inser. Qraee. 9907.

20) ( hellt, Inser. Lat. n. 2522 = CIL VI n. 29756: mater fynagogarttm Campi et Bolumni.

21) Als Analogen sind zu vergleichen die Tpfuavrjaiot in Ostia {Kaibel, Inser. Gr. Sic. et Ital. n. 925: '^Ayvfji fiai/ivoio antiQrn TQuiarrjaliav o'iSe liQHi UQfid re &eov /ifyi'dov Jiiuvvaov etc., nach einer lat. Inschrift, Corp. Inser. Lat. XIV n. 4, haben diese 'D-aiatienses auch die Diana verehrt). Ver- wandt sind auch folgende Bezeichnungen griechischer Genossenschaften: Jio- rvaiaaral XatQ^fxövftoi {Foucart, Des assoeiations rtligieuses ehex les Grecs 1873, p. 230), 'AyaQ^odaifiOviaaxttl 4*iX6vfioi {ibid.), dioaaxaßvQiaaxal Evtpga- vögeioi ol ovv *A&rjvai<j) Kvidiij} (ibid. p. 229), dioaxovQiaaxal Sivdöxtioi {Bul- letin de corresp. hcllenique t. X, 1880, p. 425). Foucart betrachtet in diesen Fällen wohl mit Recht den Chäremon, Philon, Euphranor u. s. w. als Gründer der betreffenden Genossenschaft (Bulletin de corresp. hellenique 1886, p. 203. 205). Anders gemeint sind die Bezeichnungen üovnTiiaaxai (Verehrer des Pom- pejus in Delos, Bulletin de eorresp. hell. VIII, 1884, p. 148) und liyQtTimaaxai (Verehrer des Agrippa in Sparta, Corp. Inser. Graee. n. 1299 = Corp. Inser. Lat. III, n. 494). Vgl. überh. Heinrici, Zeitschr. für wissensch. Theol. 1876, S. 483 f. 506. Ders., Das erste Sendschreiben des Ap. Paulus an die Ko- rinthier (1880) S. 158 f. (vergleicht I Kor. 1, 12). Ziebarth, Das griechische Vereinswesen 1896, S. 139 f.

22) Cor^p. Inser. Graee. 9905 (correcterer Text nach Garrucci in meiner Schrift: Die Gemeindeverfassung der Juden, Anhang Nr. 4). Orelli 2522 = CIL VI n. 29756. Garrucei, Dissertaxioni II, 161 n. 10.

23) Corp. Inser. Graee. n. tj447 = Fiorelli, Catalogo n. 1954: Neixodrjfxoi o uQxoiv 2:tßovQTjaia>v. Mittheilungen des kaiserl. Deutschen archäol. Instituts,

R()mische Abtheilung Bd. I, 18s6, S. 56: agxtuv S[ ^pj/o/tu»'. N. Brüll

(Jahrbb. für jüd. Gesch. und Litteratur \TII. Jahrg. 1887, S. 5«j f. * glaubte die

46 8 31. Da« Judeuthuin in der Zerittreuung. [517]

bekannt: 6) eine avvaycoyri MßQ^cov, vennuthlich die der hebräisch redenden Juden im Unterschiede von den anderen, welche nicht mehr hebräisch sprachen 2^}, und 7) eine ovvayajyij 'EXalai nach dem Symbol des Oelbaunis'-'^j. Dazu kommt Si in Porto eine aiwaymyy rätv KaQxaQijoicov, die ihren Namen, wie e8 scheint, von dem Gewerl)e ihrer Mitglieder (ralcartenften, Kalkbrennen Ijatte '■'•'). Von den Beamten, welche auf den Inschriften erwähnt werden, sind vor allem hervorzuheben der ytQovoiaQxrjq und die u^r/ovttq. 1) Ein ytQovoiuQxrjQ kommt nicht nur auf den römischen Inschriften vor 2'), sondern auch zu Venosa '^"^j und ander-

Synagoge der Siburesier auch in der rabbiniMohen Literatur nachweiKen zu können. Dort ist aber vielmehr von einer Synagoge de« SeveruH (Oi"^0») die Rede. S. über diese: Epstein, MonatsHchr. für Ge*tch. und Wi*»en»ch. des Judentli. 1885, 8. 338. 339. Neubauer, ebenda». 1887, S. 508. üeber die Subura b. Pauly'8 lieal-Euc. der cla»». Altt*rthumHwis»eD8ch. VI, 1, b2*i. Wissowa, Septinwntium und Suhura (in: Satura Viadrina, Fe«t»»chr. zum 25jähr. Bestehen des philol. Verein» zu Breslau, 1890i. Im eigentlich»'n R^im, innerhalb des pomerium, durften allerdings noch im Anfang der Kaiserzeit keine fremden sacra ausgeübt werden (s. Marfjuardt, Römische Staatsver- waltung III, 1878, S. 35; Gilbert, Geschichte und Tofx)grapbie der Stadt Rom im Altertum Bd. III, 18^)0, S. 05 ff. bes. 1(^9—115. Kariowa, Intra jtotmjerium und extra potnoeritim, in: Festgabe zur Feier des 70. Geburtstages des Gross- herzogs von Baden 189(5, S. 47 ff.). Seit dem zweiten Jahrfi. wurde dies aber anders. Seitdem sind auch jüdische Synagogen innerhalb des pomerittm recht wohl möglich.

24) Corp. hiscr. Graec. n. 99<>9: Fadta noTQog avvaywyt/g Alßgtwv. Me- langes Renier, 1887, p. 439 -- Kaibel, Jnscr. Graecae Sicil. et Ital. n. 945: naxQoq rdiv 'EßQtutv FaSla (letztere in Porto).

25) Corp. Lmr. Graec. 99<J4. De Rossi, BulkltinoY , 1867,p.l6 = Berliner, Gesch. der Juden in Rom 1, 91. Wegen des Namens vgl. auch oben Bd. II, S.449.

26) Melanges Renier, 1887, p. 440. Vgl. Corp. Inscr. Graec. n. 99* J6, wo nicht Ka/xTiTjalatv zu lesen ist, sondern höchst wahrscheinlich Ka).xnQT}altov (als Lesart des Steines giebt Lupi Ku).xaQ . . eiiov, Garrucci, Cimitero p. 38 sq. KaXxaganaKov). Vereinigungen von Gewerbsgenossen, die zugleich den ge- meinsamen Cultus pflegten, gab es im römischen Alterthum in mannigfaltigster Weise (s. die Literatur über die collegia unten Abschnitt II, 2j; es kommen unter denselben auch sodales ealcareses vor (Corp. Inscr. ImI. t. VI n. 9224); im allgemeinen: calcarienses [Cod. Theodosianus XII, 1, 37), calcis coctores {ibid. XTV, 6. Edict. Dioclet. VII, 4), ein exonerator calcariariuj* (Corp. Inscr. Lat. t. VI n. 9384). Vgl. Lieben am, Zur Geschichte und Organisation des römischen Vereinswesens (1890) S, 120. Waltzing in dem Anm. 33 ange- führten Werke II, 116.

27) Corp. Inscr. Graec. n. 9902 = FioreHi, Cafal. 7^. 1956: Kvvriavoqye- Qovo läQxriq avvay(oy^q Avyoaxriaicov. Garrucci, Cimitero degli antichi Ebrei p. 51: 'Aazepicp yiSQOvaäQXV l*«c)- Ibid. p. 62: OvQoaxiov dnu 'Axovi?.elag ye^ovaiä^x^*^'- -'^*^- P- 69: IlavxdQiq yeQOVOcdgxV?- Gar- rucci, Dissertaxioni 11, 183 n. 27: 6ai6(pi).iOq y£Qo]vaiäQxriq.

28) Äscoli, Iserixioni p. 55 n. 10 = Corp. Inscr. Lat. t. IX n. 6213 =

[517. 518] II- 1. Innere Organisation der Gemeinden. 47

wärts29). Der Titel kann nichts anderes bezeichnen als den Vor sitzen- den oder das Haupt der yeQovoia. Aus der Formel yeQovotaQxr]? ovva- yojy^^ AvyovortjoUov ergiebt sich aber, was oben schon hervor- gehoben wurde, dass jede einzelne der römischen Gemeinden ihre eigene ysQovoia mit eigenen Beamten hatte. Angesichts dieser Thatsache ist es sehr instructiv, dass auf den römischen Inschriften nirgends der Titel jiQtaßvxtQoq vorkommt (oder irgend ein ähnlicher Titel, der das Mitglied der ysQovoia als solches bezeichnete; denn die a(>xovTtg sind sicherlich nicht einfache Mitglieder, sondern der Ausscliuss der ytQovola). Die Erklärung für diese Thatsache kann nur darin gefunden wei-den, dass auf den Grabschriften eben nur die eigentlichen Aemter namhaft gemacht werden, die „Aeltesten" aber nicht als eigentliche Beamte im technischen Sinne galten. Sie waren die Vertreter und Veitrauensmänner der Gemeinde, al)er nicht Beamte mit bestimmten einzelnen Functionen. 2) Sehr häufig ist auf den römischen Grabschriften der Titel aQx(ov^% Wir sind ihm auch sonst schon begegnet: in Antiochia, Tics in Lycien, Alexandria, Berenike. Auch auf nicht- römischen Grab- schriften Italiens kommt er zuweilen vor^'), und Tertullian nennt neben dem Priester und Leviten auch den archon als jüdischen Beamten^-). Nach allen sonstigen Analogien (vgl. bes. Alexandria und Berenike) darf auch für die römisclien Gemeinden als selbst- verständlich angenommen werden, dass jede Gemeinde mehrere öpXoJTc^ hatte, welche den geschäftsführenden Ausschuss der

Lenormant, Rerue des etudes Juives t. VI p. 204: ^avaxivoi ytQOvatugxov aQ/JaTQOQ. Aseoli p. 5S «. 15 =^ Corp. Inscr. Lat. t. IX m. 6221: filius Viti ierusiareontis. Beachte in beiden Fällen die Form yiQOvaia.Qx<uv. wäh- rend die römischen Inschriften durchgängig ytQOvaiuQXV'i haben.

29) Mommsen, Ittscr. liegni Neap. u. 2555 = Corp. Liser. Lat. i. X u. Ib93 (zu Marauo bei Neapel): Ti. Claudius Philippus dia riu et gerusiarches. Unwjihrscheiulich scheint mir die Meinung Th. Reinach's, dass der auf einer spätgriechischeu Inschrift iu Bitbynien vorkommende iniaxüxriq xtüv nalattäv mit dem Gerusiarches identisch sei (vgl. oben S. 18).

30) Corp. Liscr. Oraec. n. 9900. 0447. 0337. Garrueci, Cimitero p. 35, 51, 61, 67. Derselbe, Dissertaxioni II, 158 n. 4, 1(>4 n. 15, 16, 17, 18. De Rotsi, Bullettiuo V, 10 -- Berliner, Gesch. der Juden iu Rom I, 92. Nähere» 8. in meiner Schrift: Die Gemeiudeverfassung der Juden in Rom S. 2<Jtf.

31) De Rossi, BuUettinu IV, 40 = Kaibel, Jnser. Graeeae Skil. et Ital. n. 949: KXavöioq 'luiotjg agxoiv (zu Porto bei Rom). Mommsen, Inser. Retjni Neap. n. 3657 = Corp. Inner. Lat. t. X n. 3905: Alfnis Juda areon arcosgnayogus [z\x Capua).

r!2i Tertullian. De Corona e. 9: Quis deniqne patriarehes, quü pro- plietea, quis lerites aut saeerdos aut archon, quis rel postea apostolus aut evan- gelixator auf episcopus invtnitur eoronatus^

4S 8 31. Das Judenttium in der Zerstreuung. iSlS. 51Ö)

ytQoval« bildeten. Aus dem mehrmals vorkommenden Titel Siq aQxmv sieht man, dass die Archonten auf bestimmte Zeit gewählt wurden •'•'), und eine dem Chrysostomus zugeschriebene llinnilin. In S. Jahaimis Naialem, welche speciell die Verhältnisse in Italien während der späteren Kaiserzeit berücksichtigt, sagt uns g«'nauer, dass die Archonten immer mit Beginn des bürgerlichen Jahres der Juden im September gewählt wurden. iJie inter- essante Stelle lautet wörtlich ■'^): Inter haec intuendae sunt temporum qualitates \ et (jeata inoruin; et primuin perßdia Judaeornm, qui aernper in Deunn et in Mosern contumacea ex«titerunt ^ qui cum a Deo tiecun- dum Mosern initium anni mensem Martiuin acceperint, Uli dictum pravitatis sive superbiae exercentes •menaem Heptemhrem ipaiim noinim annum nuncupanty quo et menae vunjialratna aibi druiiinant, quos Archontaa vocant. Neben der Wahl auf bestimmte Zeit scheint aber auch die Wahl auf Lebenszeit vorgekommen zu sein. Es ist wenigstens wahrscheinlich, dass der mehrmals vorkom- mende räthselhafte Titel dta ßiov auf lebenslängliche Archonten zu deuten ist'*). Ein noch weiterer Schritt zur aristokratischen

33) CJorp. Inscr. (iraec. 9910 (Facsimile bei Engeatri/tn, Om Judame i Tfom, 1876, Beilage): Saßßäriq ölg &qxo>v. Gamirci, Cimitero p. 47: Magatv ^ aQ%[(av). Aehnlich aiicli bei den römischen Handwerken-ereinen : magister tteruni, ter, quater, s. Waltxing , Etüde historique sur lea corj/f/rat ions profeg- swnelles chez les liomains (= Memoires couronnes par l'Acadhnte de Belgique, collection in S«., tomc L, 2 voll. Bruxe/les 1895—1896) I, 386.

34) Die Homilie steht in den älteren Ausgaben der Werke de« Chry- sostomus, bis zur Montfaucon'schen, z. B. (nach Wesseling, De Jwlaeorum ar- chontibus c. 10) in Chrysostomi Opp. t. 11 ed. Paris. 1687. Ich gebe das Citat nach Wesseling.

35) Corp. Inscr. Graec. 9903 = Fiorelli, Catalof/o Id^lf): daxißov zov (= 6ia) ßiov anb rfjQ awaytoy^Q t<öv AiyovaTijaicav. Corp. Inscr. Oraee. 9907: Zwaifiog 6iä ßiov avvayoDyf/g 'Ay^iTiTiTjaicav. Garrueci, Uissertaxioni II, 184 n. 29: AiXia üaTQtxia Tov/.ho EiQrjvaio xoviovyi ßevs/xegivzi (pTjxix öiaßio. Mommsen, Inscr. Regni Neap. 2555 = Corp. Inscr. ImI. /. X «.1893' Ti. Claudius Philippus dia viu et gerusiarches. Mommsen, IRX. 7190 = Fiorelli, Catalogo 1962 = CIL VI n. 29762: Tettius Bufinus Melitius viexü annis LXXXV iabius. Ascoli, Iscrixioni p. 51 n. 2 = Corp. Inscr. Lat. t. IX n. 6208: Tacpog Ava öiaßiov. Bedenken gegen die obige Erklärung hat Ascoli erhoben, Iscrixioni p. 112. In der That kann bei einigen dieser Inschriften (wo die Formel 6ia ßiov am Ende steht) die Richtigkeit der ge- gebenen Erklärung bezweifelt werden. Jedenfalls gehört nicht hierher die von Clermont-Ganneau in Emmaus = Nikopolis in Palästina gefundene In- schrift frTi/trf, o yafioq öiä ßiov [Archives des missions scientifiqiies, troisieme Serie t. IX, 1882, p. 307—310; auch in The Snrvey of Western Palestine, Me- moirs III, 81). Es scheint dies einfach ein Hochzeitsv\"unsch zu sein : die Ehe möge währen 6ia ßiov. Aber bei einem Theile der obigen Inschriften (besonders CIL t. X n. 1893: dia viu et gerusiarches, aber auch CIGr. 9903

[519] II, 1. Innere Organisation der Gemeinden. 49

Verfassungsform war es, wenn schon Kinder aus angesehenen Familien zu künftigen Archonten designirt wurden. Dass auch dies vorkam, zeigen die Titel aQxc^v vrjjtiog und (leXXaQ- Xcop '■^^).

Wie in Palästina, so begegnen wir auch in Rom und Italien, ja überall in der Diaspora dem Amt des apx^övvayeoyog*'). lieber die Verschiedenheit dieses Amtes von dem des ytQoi-oioQxrjg und der aQxovrtg ist bereits oben (Bd. II, S. 438 f. ) das Nöthige bemerkt worden. Der Archisynagog ist nicht etwa der Vorsteher der Ge- meinde, sondern er liat die Aufgabe, speciell die gottesdienstlichen

und 9907) ist es evident, dass mit 6ia ßiov ein lebenslängliches Amt bezeichnet wird (so auch Mommsen, Histor. Zeit«chr. Bd. t>4, 8. 427). Es kann dies um so weniger bezweifelt werden, als die Formel in diesem Sinne auf griechischen Inschriften sehr gewöhnlich ist. Für Titel wie Ugevq öia ßiov, ap/tfpfi? diä ßiov, ^vataQXVI ^'" ßiov, dyütvoi^tTJji ßiov giebt es zahlreiche Beispiele. Bei einem Cultvereiu in Delos kommt ein avvaywyftQ Siu ßiov vor {Bulletin de eorresp. hellenique XI, 1887, p. 256). Ja auch auf jü- dischem Boden haben wir zwei sichere Analoga, nämlich 1) einen lebens- länglichen Archisynagogen (Inschrift von Akmonia in Pbrygien aus der Zeit Nero's, Remie archeol. troisieme Serie, t. XII, 1888, p. 225 = Hamsay, The cities and hishoprics of Phrygia I, 2, J». 649: F. TvgpiüvioQ KXaSoi 6 Act ßiov ßp/iöi'Vß'ytuyoc) und 2) einen naxtjQ Xaov 6ia ßiov (Inschr. von Mautinea, Bul- letin de corresp. hellenique XX, 1890, ;>. WJ =^ kevtie dta etHdes juicea XXXIV, 1897, p. 148). Es kann hiernach höchstens fraglich sein, ob wir auf obigen Beispielen einen specielleren Titel oder den allgemeineren a(>20'*' ^^ ergänzen haben. Letzteres scheint mir, eben weil es das Allgemeinere ist, das Wahr- scheinlichere. — Ueber den analogen Titel magiiter perpetuus bei den römischen Handwerkervereinen s. Waltziug a, a 0. I, 387.

30) Garrucci, Dissertaxioni II, 161 n. 10: \-iwiuv6z UQxtav [vri]nioq ... aixüiv tj' (8 Jahre alt). Ibid. «. 11: [1]oxa9tvo(: öpj^ov v^ntoi. lind. II, 103 n. 13: 'AXe^dvÖQ^ fit kXdyxovxt (1. fieXXÖQxo^'ti). Orelli, Inser. n. 3222 == CIL VI m. 29757: mellarcun eeciott (L ix xiüf) Augiistesion an. XU (12 Jahre alt). Analog ist das Vorkommen minderjähriger Decurionen in den lat«?inischen Municipien, s. Orelli-Henxen, Inscr. Lat. n. 3740. 3748. 4912. 7010. 7177. Vgl. auch oben § 27, Bd. 11, S. 439 f.

37) In Rom: Corp. Inser. Graee. 9906: *IovXiavov dQ-iiavvayioyov. Garnicci, Cimiteru p. 07: Stafulu arconti et arehisynagogo. In Capua: Mommsen, Inser. Regni Neap. 3657 = Corp. Inser. Lat. t. X n. 3905: Alfius Judu arcon areosynagogus. In Venös a: Aseoti, Iscrixioni p. 49 not. 1 = Corp. Inser. Lat. t. IX n. 6201: Tafog KaXXiaxov viniov uQXoaaiva- ytayov (sie). Aseoli p. 52 n. 4 = Corp. Inser. Lat. t. IX n. 0232 = Lenormant, Becue des etudes juires t. VI p. 203: Ta^un; AarjXowa dgxoarivw- yovyov. Aseoli p. 57 n. 12 = CIL t. IX n. 0205 = Lenormant p. 204: Ta<fa)q 'loarjif dQx^ovvaya}y(aq ilw^ 'Iwarj^p ßp;ifij<yi'voyoyot;. In Brescia: Kaibel, Inser. Graeeae Sieil. et Ital. n. 2304: [«p ';{i(Jvroya»yo. Das übrige Material s. oben § 27, Bd. II, S. 437 f.

Schür er, Geschichte III. 3. Aufl. 4

50 § 31- Da« Judeiithurn in <U*r ZerHtrt'Uuug, [519. 52^)]

Versammlungen zu leiten und zu tiberwachen. Er kann natürlich aus der Zahl der aQyointg genommen werden, so dass ein und die- selbe Person zugleich Archon und Archisynagog war. An sich aber ! sind beide Aemter verschieden, wie gerade die Inschriften beweisen. Ueber den späteren Gebrauch des Titels uQxiovi'ayojyo^ als blossen Titels bei unmündigen Kindern und Frauen s. ob<'n Bd. II, S. 4.'i9f. Ausser dem Archisynagogen hatte auch der Gemeindediener (vjt //(>t- T7;§)beimGottesdienstzu fungiren,der auch einmal auf einer römischen Grabschrift erwähnt wird ''*). Ziemlich häufig sind auf den In- schriften endlich die Titel pater aifnatjo^jae und mater nyna- gogae^^). Schon der Umstand, dass eben auch der letztere Titel vorkommt, macht es wahrscheinlich, dass damit nicht ein eigent- liches Gemeinde- Amt bezeichnet wird*®). Es ist auch nicht der Patron der Gemeinde darunter zu verstehen^'), sondern es war ein Ehrentitel für betagte und um dio G«>mfinde verdient*- Mit-

38) Gdirtirci . Disscrtnxioni II. lO'J tt. 2*J: 'Pkaßmc ^Jnv'/.invn; yntj-

39) naxiiQ avvttyoy^f Corp. Insir. (imcr. 'Myi. i/jo.j. 'j'J^t^.'.fJ^M. Uar- rueci, Cimitero ]>. 52. Der»., Dissprtaximii II, 101 n. 10. Melanies Renier p. 440. pater sinagngae: Orelli-Henxen, Insrr. Lat. n. »il45= Cfjrp. Inser. Lat. t. VIII n. S499. Codex Thpodnsiamis \ed. Uaeml) XVI, 8, 4: Hiereos et archisytuxgogos et patres aifnaf/of/arum et ceteros, qui nyncufogifi dexerriunt. %axriQ x(äv 'EßQiwV Melanges Renier p. 439 •= Kaibel, Inxcr. Graeeae Si eil. et Ital. n. 945. nuxriQ xov axiftuxoq Corp. Inser. Graec. n. 9897. ««- xriQ kaov 6ia ßlov, Inschr. von Mantinea, s. oben Anm. .35. pater (ohne Zu- satz): Oamicci, Dissertaxirmi II, 1<>4 n. 18. Ascoli p. 58 n. 15 = Corp, Inscr. Lat. t. IX n. Ü221. Ascoli p. 61 n. 19 = Corj,. Imer. Lat. t. IX n. 648 u. 6220 = Lenormant p. 205 s^. mater synagogae: Corj}. Itiscr. lyot. f. V «. 4411. Orelli 2522 = CIL VI n. 29756.

40) Ein solches ist wohl gemeint mit dem Titel nax^p avvödov aui" In- schriften monotheistischer (judaisirender» Cultvereine in Tanais lan der nörd- lichen Spitze der pabis Maeotis), s. Laty scher, Inseriptirmes nntiquae oraz septentrionalis Ponti Euxini vol. II, 1890, n. 445. 451. 455. Vgl. dazu Ziebarth, Das griechische Vereinswesen (1896) S. 154. Ein ttctjJp ogyemvixriq avvodov in Athen, Corp. Inscr. Attic. HI n. 1280*. Ein ngoifTjt^g und rrorijp bei den üaiaviaxal xov iv ''Pci/^y Jioq ^Hkiov (leyaXov SaQämöoq, Inscr. Graec. Sic. et Ital. ed. Kaibel «.1084. Häufig ist pater bei den Mvthras-Cult- Vereiner. sowohl allein, als in den Verbindungen pater saoromm, pater pairum, pater et sacerdos, pater et atitistes, s. die Belege bei Cuniont, Textes et monumentg fi- (fures relatifs aux mysteres de Mitlira t. II, 1896, Index p. 535.

41) So Mommsen, Histor. Zeitschr. Bd. 64, S. 428, unter Vergleichung der Titel pater collegi und mater collegi bei den gewerblichen und religiösen Genossenschaften der Römer. Aber patronus und pater sind wahrscheinlich zu unterscheiden (s. Waltzing a. a. O. I, 425 ff. 446 ff.). Nur letzteres, nicht ersteres ist mit dem jüdischen pater zu vergleichen.

[520J II, 1. Innere Organisation der Gemeinden. 5j^

glieder^2). p^i. (jen Patron kommt vereinzelt der Titel .TQoord-

ri]g vor ^3),

Erst in sehr später Zeit ist bei den Juden der Diaspora der titulare Gebrauch von jtQtoßvrtQoq nachweisbar. Die ältesten Be- lege dafür sind kaiserliche Verordnungen aus dem viei-teu Jahr- hundert, bei welchen es überdies nicht sicher ist, dass sie auf die Verhältnisse der Diaspora sich beziehen ^^j. Die wenigen Inschriften, auf welchen der Titel vorkommt, sind zum Theil noch jünger**). Daraus darf man freilich nicht folgern, dass es früher keine „Aeltesten" gegeben hat; denn die ytQovoia, die für Alexandria wie für die römischen Gemeinden bezeugt ist, kann nur das Colle- gium der Aeltesten sein. Aber diese „Aeltesten" sind keine Be- amten. Letztere heissen in der Diaspora überall sowfjt ihi^hip Kenntniss reicht aQxovxeq (s. S. 39—43, 47).

Der Gebrauch der Ausdrücke aQxovttg und yeQovoia zeigt, dass die Verfassung der Juden in der Diaspora an die Commu-

42) Vgl. die Altersangaben: Curp. Inscr. Graec. 9904: navx«QtO(; naz^g avyayojy^i ^EXalaq fruiv ixartav {nie) Sixa. Orelli 2522 =- CIL VI n. 2y75r>: Betitria Paulina . . . quae bixit an. LXXXVI. meses VI . . . mater synayogarum Campi et Bolumni

43) Qarrueei, Dissertaxioni 11, 177. Derselbe Titel auch bei griechischen Cultvereinen , s. Fuueart, Des assneiations relit/ieuseg ehex le* Grees p. 28. Heiurici, Zeitschr. für wissensch. Theoi. 1876, S. 51ü 520. Viel Material bei Ziebarth, Das griechische Vereiuswesen, Index ». r.

44) Codex Themlosiuuus [ed. Haeitef) XVI, 8, 2: qui derotwne tota »ytia- gogis Jmlaeorimt, patriarehis cel preabyteris se dederunt. Ib. XVI, 8, 13: archisytiagogis patriarchisque ae presbyteris. Ib. XVI, 8, 14: arehisyiiagogi sive presbyteri Judaeorum. Cod. Justin. I, 9, 15: Si qua inter Christianoa et Jitdaeos sit content io. non a senioribus Jndaeorum, sed ab ordinariis jitdi- cibus dirintatur. Nocell. 140, c. 1: oi nag' uvrou c.QxttfiQfxlxai tj ngea- ßvTSQOi Ti'xov fj öidäaxaXoi nQoaayoQfvofifvoi

45) Inschriften in Smyrna, Korykos in Lvncu, ßithynien (s. oben S. 11, 10, 18) und Venosa (-4»co/i' p. 00: "»la-^aont ; dreimal bei Frauen gen. ngta- ßitsgfQ, Ascoli p. 49 not. = Corp. Inscr. Lat. t. IX, ;*. 0209. 0220. 6230). Bei heidnischen Cultvereinen findet sich der Titel nirgends, wohl aber bei den monotheistischen (judaisirenden) Cultvereinen von Tanais, Anfeng des dritten Jahrh. nach Chr. [Latyscher l. c. II n. 450. 452. 450, vgl. Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1897, S. 207 f.). üeber ngfaßvxfQoi in den heidnischen Communen s. Deissmann, Bibelstudien (1895) S. 153—155. Lery, Revue des etudes grecques VTII, 1895, p. 231, 240. Vgl. auch oben Bd. 11, S. 177 Anm. 3. Ueber ngiaßvq in politischen Körperschaften s. Boeckh, Corp. Inscr. Graec. I p. 010. (Die Ergänzung von ngiaßvg auf der Inschrift der kygin- niaorccl in Sparta, Corp. Ltscr. Graec. n. 1299 = Corp. Inscr. Lat. III n. 494 ist ganz unsicher).

4*

52 § 31. Das Judenthuui in der Zerstreuunjf, [530]

nalverfassung der griechischen Städte sich angelehnt hat**). In wie starkem Maasse dieses Vorbild überhaupt auf die äUKseren Ordnungen der jüdischen Gemeinden eingewirkt hat, lehren auch noch andere Spuren. Zunächst darf an die Jovöuioi nojTt{ioi in Hypaepa erinnert werden (s. oben S.39); sodann an folgende That- sachen. In den grieclii.schen Communen war es üblich, verdiente Männer durch Verleihung eines Kranzes und etwa der n(find{fia im Theater und bei den Festspielen zu ehren*'). Diese .Sitte ist nicht nur von den griechischen und römischen Vereinen •''), sondern auch von den Orientalen, z. B. den Tyriern und Aegyptein in Delos, den Sidoniern in Athen (s. unten 11,2) und so auch von den Juden aufgenommen worden. Die Gemeinde von Phokäa ehile eine Frau, welche den Bau der Synagoge aus eigenen Mitteln bestritt«'n hatte, XQvocö orerpavco xal jtQotd{tla (s. oben S. 11), wo unter der jtQotö^tia wohl das Recht, in der Synagoge vorne an zu sitzen, zu verstehen ist. Die Gemeinde in Berenike fasste den Be.schlu.ss, den römi- schen Statthalter der Provinz, der sich den Juden freundlich ge- zeigt hatte, oxE(pavovv ovofiaatl xa&' ixaOTrjv ovvoöov xai vovfir)- viav OTtffdvm iXatvco xal /ltjjjvIoxco. Dieser Beschlu.ss wurde auf eine marmorne OTrßt} geschrieben und im Amphitheater aufgestellt (s. oben S. 43). Die Aufstellung im Amphitheater scheint nicht das Gewöhnliche gewesen zu sein. Häufiger hat man wohl solche Ehren- decrete in den Vorhöfen der Synagogen aufgestellt. Denn Philo sagt, dass bei der Zerstörung der jüdischen Proseuchen (Synagogen) in Alexandria auch die zu Ehren der Kaiser aufgestellten Schilde und goldenen Kränze und Stelen und Inschriften mit zer- stört worden seien ^3); und ein andermal bemerkt er, dass man durch Zerstörung der Proseuchen den Juden unmöglich mache rr/v elg Tovg sveQystag tvotßtiav .... ovx l^ovreq ItQovg ^eQißoXovg olg svÖLad-rjoovraL rb tvxagioxov. Die Ehrengeschenke sind also in

46) Löning, Die Gemeindeverfassung des ürchristenthums (1888) 8. 67, bezeichnet dies als eine „unrichtige Voraussetzung" meiner Darstellung. Da« Obige wird darthun, dass diese „unrichtige Voraussetzung" noch stärker be- tont werden muss, als es von mir in der 2. Aufl. geschehen ist.

47) S. Schmitthenner, De coronarum apud Athenienses lionoribus. QuaesHones epigraphicae. Berol. Diss. 1891. Dittmar, De Atheniensium more extcros eoronis publice ornandi (Leipziger Studien zur class. PhiloL XIII, 1891, S. 63—248).

48) Ziebarth, Das griechische Vereinswesen S. 164 f. Waltzing a. a. O. I, 493 ff.

49) Philo, Legat, ad Cajum § 20, Mang, ü, 565: xal auonüi xaq avyxa^- aiQfd^elaaQ xal avfXTiQrjaS^eiaaq xäiv avTOXQUxÖQtov zifiag danlSwv xal atiifd- vwv imxQiawv xal axrjXöiv xal iniyQaq^wv.

[520] II; 1- Innere Organisation der Gemeinden. 53

den jtegißoXoi der Synagogen, d. h. in den offenen Hallen der Vor- höfe, aufgestellt worden ^^'i.

Einfliiss griechischer Rechtsformen bei der Sklaven-Frei- lassung begegnet uns auf den Urkunden von Pantikapäum (s. oben S. IS). Die Freilassung geschieht Ixi rrjz jtQootvxy^ „i" der Synagoge" (vor versammelter Gemeinde )^\). Dem Sklaven wird volle Freiheit geschenkt, aber mit einer Ausnahme, nämlich xo>(>'c Iq xtjv jTQoosvx/jp O^cojtsiag xt xal jtQooxaQxtQfjOtcoq „abgesehen von der Ehifurcht gegen die Synagoge und dem regelmässigen Be- suche derselben" '2). Dazu soll also der freigelassene Sklave ver- pflichtet bleiben. Ein Analogon zu dieser Freilassung an heiligem Orte, mit welcher eine gewisse Verpflichtung gegen denselben, d. h. gegen die Gottheit, verbunden ist, ist die im griechischen Alterthum häufige Form der Freilassung durch fictiven Verkauf an einen Tempel. Der Act geht im Tempel vor sich in der Form, dass der Herr den Sklaven an die Gottheit verkauft (wobei übrigens der Sklave selbst den Kaufpreis aufzubringen hat). Die factische Wirkung ist aber nicht, dass der Verkaufte nun Tempelsklave wird. Er ist der Gottheit nur moralisch zugeeignet und thatsäch- lich frei ^^). So verschieden auch die heidnische und die jüdische

50) Philo in Flaceum § 7, Mang. II, 524. Irrthumlich habe ich früher diese Aeusserung von einem Synagogen -Gebet für den Kaiser verstanden (2. Aufl. I, 404). Das Richtige bei Wesseling, De Jitdaeorum arehontilms c. 4 {p. 'iO 32). xov neQißoXov xox> vnai&QOv neben dem Synagogen-Ge- bäude (dem oIxoq) erwähnt auch die Inschritl von Phokäa is. oben S. 11, dazu die Erläuterungen von Rein ach, Herne de^ etudes juires XII, 241 «9.). Auch im Vorhof des Tempels zu Jerusalem waren öfl'entliche Urkunden auf- gestellt (I Makk. 11, 87. 14, 27. 48); ja sogar erbeutete Waöen {axvXa ßapßa- Qixa) aufgehängt, Jos. Antt. XV, 11, Sfin.

51) ^nl tfjg nQoafvxvi hat die besser erhaltene der beiden Urkunden [Latysehev n. 52); die andere («. 53) hat . . . Qoatvxri, was man ergänzen kann [h T/- n]Qoati-xit.

52i ■nQoaxaQXfQ(lv kommt auch im Neuen Testamente in ähnlichem Sinne vor: ivxoj IfQiö ^(•/.2,40,t^ ÖtSaxy -4^^2,42, x^ TtQoaevxi Jd.1,14.6,4. Ram. 12, 12. Col. 4, 2; mit eig xi Bom. 13, 0. Das Substant. nQoaxagxeQtiaiq Eph. 6, IS. Auf den Inschriften von Pantikapäum kann nur der treue, beständige Eifer für die Synagoge, d. h. der regelmässige Besuch derselben gemeint sein. Es ist also doch etwas mehr, als nur das Verharren im Judeuthuni (so Deren- bourg, Journal asiatiqiie, sixieme Serie t. XI, 1868, p. 525 537).

53) S. FoHcart, Memoire stir Faffrandii^seiuent des esciares par forme de rente ü itne dirinite d^aprh les iuscriptions de Delphes {Ärehires des miss^ions scientiftqurs, deuxihnv Serie, ^ III, 1866, p. 375 424). Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht in den östlichen Provinzen des römischen Kaiserreichs (1891) S. 374 ff. (verweist auch auf die christliche manumissio in ccclesia. Cod. Theo- dosianus IV, 7. Gxl. Justin. 1, 13 u. s. w.). Zur Ergänzung: B. Latischew,

54 § 31. Das Judenthum in der Zenttreuung. [52^)]

Form ist, so ist doch der Zusammenhang unverkennbar. Nament- lich wenn man mit Derenbourf^ annehinm darf, dass der jüdische Sklave im vorliegenden Falle zugleich mit der Freilassung ei-st Jude wurde, so würde diese Zueignung an Gott eine nahe Parallele mit der heidnischen Form des Verkaufes an »'ine Gottheit sein. Ein interessantes Mittelglied ist die mit den Urkunden von l'anti- kapäum verwandte, aber halb -heidnische Urkunde von Gorgippia (Latyschev Bd. II w. 400, s. oben S. 18). Doit heisst es von dem Herrn: dvti^rjxev rfj jtQootvxt} , er hat die Sklavin der Proseuche geweiht, als Weihgeschenk dargebracht. Uebrigens zeigt sich der griechische Einfluss auf den Urkunden von Pantikapäum zwj'ifellos schon in der Bemerkung, dass auch die Erben ihre Zustinimuiier gegeben haben (s. oben S. 18).

Ganz in den Formen, welche auf griechischen Inschriften ge- läufig sind, bewegen sich die Gräber-Inschriften von Smyrna und Hierapolis, von Tlos in Lycien und von Korykos in Cili- cien (s. oben S. 1 1 ff.). Sie drohen dem unbefugten Benütz»*r des Grabes eine Geldstrafe an, welche theils an die städtische oder staatliche Gasse, theils an die der jüdischen Gemeinde zu zahlen ist. Nach der Inschrift von Smyrna (S. 11) hat der Schuldige dem legcorarov rafielov , d. h. wahrscheinlich dem kaiserlichen Fiscus, 1500 Denare zu zahlen und dem l&voq xmv 'lovöaicov 1000 Denare. Die Inschriften von Hierapolis (S. 13f.) setzen nur Geldstrafen fe.st, welche an die jüdische Gemeinde, reo Xam x<öv 'lovöaicov oder rjf xaroixla tcöv kv 'isQajtoXei xaroixovvrcov 'lovdaicov zu zahlen sind; daneben verfügt die zweite Inschrift von Hierapolis noch eine Busse zu Gunsten des ix^rjTtjoaq. Die Inschrift von Tlos (S. 16) bricht gerade da ab, wo es heisst, dass dem ör/fjog der Tloer, also der Stadtcasse, eine Strafe zu zahlen sei. Es lässt sich daher nicht sagen, ob auch noch eine Strafbestimmung zu Gunsten der jüdi.schen Gemeindecasse folgte. Nach der Inschrift von Korykos in Cilicien (S. 17) wird die Verletzung des Grabes mit einer Busse von 2500 Denaren bestraft, welche an das hgcoTatov raiitiov zu entrichten sind. Inschriften dieser Ai't sind in Klein- Asien überaus zahlreich ^*).

Nmiveatix actes d' affranchisscment ä Cheronee et ü Orchr/tnene {Bulletin de cor- respondance heUemqtie t. VIII, 1S84, p. 53 75). Dieselben Inschriften auch in: Corp. Inscr. Graecarum Graeciae Septentrionalis vol. I cd. Ditietiberger, 1892. Zahlreiche neue Urkunden aus Delphi s. im Bulletin de corresp. hellenique t. XVII, 1893, p. 343-409.

54) S. Gust. Hirschfeld, Ueber die griechischen Grabschriften, welche Geldstrafen anordnen (Königsberger Studien, I.Heft 1887, S. 83— 144); Treu- ber, Beiträge zur Gesch. der Ljkier, H. Thl. Wesen der Gräberbussen Lykiens u. s. w. Tübingen, Gymnasialprogr. für 1886/87 (mit der Jahreszahl 1888);

[520] II, 1. Innere Organisation der Gremeinden. 55

Als ein Analogon zu griechischen und römischen Gewohnheiten darf endlich aucli noch die Verleihung von Titeln und Ehren- Aemtern an Frauen erwähnt werden. Es giebt nicht wenige Beispiele dafür, dass Frauen Titel und Amt einer :^Qvxavii;, arefpa- vrjfpoQoq, yvfivaoiaQyoc . aycovo^ixiq, öexaxQcoTog erhielten*^). In Italien kommt bei den Genossenschaften der Titel mater coileyi vor^**). Auf diese Vorbilder ist es sicherlich zurückzuführen, wenn auch bei den Juden für Frauen die Titel aQxiovvdycoYog (oben S. 39), JtQtoßvTtga (S. 51) und mafer m/nayogae (S. .'>U) vorkommen.

In anderen Fällen, in welchen augenscheinlich Zusammenhänge vorliegen, kann man zweifelhaft sein, welcher von l)eiden Seiten die Priorität zuzuerkennen ist. Auch bei heidnischen Cultvereinen kommt zuweilen für ein gottesdienstliches Gebäude die Bezeichnung jTQootvx/'j und für Beamte der Titel ovvayor/oq und a{txiovvaycoyoq vor (s. oben Bd. II, S. 444, 440 1. Aber die Zeugnisse hierfür sind vereinzelt und dabei so spät, dass die Möglichkeit einer Ent- lehnung aus dem Judenthum nicht ausgeschlossen ist. Die Juden sind doch nicht bloss die Empfangenden, sondern zuweilen auch die Gebenden gewesen.

Merkel, Ueher die sogt-naunten Sepulcralniulten (Festgabe der Göttinger Juristen-Fakuhät für Kud. von Jhering lb92, 8. 79 1^4); auch Reinach's P>läuterungeu zur Inschrift von Siuyma (Herne dein ettidt-s jnires VII, 1883, II. IGl— l(iO) und Zahu's Bemerkungen zur Abercius- Inschrift (Zahn, Forschungen zur Gesch. des neutestamentlichen Kanons V. Teil, 1893, 8. 72, 84). Neues Material s. im Bulletin de corresp. hellenique XVI, 1892, p. 213— 239. XVII, 1893, p. 248 sqq. 320. Journal of Helltnie Studien XV, 1895, p. 100 —131. Ramsay, The citifs and biahoprics of Phryyia rot. I, 1—2, 1S95 1897. Heberdey und Wilhelm, Reisen in Kilikien (Denkschriften der Wiener Akade- mie, philos.-hist. Gl. Bd. 44, 1896;. Judeich, Altertümer von Hierapolis 1898, Register S. 184. Von etwas anderer Art als die obigen Inschriften ißt die von Apamea, die nicht eine bestimmte Strafe androht, sondern ganz all- gemein den etwaigen Verletzer des Grabes auf das bekannte Recht der Juden verweist {xbv vofiov oiöev züiv Eiovöiotv, s. oben S. 14, 40). Auch hierfür giebt es aber heidnische Analogien (Merkel S. 113—115). Auf christlichen Grab- schriften Phrygiens ist die gewöhnliche Formel taxai avttp nQoq tov dtoV. Doch kommt auch die Androhung von Geldstrafen vor (s. Ramsay, The cities aml l>ishoj>ric.^ .1, 2 p. 514— 5t)8, 717fl'.l Auf einer christlichen Inschrift von Heraklea im Poutus kommt vor Siüafi toIi; ädfXipolq drjväQia <p' [De Rosui, Roma sotterranea I, p. 107>.

55) S. die Zusammenstellungen bei: Sterrett, An epiyraphieal joumey in Asia Minor (= Papers of the American School of Classieal Studies at Athens rol. II, 1888) zu n. 15. Bulktin de vorrespondance helUnique t. XIII, 1889, p. 490. Paris, Quatenus feminae res pnblicas in Asia Minore Romanis im- peraniibus aiiiycnnf, Paris, Thorin, 1892.

56) Z. B. Orelli, Inscr. Lot. n. 2392. 2417. 4055. 4050.

56 § 31. Das Judenthum in der Zerstreuung. [520]

Die Einwirkung heidnischer Vorbilder auf die Ordnungen der jüdischen Diaspora-Gemeinden darf überhaupt, trotz des Gesagten, nicht überschätzt werden. Sie betrifft fa.st nur Aeusserlich- keiten. An eine Reception giiechischen oder römischen Rechtes von Seite der jüdischen Gemeinden in ii'gendwie erheblichem Maas.se ist sicher niclit zu denken. Es war im (legentheil bei der selb- ständigen Organisation der Gemeinden ganz wesentlich darauf ab- geselien, dass nicht nur die jüdische Gottesverehrung, .sondern auch das jüdische Recht überall unter Juden herrschen solle. So weit die staatliche Behörde es zuliess (und wir werden sehen, das» dies in weitgehendem Maasse der Fall war), hatten die Juden auch in der Diaspora ihre eigenen Gerichte, von welchen für Juden und über Juden Recht gesprochen wurde xaxa tovg xatQlovq rofiovg (Jos. Äntt. XIV, 10, 17).

2. Staatsrechtliche Stellung der Gemeinden.

Die jüdischen Gemeinden sind im Rahmen der griechisch-römi- schen Welt keineswegs eine singulare Erscheinung. Die Interessen des Handels haben ja schon im hohen Alterthum die Orientalen, vor allem die Phönicier, nach dem Abendlande geführt, nicht nur auf flüchtigen Fahrten, sondern zu dauernden Niederlassungen. Die Art der Niederlassung war aber je nach der Cultur-Stufe der abend- ländischen Völker eine verschiedene. So lange die Phönicier noch als Träger der Cultur auftreten konnten, gründeten sie eigene Städte, von welchen aus die Cultivirung und Ausbeutung der Um- gegend betrieben wurde. Dies geschah namentlich in der west- lichen Hälfte des mittelländischen Meeres, in Nord -Afrika und Spanien!). Später, und überhaupt da, wo schon eine entwickelte Cultur vorhanden war, konnten die Orientalen nur als Ausländer (Nicht- Bürger) innerhalb der gi-ossen politischen Gemeinwesen Griechenlands und Italiens sich niederlassen. Auch in dieser Eigenschaft aber bildeten sie geschlossene Vereinigungen, welche nicht nur die gemeinsamen materiellen, sondern auch die gemein- samen geistigen Interessen, vor allem die heimathliche Gottesver- ehrung pflegten. Auch die Sprache der Heimath haben sie ver- hältnissmässig lange festgehalten 2). Ausser den Phöniciern waren

1) S. hierüber die oben Bd. II, S. 50 genannten Werke über den Han- del der Phönicier von Bochart, Movers, Gutschmid u. A.

2) Die im Corpus Inscriptioniim Semiticarum t. I mitgetheilten phöni- cischen Inschriften gehen über die Zeit Alexander's d. Gr. herab. Sie ver- theilen sich, abgesehen von den in Phönicien selbst gefundenen (n. 1—9, auf

[520. 521] n, 2. Staatsrechtliche Stellung der Gemeinden, 57

es namentlich die Aegypter, welche in der griechischen und römi- schen Zeit in grösserer Zahl als Kaiifleute nach allen Haupt- Handelsplätzen des mittelländischen Meeres kamen und in solcher Weise sich organisirten. Wie es also jüdische Diaspora- gemeinden gab, so gab es auch phönicische, ägyptische u. s, w. I Die wichtigsten Zeugnisse hierfür sind etwa folgende^). 1) In Delos finden wir im Anfang des zweiten Jahrhunderte vor Chr. ein xoivov rmv Tvqiojv IlQaxXüorojv Lfi^toQoiV xai vavxXijQmv. welches seine regelmässigen Festversammlungen [avvoöoi) hielt, wobei auch die sonstigen Angelegenheiten des xoivov erledigt wurden^). Auf lebhafte Beziehungen der Tyrier zu Delos weist

folgende Gegenden: Cyperu (n. 10—96), Aegypten («• 97— 113), Delos (n. 114), Athen in. 115—121), Malta und Gaulos (n. 122— 132), Sicilien («. 133—138), Sardinien («. 139—163), Präneste in Italien (/*. 164), Mars.illi' in. 165), Cartliago («. 166 fl'.).

3) Vgl. auch die Zusammenstellungen bei Liei-t-uiiui, Zur Geschichte und Organisation des römischen Vereinswesens (1890), S. 89 97. Ziebarth, Das griechische Vereinswesen (189(3) S. 2t5— 33, 121—123.

4) Corp. Lhser. Oraec. «. 2271. Berichtigter Text (nach dem Original im Louvre zu Paris) bei Foueart, Aw aastH-iation^ religimt»e» ekex le» Orte», 1873, p. 223—225. Uel>er die Zeit: Foueart t?. 225. Die Inschrift ist in vieler Hinsicht so lehrreich, dass es sich rechtfertigen wird, den Schlusssatz, welchem eine lange Motivirung %-orau8geht, hier mitzutheilen:

.... 'Ayabtl Tvxfi, dfSoy&ai xcSi xoivuii Ttüv TvqIüjv H^oxküarüiv t/u7iüQ(i>v xai vavxlr]g<uv inaivsaai [IccTQwva Ja- Qo^tov xai aTf(favüiaai avvov xar' iviavtov XQV- atäi oxfifüvwi iv Talg avvTfkov]fitfai(; &vaiai(: t(5i Iloastdüivi, UQfx^i i'vfxfv xai xaXoxaya^i- «S Tjg f'/wv 6iareXet tlq x6 xoivov xiüv Tvqi- tav ifiTiÖQutv xai vavxi-i^giov, dva&ttvat de «v- xov xai dxöva ygamiiv iv xtSi xffiivn xov "^Hgax/.sovg xai dX/M/fj ov av avxoq ßovXrjTai ' ta- Xü> Öt aavf/ßokog xai dXftxovQyijxog fv xaTg yivofifratg aivödoig Tiäaaig ini/ufXfg ds taxw xoTg xu&iarafitvoig dQyi^iaalxaig xai xafilaig xai xdJi yQafXfiuxel öntug sv xaig yivofxtvaig &v- alaig xai awoSoig dvayogsvrjxai xaxa xavxrjv xfjv dvayoQevaiv ' ''H avvoSog xdjv TvQiixtv ifi:i6- Qiov xai vavxXriQwv axf<pavol IläxQiDva JaiQobtov svfgysxTjv . 'Avaygatpdxwaav de xoöe x6 j^'ij- ifiofitt eig axTjXrjv Xt&lrijv xai axijadxiuaav iv X(öi xffiivei xov 'H^ax^Joig ' xo di iaöfifvov dvtjXwua fig xavxa /xsQtaäxü) 6 xafilag xai 6 dg/iS^taaiTr;:. 'Eni dQXi^iaalxov Jiovvaiov xov Jiovvaiov [Schluss s. nächste S.l.

58 § 31. Da» Judenthurn in der Zerstreu uti(r. (521)

auch eine zweisprachige Inschrift (griediisch und phönicisch, 4. Jalirh. vor Chr.), der ziifolg«* ol Ix Tvqov injovavrai dem Ajxillo in Delos ein Weihgeschenk (wahrscheinlich Statuen der (jöttinen von Tyrus und von Sidon) darhrachten '), Ebenfalls in Delos war ein xoivov Br/Qvtlcov FIootidowiainfTiv Ifixö^Kuv xai vat^h'ntmv xai lydox^cov^'). Auch die Aegypter hatten hier eine Niederlassung, welche ähnlich organisirt war. Eine Inschrift, deren Anfang nicht erhalten ist, meldet uns von Ehrenbezeugungen, welche ihre ovvodoq für zwei Wohltiiäter beschlossen hat'j. 2) In Athen lebten Fremde aus allen Gegenden der civilisirten Welt. Die Zahl der dort gefundenen Grabschriften von Ausländern aus den letzten Jahrhunderten vor Chr. und den ersten Jahrhundeii-en nach Chr. beträgt etwa 1500, worin allerdings die Fremden aus den übrigen Staaten Griechenlands inbegriffen sind. Einen sehr starken Bruch- theil bildeten aber doch die Klein-Asiaten und Orientalen "'j. Unter letzteren waren auch hier die Phönicier und Aegypter zu selb- ständigen Körperschaften organisirt, welchen gestattet wuide, im Piräus (nicht in der Stadt) Tempel zu bauen. Ueber die Ge- meinde der Sidoniergiebt uns namentlich eine phönicische Inschrift Zeugniss, welche in neuerer Zeit (1887?) im Piräus gefunden wor- den ist^). Sie ist datirt vom J. 15 der Sidonier. Wenn man hier-

UQaxtiovxoi öt UazQtuvoQ Tov JwQO&iov. *0 SfjfioQ *H aivodoq

6 'AQ-i]vai(ov. tcüv Tvqiwv

ifiTlÖfJÜJV

XUI VUVX).TfQO)V.

5) Corp. Inscr. Semit. I «. 114.

6) Bulletin de correspondance hellenique t. VII, 1883, p. 467 sq. 471 ; über- haupt die Inschriften dieses xoivöv p. 46t) 476.

7) Bulletin de corresp. Jiellenique t. XIII, 1889, p. 240: nQoa).aßto9-ai ze avzovq sig r^v oivoöov ävev zov xa&^xovzoq eiaoöiov, xkiaiav exovzag ivzifiov, dXeizovQyrizovq ovrag näarjq XstzovQyiag xal xa9^ txäazTjv nöaiv azeffavova&ai dfi(pOT£Qovg iv zw Koivw fiszä ävayoQevaewg x. z. )..

8) Kovfiavoväfjg, lizzix^g intyQucpal ini&vfißtoi, Athen 1871. Ojrpus inseriptiomim Atticarum t. II, 3 p. 218—276 {n. 2735—3424). t. III, 2 p. 112 —196 [n. 2140—2959). Wir finden hier z. B. Antiochener, Asiialoniten, Berytier, Gadarener, KizisZg und 2cc?.afxivioi i^beide aus Cypern), Samariter, Sidonieri Syrer, Tyrier. üeber die Corporationen der Ausländer in Athen s. Wachs - muth, Die Stadt Athen im Alterthum II, 1 (1890; S. 151—164.

9) Zuerst mitgetheilt von Eenan, Revue archeologique, troisieme Serie t XI, 1888, p. 5 7 und pl. 11 III (vortreffliche Photographie). Dazu die Besprechungen von Halevy, Bevue des etudes juiies t. XVI, 1888, p. 14« 1—144, Rein ach ibid. p. 275 277. Georg Hoffmann, Ueber einige phönikische In- schriften (Abhandlungen der Göttinger Gesellsch. der Wissensch. 30. Bd. 1889-1890) S. 3-20.

[521] II, 2. Staatsrechtliche Stellung der Gemeindeu. 59

bei, wie von Renan geschehen ist, die sonst bekannte Aera von Sidon vom J. 1 1 1 vor Chr. voraussetzen dürfte, würde die Inschrift vom J. 96 vor Chr. herrüliren. Nach den Buchstabenformen der griechischen Beischrift ist sie aber sicher erheblich älter'*). Der phönicische Text besagt, dass die Gemeinde der Sidonier einen ge- wissen Samabaal, Sohn des Magon, der als Beamter der Gemeinde den Vorhof des Tempels des Gottes Baal-Sidon gebaut hat, durch einen goldenen Kranz ehrt. Die griecliische Beischrift lautet: To xoivov Ttöi^ ^id(ovi(ov Aionti&tv 2i6(6viov (Diopeithes ist grie- chische Wiedergabe von Samabaal). Die Sidonier in Athen waren also damals als Gemeinde organisirt und hatten einen eigenen Tempel im Piräus. Grabschriften von Sidoniern haben sich in Athen in grösserer Zahl gefunden '•). Die ältesten derselben sind zweisprachig und stammen aus dem 4. bis 3. Jahrh. vor Chr. ''^i. Von Beziehungen der Sidonier zu Athen zeugt auch ein Volks- beschluss der Athener für den König Straton von Sidon, um 370 vor Chr.*^), und die Unterschrift einer Statue, welche dem König Philokles von Sidon (um 300 vor Chr.) in Athen von irgend Jemand gesetzt worden ist»^), endlich auch noch andere gelegentliche Erwäh-

10) Kühler, Corp. Inscr. Attkar. IV, 2 w. 1335b setzt sie in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts vor Chr. Auch T>'rus hatte ausser der später gewöhnlichen Aera vom J. 12^5 vor Chr. eine ältere vom J. 275 v. Chr. (s. oben Bd. II, S. 74).

11) Corpus Inacriptianum Attiearum t. II, 3 ». 3316-3324. III, 2 n. 2900 29()4.

12) Corp. Inner. Semit, t. I «.116 = Corp. Inscr. AUie. II, 3 n. 3318 (nach Köhler's Urtheil wegen des Charakters der griech. Schrift aus dem 4. Jahrh. vor Chr.). Curp. Inscr. Sem. I n. 119 = Corp. In>icr. AU. II, 3 n. 3319 (nach Köhler aus dem 3. Jahrh,). Ein Sidonier hat auch dem Aska- loniten Antipater in Athen eine Grabschrift gesetzt, Corp. Inscr. Sem. I n. 115 = Corp. Inscr. Attic. II, 3 «. 2830 (Näheres hierüber oben Bd. II, S. 96). Vgl, überhaupt die phönicischen Inschriften von Athen und Piräus Corp. Inscr. Sem. I n. 115—121.

13) Corp. Inser. Graee. n. 87 = Corp. Inscr. Ättie. II, 1 «. 86 = Rick s Manual of greek historical inscriptiuns [Oxford 1882) p. 155 157 = Ditten- beryer, Stjlloge Inscr. Qraee. n. 93 (über die Zeit s, oben Bd, II, S, 105), Durch den Beschluss wurde dem König Straton von Sidon die Proxenie zuerkannt; zu- gleich wurden avfißoXa (tesserae hospitales^ verabredet, durch welche etwaige sidouische Gesandte in Athen und athenische Gesandte in Sidon sich legiti- miren konnten. Endlich wurde bestimmt, dass die Sidonier, welche in Sidon das Bürgerrecht hatten und nur um des Handels willen sich in Athen auf- hielten, nicht zur Metoekensteuer und anderen Lasten herangezogen werden sollten {hnöaoi d' uv ÜiövivIcdv oixovvrfq ig Ziöwvi xid noXixtvofitvot, intöt]- l^watv xax' i/inoQiav 'A&ijvtjai, firj i^eivai avtovg fJLSXoixiov Tiguma&ai x. x. X.).

14) Co)p. Inscr. Attic. II, 3 n. 1371. Dieser König Philokles von Sidon

QQ § 31. Da« Judentbuiii in <ler Zeriitr<>uung. [521]

nungen von Sidoniern in Athen"). Neben den Sidoniern haben die KaufleiiteausKitium(inCypern) in Athen eine eif^ene Gemeinde ge- bildet. Schon im .1.. 333 vor Chr. wurde durch einen Volksbehcliluss der Athener den Ivjcoqoi Kixielq gestattet, im Piräus einen Tempel der Aphrodite zu erbauen '♦^j. Von der Existenz ihrer Gemeinde giebt auch eine Weihe-Inschrift einer Fiau aus Kitium für Aphro- dite Urania Kunde, sowie mehrere Grabschriften, von welchen zwei griechisch-phönicische dem dritten Jahrhundert vor ( hr. angehören, ein Fragment vielleicht dem fünften ''). Aus einer fragmentarischen, im Piräus gefundenen Inschrift ersehen wir, dass auch die SaXa- filvioi (aus Salamis in Cypern) daselbst den Cultus der Aphrodite

kommt auch auf Inschriften von Delos öfter« vor. l>urcli ein Decret der De- lier wurde ihm wegen seiner Verdienste um die Insel ein goldener Kranz und andere Ehren zuerkannt {Ilomolle, Bulletin de correajiondatice lieUeniijue t. IV, 1880, p. 327—332 = Diftenberr/er , Si/ltof/e Itiscr. Oraer. n. 155). Er erscheint hier als Zeitgenosse eines Ptoiemäus, hat also früheuten» Ende des 4. Jahrb. vor Chr. gelebt. In den Inventaren der Tempel von Delos wird »ein Name al>« der eines Geschenkgebers öfters genannt; so im Inventar vom J. 279 vor Chr. lin. 55, (30, 8<j {Bulletin XIV, 407. 409) und im Inventar vom J. 180 vor Chr. lin. 9 {Bulletin VI, p. 30). Hiemach muss er um 300 vor Chr. gelebt haben. Vgl. HomoUe, BuUetin IV, 330 sq. XV, 137. Homolle, Im arehives de Finten- dance sacree ä Dilos (1887) p. 35 sq.

15) Corp. Liser. Ättic. II n. 171. 448. 482. 960. 9(58. In einem Ver- zeichniss von Weihgeschenken wahrscheinlich des Athene-Tempels, Ende des 4. Jahrb. vor Chr., kommt vor ein [^a>/(fc?]ov ike[«pa]vxtvo[v ypäfi/dax]a 4*oi- viXLxa t;(o[»'], augenscheinlich ein von Phöniciem dargebrachtes Weihgeschenk, Corp. Biscr. Attic. II, 2 n. 706. Die Ergänzung yganfiata ergiebt sich aus der ähnlichen Inschrift n. 731.

16) FoKcart, Des associatinns reltgieiise.'< ehex les Grees p. 187—189 = Corpus Inscr. Attic. II, 1 n. 168 = Dittenberger, Sylloge Inscr. Graer. n. 355. Den Cultus der (phönicischen) Aphrodite pflegten auch die S^taadruc 'Atfpo- Slxrjq, von welchen drei Decrete aus den Jahren .302, 301 und .SO'J vor Chr. auf einer Inschrift im Piräus sich gefunden haben {Foueart, Btdletin de corresp. hell. III, 1879, p. 510 515 = Dittenheryer, Sylloge n. 427). Die Bildung dieses &laaog hängt sicher mit der Niederlassung der Phönicier zusammen; man wird ihn aber nicht mit der Gemeinde der KnieTq identificiren dürfen.

17) Die Weihe- Inschrift Corp. Inscr. Attic. TL, 3 «. 1588: l4Qiatox?.^a KiTiäg ^AcpQoSixrii OvQaviai sv^afiivjj dve&Tjxsv (über das Alter s. Köhler bei Dittenberger, Anm. zu n. 355). Die Grabschriften: Corp. Inscr. Attic. IL 3 n. 3071—3076. Die zweisprachigen sind: n. 3074 = Corpus Inscr. Semit. 1 n. 117 [Novfxrivioq Kixiev[q], phönicisch: „Dem Benchodesch, dem Sohn des Abdmelkartb des Sohnes des Abdschemesch des Sohnes des Tagniz, aus Ki- tium" ins ^X); n. 3075 = Euting, Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1885, S. 669 u. Tafel VI n. 1 {Novfii]viog Kirtstg, phönicisch: „Ich Machdasch [oder Mechaddesch], Sohn des Pene-Simlath, aus Kitium" T: ex). Das Frag- ment n. 3071, nach Köhler titulus safis antiquus, fortasse saeculi quinti.

[5211 II, 2. Staatsrechtliche Stellung der Gemeinden. 61

und des Adonis pflegten. Wie es scheint, haben auch sie eine eigene Gemeinde gebildet 'H Noch vor den Phöniciern hatten bereits die Aegypterdie Erlaubniss zu einem Tempelbau im Piräus erhalten, worauf der Beschluss zu Gunsten der Kixalq vom J. 333 hinweist (xai^^djttQ xal ol AlYv:jirioi xo xTJg loiöoq Uquv llÖQvvTai). Aus dem Umstände, dass hier nur die Aegypler als älteres Ana- logon erwähnt werden, erhellt zugleich, dass die Sidonier ihren Tempel des Baal-Sidon erst nach dem J.333 vor Chr. gebaut haben. 3) In Italien war namentlich Puteoli als Haupt-Stapelplatz für den Orienthandel auch der Sitz orientalischer Gemeinden. Auf einer umfangreichen Inschrift vom J. 174 nach Chr. ist uns ein Schreiben der Tyrier in Puteoli {ol Iv DoxioXon; xaxoixovvxtg TvQioi) an ihre Heimath -Stadt erhalten, in welchem die gegen früher sehr heruntergekommene Gemeinde zur Erhaltung ihres vaterländischen Gottesdienstes eine Subvention von der Heimath erbittet 1^). Auf einer Inschrift vom J. 116 nach Chr. werden er- wähnt cultores Jovis HeliopoUtani Be rytenses qui Puteolia conttishmt, also eine Gemeinde von Berytiern in Puteoli -^"i.

Ausser den Corporationen auswärtiger Kaufleute gab es aber im Bereiche der griechischen und römischen Welt auch religiöse Genossenschaften von Einheimischen. Die nach dem Westen gekommenen Orientalen haben ebenso wie die .1 uden auch für ihren Glauben Propaganda gemacht unter Griechen und Römern, zum Theil mit grossem Erfolge. Die griechische Religion hat ja schon in alter Zeit unter dem Einfluss des Orients gestanden. In der hellenistischen Zeit gewannen die orientalischen Culte immer mehr an Boden. In Rom hat sich der Cultus der ägyptischen Gottheiten schon in der letzten Zeit der Republik eingebürgert; in der Kaiser- zeit folgten die syrischen und persischen Culte, namentlich der des Mithras (Näheres s. unten Nr. V). Diese fremden Culte sind in der Regel nicht, wie die alt-einheimischen, von Staatswegen gepflegt

18) Köhler, Mittheilungen des deutschen archäol. Institutes in Athen IV, 1879, S. 266. Auf Grabschriften in Athen kommen vor ein ^aXanivioq dnb KiTiQOv [Corp. Inscr. Ättic. II, 3 fi. 3295) und eine SaXa/iivia and Kv~ ngov [Corp. Inscr. Ättic. HI, 2 n. 2188).

19) Corp. Inscr. Graec. n. 5853 = Kai bei, Inscriptiones Graecae Sicüiae et Italiae n. 830 (über Vergangenheit und Gegenwart der Gemeinde heisst es hier: zavxTjq [seil. Tijq azaTiwvog] näkai fxsv inefisXovvxo ol if ÜOTiokoig xaz- oixovvTsg TvQioi ol noXXol ovxeq xal nXovaioi, vvv Öe ilq oXiyovg r^ftäq ntQi- eazT] xov clQi&fiöv). Vgl. auch den Commentar von Mommsen in den Be- richten der sächs. Gesellsch, der Wissensch., phil.-hist Cl. 1850, S. 57 ff.

20) Orelli, Inscr. Lot. n. 1246 = Corp. Inscr. Lat. t. X n. 1634. Kürzer: corpus Heliopolitanorum ibid. n. 1579.

g2 § 31. Dan Judenthuin ia der Zerstreuung. (521. 522]

worden. Es war in Griechenland und Koni eine Aunnahme, wenn die Staatsbehörden von .sich aus einen neuen ("ultus einführten. Vorwiegend geschah die Pflege solcher durch l'rivat- Vereine, die vom Staate zugelassen, aber in ihrer inneren Organisation selbständig und darum finanziell auf die Beiträge ihrer Mitglieder angewiesen waren. In Griechenland begegnen wir die.sen V'er- einen seit dem vierten Jahrh. vor Chr. unter dem Namen der ^laooi oder iQovoi, die bei allei- Mannigfaltigkeit doch sämmtlich gewisse gemeinsame Merkmale aufweisen'^'). ! In Rom gab es ro/- le(pa seit alter Zeit zu sehr verschiedenartigen Zwecken, nament- lich Verbände von Handwerkern zum Zwecke gegenseitiger Unter- stützung, etwa auch um den Angehörigen des CoUegiums ein ehrliches Begräbniss zu sichern (collegia tenulorum, colleifia fnncra- ticia). Schon diese Hand werk er -Vereine pflegten auch einen ge- meinsamen Cultus. Es gab aber auch Genossen.schaften zu wesent- lich religiösen Zwecken. Alle diese Vereine genossen in Rom staat-

21) Vgl. über die religiösen GenoBsenschaften in Griechenland: Wetcher, Rerue arc/ieolof/iquc Nour. Serie t. X, 1804, S. Am ff. XII, 1805, S. 214 ff. XIII. 186Ü, S. 245 ff. Foucart, Des associations relüfieuses chex les Orecs, thiaxes, eranes, orgeon^, avec le texte des inscrijdions relatire» ä cea aasf^üations. Paris l873. Lüders, Die dionysischen Künstler, Berlin 1873. Heinrici, Die Christengemeinde Korinths und die religiösen Genossenschaften der Griechen (Zeitschr. für wissensch. Theo!. 187(3, 4ao— 526, bes. 479 ff.). Ders., Zur Ge- schichte der Anfange paulinischer Gemeinden (Ebenda«. 1877, S. 89—130). Neumann, Biaaüizui 'Irjaov (Jahrbb. für prot. Theol. 1885, S. 123—125). Schäfer, Die Privatcultgenossenschaften im Peiraieus (JahrVib. für das«. Phi- lol. 1880, S. 417 427). Köhler, Die Genossenschaft der Dionysiasten im Piräus (Mittheilungen des deutschen archäolog. Institutes in Athen IX, 1884, S. 288—298). Wachsmuth, Die Stadt Athen im Alterthum II, 1 (1890) S. 151 164. Ziebarth, Das griechische Vereinswesen, Preisschr. der Jablonows- ki'schen Gesellsch. zu Leipzig, 1896 (Hauptwerk, mit vollständigster Samm- lung des Materiales auch für die religiösen Genossenschaften). Viel Material z. B. im Corp. Ltscr. Atticarum II, 1 (1877) p. 365—388. IH, 1 (1878j p. 11 18, und hei La tyschev, Liscripttanes antiquae orae septetitrionalis Ponti Eki- xini graecae et latinae vol. II (1890) Index p. 317 sq. s. v. sodalicia. Den Wortlaut der Statuten eines Cult- Vereins der Jobakchen in Athen giebt eine in neuerer Zeit gefundene umfangreiche Inschrift aus römischer Zeit 162 Zeilen I) ; s. Wide, Mittheilungen des deutschen archäol. Institutes. Athenische Abth. XIX, 1894, S. 248 282. Maass, Orpheus, Untersuchungen zur griechischen römischen altchristlichen Jenseitsdichtung und Religion, 1895. Als Analoga sind zu vergleichen die wissenschaftlichen , künstlerischen, politischen Vereine, die Handwerker-Gilden, die Vereine für Leibesübungen u. s. w. Vgl. über alle diese Arten das Werk von Ziebarth; über die gewerblichen Genossenschaften in Kleinasien und Syrien auch Gehler in: Eranos Vindobonensis, 1893, S. 276—282.

[522] II, 2. Staatsrechtliche Stellung der Gemeinden. 63

liehe Duldung. Nur die politischen waren seit Cäsar und Augustus verboten ^2).

Ein drittes Analogon zu den jüdischen Diaspora -Gemeinden sind endlich die Corporationen von Griechen und Kömern in nicht-griechischen oder nicht-römischen Ländern. Die Griechen hatten bei der weiten Verbreitung des Hellenismus zur Bildung solcher Corporationen weniger Veranlassung. Als bemer- kenswerthes Beispiel seien die Verhältnisse in Tanais lan der nörd- lichen Spitze der palus Maeotis) erwähnt. Hier finden wir einer- seits einen aQymv Tavasiröjp resp. aQxovTtg TavatiTÜv. anderei^seits einen 'EXXr}vaQX''l<i^^)- Die Einheimischen und die Griechen bildeten also getrennte politische Corporationen. Viel häufiger sind solche Corporationen von Römern. Als die herrschende Nation haben die Römer ausserhalb Italiens überall eine Sonderstellung bean- sprucht. Sie unterwarfen sich weder der Besteuerung durch die Communen noch der Jurisdiction der städtischen Behörden; viehnehr

22) Vgl. über die römischen colUi/ia: Mommten, De eollegiis et suda- licüs 1843. Der«., Zeitschr. für geschichtl. Recbtswisseiuchaft Bd. XV, 185u, S. 353 ff. Max Cohn, Zum römischen Vereiusrecht, Berlin 1873 (hierzu Bur- sian's philol. Jahresbericht 1873, II, 885—890). Boitisier, Im religion romaine d'Attffuste aux Antonius, 2. ed. 1878, 11, 238 31.4. Duruy, Du regime muni- cipal dans l'empire rumain {Herne hijitorique t. I, 187ü, p. 3ö5sqq.j. De Hosui, Roma sotterraneu t, III, 1877, p. '61 sqq. und bes. p. Sül ifqq. Daremberg et Saglio, Didionuaire cfes antiquites ijrei-ques et rumaines Art. „eolUgium''. Schi 688, Die römischen eollegia funeratii-ia nach den Inschriften, lSJ-»8. Lie- ben am. Zur Geschichte und Organisation des römischen Vereinswetiens , drei Untersuchungen, 189U (reich an Material, aber das Verschiedenartige nicht scharf genug unterscheidend). Merkel, Art. coHegia im Handwörterbuch der Staatswissenschaften von Conrad, Elster, Lexis und Loeiiing Bd. IL 1891, S. 845—857. Ueber die Handwerkervereine: Stemter, De^ Colleges d'arti- sans, Pam 1887 (96 p.) Tro nette, Leu Colleges d'artisans ä Rome, Muiäpeltier 1892 (131 p.). La bat, Etüde sur les eoll^es d'artisam. These, Toulouse 1893 (90 jo.). Waltxing, Etüde historique sur les corporations professionelles chex les Romains depuis les origines jusqu^ä la ehute de V Empire d'Oecident. 2 toll, (= Memoires couronnes par l'Aeademie de Belgique, Colleetion in 8". Tome L, vol. 1—2). Bruxelles 1895—1896 (Hauptwerk^ Von Waltzing bearbeitet ist auch der Artikel collegium in: Ruggiero, Dixionario epigrafieo di Antichitä Romane rot. II (1896 sq.) p. MO 406. Eine übersichtliche Zusammenfassung bei Marquardt, Römische Staatsverwaltung HI. 1878, S. 131—142. Noch andere Literatur bei Hatch, Die Gesellschaftsverfassung der christlichen Kirchen im Alterthum (deutsche Ausg. 1883) S. 20, Merkel a. a. O. und bes. Waltzing I, 17 30. Viel Material geben die Indices zum Corp. tnser. Lctt. Für das Juristische kommt in Betracht Digest. XL VII, 22: de eollegiis et cor- porihiis.

23) Latyschec, Inscriptiones antiquae rol. II n. 423. 427. 430; dazu Proleg. p. LVL

04 § ■il- I^a« Judenthum in der Zemtreuung. [522]

bildeten sie selbständige Köriierschaften neben den Coniniunalver- bänden der Städte, in welch^Mi aU' lebten. Beisi)i«'le dafiii- yfiebt in grosser Zahl für den ganzen Umfang des rümisi^hen Reiches^*). Die staatsrechtliche Stellung der Jüdischen Diaspora- Gemeinden war sicher in verschi«'d<*n»*n Ländern und Z«'iten eine sehr verschiedene. Sie werden bald mit der einen bald mit der anderen der drei genannten Organisationen parallel gestanden haben. In Alexandria und Cyrene bildeten div .Jud«*n selb- ständige politische Verbände. Hier ist ihre Stellung zu vergleichen mit derjenigen der Griechen in Tanais und der conventus citnum Eomanoruin in den nicht-italischen Städten, Den Gegensatz zu diesem grössten Maasse von Selbständigkeit bildet die Stellung der religiösen Privat -Vereine Einheimischer. Die Mitglieder dieser nahmen keine politische Sonderstellung ein; sie waren Bürger oder Nicht-Bürger wie andere Einheimische mit allen Itechten und Pflichten derselben. Ob die jüdischen Gemeinden im Altertbum jemals ganz auf dieser Linie gestanden haben, erscheint fraglich. Denn selbst in der späteren Kaiserzeit hatten sie, soweit sich er- kennen lässt, in Civilprocessen ihrer Mitglieder noch eigene Juris- diction. Immerhin mag die Stellung der Juden in Rom, wo sie als Nachkommen von Ubeitini das Bürgerrecht hatten und nicht ein- heitlich organisirt waren, sondeni einzelne Vereine (ovvaymyat) bildeten, nicht erheblich verschieden gewesen sein von der- jenigen anderer religiöser Vereine. In den meisten Ländern aber ist die Stellung der jüdischen Gemeinden zu vergleichen mit der- jenigen der orientalischen Kaufleute. Auch die Juden lebten wie die Phönicier und Aegypter, als Fremde an fremdem Orte. Dabei ist jedoch zweierlei zu beachten. Einerseits legten sie gi'ossen Werth auf die eigene Jurisdiction. Indem ihnen diese zugestanden wurde (was in Betreff der Phönicier, Aegypter u. s. w. nicht wahr- scheinlich ist), kam ihre privilegirte Stellung derjenigen der con- ventus civium Romanorum nahe^^j. Andererseits hatten sie in ein-

24) Vgl. Liebenam, Zur Geschichte und Organisation des römischen Vereinswesens (1890) S, 89—97. Mommsen, Corp. Inscr. Lot. t. III Sup- plem. p. 1306 zu n. 7240. Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht in den öst- lichen Provinzen des römischen Kaiserreichs (1891), S. 143 158. Körne- rn an n, De civibus Romanis in provinciis imperii consistentibus, Berol. 1892. Schulten, De concentibiis civium Romanonim sive de rebus publicis civium Romanorum niediis inier municipium et coUegium, Berol. 1892.

25) Schulten, De eoftrentibus civium Roniatwriim, p. 59 60 hebt diese Aehnlichkeit mit Recht, aber zu stark hervor {p. 59: ejusdem fere raiionis jurisqiie atque civium R. sunt Judaeorum conventus. Dabei ist das wichtige Moment der Steuerfreiheit der ciDcs Romani übersehen).

[522] II, 2. Staatsrechtliche Stellung der Gemeinden. 65

zelneu Städten das Bürgerrecht. Damit hörten sie auf, Fremde ifiiroixoi, peregrini) zu sein, und nahmen an den Rechten und Pflichten der Bürger theil. Dass sie trotzdem ihre Sonderstellung festhielten, hat gerade in diesen Städten zu Contiicten geführt-*'). Durchgängige Voraussetzung aller dieser rechtlichen Ordnungen war die staatliche Duldung des jüdischen Cultus und über- haupt diejenige Bewegungsfreiheit, ohne welche die jüdischen Ge- meinden ihr eigenes Leben nicht entfalten konnten. Eine solche haben sie denn auch fast überall und zu den meisten Zeiten ge- nossen. In den Reichen der Ptolemäer und Seleuciden war die religiöse Freiheit der Juden eine selbstverständliche Sache. Haben doch die ersten Pt<)lemäer und Seleuciden den in ihren Reichen wohnenden Juden wichtige politische Rechte eingeräumt (s. unten Abschnitt III). PtolemäusII soll sogar die Uebei-setzung des jüdischen

26) Mommsen, Histor. Zeitschr. m. Bd. 1890, 8. 421—426. hat den Ge- sichtspunkt aufgestellt, dass nur bis zur Zerstörung Jerusalems die Juden aX* „Volk" {ijeiifi, l'&vog) in Betracht gekommen seien. Seitdem sei „an Stelle der privilegirten Nation die privilegirte Confession" getreten. Während früher die staatlichen Privilegien allen geborenen Juden und nur diesen gegolten hätten, hätten sie seitdem allen Bekenuern des Judeuthums und nur diesen gegolten. Ich glaube nicht, dass dieser Gedanke in solcher scharfen Fassung durch die ThatSHcheu bestätigt wird. Die Juden haben auch in der späteren Kaiserzeit stets eine gewisse Sonderstellung eingenommen, weil sie eben nicht nur eine Confession, sondern ein Volk waren. Noch auf der Inschrift von Smyma (Revue des etucks Juices VII, 101 sqq.), die nach Reinach nicht über das dritte Jahrh. nach Chr. hinaufreicht, heisst die jüdische Gemeinde ro £&voq töJv 'lovöaiwv. Auch die Inschrift von Hierapolis in Phrj'gien, auf welcher die jüdische Gemeinde 6 Xubq rßv 'lovöaituv heisst (s. oben S. 13), ist schon wegen der dort vorkonmieuden Namen sicherlich nach 7o n. Chr. zu setzen. Und gerade die späteren Kaiser haben zu verhindern gesucht, dass das „Be- keuutuiss" über den Bereich des Volkes hinaus sich ausdehne, also nur dieses und nicht jenes privilegirt. Aber das Richtige an der Aufetellung Mommsen's dürfte sein, dass die jüdischen Gemeinden in der älteren Zeit vorwiegend Corporatiouen von Ausländern mit politischen Befugnissen waren, während sie später je länger, um so mehr iu die Stellung von Privat- Vereinen ein- rückten, deren Sonderrechte immer mehr zusammenschrumpften, während an- dererseits ihre Mitglieder Bürger der städtischen Gemeinden wurden. Als ausgemachte Wahrlieit ist der Gedanke Mommsen's acceptirt von Ramsay, The Iiulers of the Syntujoyue {Thv Kcpos^ifur 1895, April, //. 272 277), der da- mit die weitere Meinung verbindet, dass erst nach dem J. 70 n. Chr. die jüdischen Diaspora- Gemeinden, eben weil sie keine politischen, sondern nur religiöse waren, avvaywyai genannt worden seien, und ihre Vorsteher «(>;jo»Tfc rjje avvayioytjg, weshalb das Vorkommen dieses Ausdruckes im Text des Oxl. D der Apostelgeschichte 14, 2 auf nachapostolischen Ursprung dieses Textes weise. Dabei hat Ramsay das Vorkommen des Ausdrucks awaywyri auf der von ihm selbst publicirten Inschrift von Akmonia in Phrj'gien aus der Zeit Nero's übersehen (s. oben S. lö).

Schüler, Geschichte III. 3. Aufl. 5

g 31. Das Judenthum in der Zerstreuung. (.'»22. 523]

Gesetzes in's Griechische veranlasst, Ptoleiiiäus III in Jerusalern geopfert haben ^'j. Antiochus der Grosse schützte den (.'ultus in Jerusalem durch köniorliche Verordnungen'^*), Als man freilich mehr und mehr sah, wie spröde | sich die Juden gegenüber «lern Hellenismus verhielten, wie sie im Unterschied von allen ande- ren Nationen auf religiösem Gebiete eine scharfe Scheidewand zwischen sich und den übrigen Völkern aufrichteten, da haben wohl einzelne Könige wie Antiochus Epipiianes diesen Wider- stand zu brechen, den jüdischen (Jultus mit Gewalt zu unterdrücken gesucht. Die Geschichte hat aber gelehrt, dass das Unternehmen unausführbar war; und es ist im Grossen und Ganzen auch später bei der früheren Duldung geblieben. Ein Haupt- Judenfreund war Ptolemäus VI Philometor, der sogar die Erbauung eines Jüdischen Tempels in Aegypten gestattete (s. unten Abschnitt IVj. Wenn Ptolemäus VII Physkon eine feindliche Haltung gegen die Juden einnahm, so geschah dies nicht wegen ihrer religiösen, sondern wegen ihrer politischen Parteistellung 2»). Auch die römische

27) S. überhaupt über die judenfreundliche Stellung der ersten Ptoleuiäer: Josephus contra Apion. II, 4—5. Interessant ist folgende in Unter-Aegypt€U gefundene Inschrift (jetzt im ägyptischen Museum in Berlin, mitgetheilt von Mommsen, Ephevieris qiiftraphwa rol. IV, 1881 . p. '2h sq. = Corp. Itiser. Ixit. III Stipplem. n. 6583): Baaüiaorn xal ßaaütmq nQoazacuvrtDV dvri t^? tiqo- avaxei/xtvTjg nspl rfjg avai^toeiug t^Q nQOOfv/ijg nkaxoq tj vnoyf/Qafißkvri iniyQafpriTü)' Baaikevq nTO/.f/nuio<; EifQyitrjg ir/v npoofi-X'iV (lav).ov. lie^iinn et rex jusser[un)t. Hiernach bat also einst Ptolemäus Euergetes der fraglichen Proseuche das Asylrecht verliehen, und die hierauf bezügliche Tafel mit In- schrift ist später auf Befehl „der Königin und des Königs" durch eine andere ersetzt worden. Euergetes kann entweder Euergetes I (^ Ptolemäus III) oder Euergetes II (= Ptolemäus VII) sein. Ersteres ist m. E. wahrscheinlicher, da Ptolemäus VII den Juden nicht freundlich gesinnt war. Auch wäre bei Ptole- mäus Vn zu erwarten, dass neben ihm die Königin genannt wäre, wie es seit Ptolemäus Philometor Sitte wurde (hierauf hat Wilcken aufmerksam gemacht, Berliner philol. Wochenschr. 1896, col. 1493 f , in der Rec. von Willrich. Juden und Griechen). Bemerkenswerth ist, dass Ptolemäus sich nicht Ü^töq nennt, wohl aus Rücksicht auf die Juden (so Wilcken a. a. O.). Unter der „Königin und dem König" versteht Mommsen die Zenobia und den Vaballathus. Dass es sich um eine jüdische Proseuche handelt, ist allerdings nicht direct gesagt, aber doch sehr wahrscheinlich.

28) Jos. Ann. XII, 3, 3—4.

29) Josephus erzählt von Ptolemäus VII Physkon Folgendes (c. Apion. II, 5): Nach dem Tode Ptolemäus' VI suchte Ptolemäus VII die Wittwe und Nachfolgerin des ersteren Kleopatra zu stürzen, deren Heer von dem jüdischen Feldherrn Onias befehligt wurde. Während nun Ptolemäus YTL gegen Onias zu Felde zog, Hess er die in Alexandria wohnenden Juden gefesselt den Ele- phanten vorwerfen, damit sie von ihnen zertreten würden. Die Elephanten aber wandten sich statt dessen gegen die Freunde des Königs, worauf dieser

[523. 524] II, 2. Staatsrechtliche Stellung der Gemeinden. 67

Gesetzgebung hat die freie Religiousübung der Juden ausdrück- lich anerkannt und gegen etwaige ünterdrückungsversuche der hellenistischen Conuuunen geschützt. Namentlich waren es Cäsar und August US, welchen die Juden ihre formelle Anerkennung im römischen Reiche zu danken hatten. Es sind uns durch Josephus {Antt. XIV, 10. XVI, Q) eine ganze Anzahl von Actenstücken aul- bewahrt — theils Senatsconsulte, theils Erlasse des Cäsar und Augustus, theils solche von römischen Beamten oder Communal- behörden aus jener Zeit , welche alle den Zweck haben, den Juden die freie Ausübung ihrer Religion und die Aufrechterhaltung ihrer Privilegien zu sichern 3"). Die Politik Cäsar's war im Allge- meinen gerade diesen freien Vereinen ungünstig, da sie in da- maliger Zeit vielfach politischen Zwecken dienten, weshalb Cäsar sich genöthigt sah, alle coUeyia ausser den von Alters her bestehen- den zu verbieten ^'j. Die jüdischen Gemeinden wurden aber von diesem Verbote ausdrücklich ausgenommen: sie sollten auch fei'ner

von seiueni Unternehuieu reuniüthig abstand. Zur Erinnerung an dii'se wunder- bare Errettung feierten die Juden Alexandria"« seitdem alljährlich ein Dankfest. Die Geschichte von der wunderbaren Errettung vor den Elephanteu bildet auch den Hauptinhalt des abgeschmackten Komanes, welcher unter dem Na- men des dritten Makkabäerbuches bekannt ist, wo ebenfalls die Notiz beigefügt ist, dass die Juden seitdem alljrihrlich ein Dankfest feiern (III Makk. G, 3(j). Als Thäter wird aber liier nicht Ptolemäus VII, sondern Ptolemäus IV genannt. Durch diese Parallele wie durch ihren Inhalt selbst wird die Ge- schichte mehr als verdächtig. Wenn aber so viel historisch ist, dass Ptole- mäus VII gegen die Juden eine feindliche Stellung einnahm, so war der Grund nicht deren religiöses Bekeuntniss, sondern ihre politische Stellung auf Seiten Kleopatra's. Willrich i^Juden und Griechen vor der makkabäischen Erhebung 1S95, S. 142 153) macht, aus Gründen, die ich nicht für zureichend halten kann, den Ptolemäus Physkon geradezu zu einem Freund der Juden.

30) Vgl. über diese Actenstücke: Gronovius, Deoteta Bomana et Ä»ia- ticu pro Judaeis, Luyd. Bat. 1712. Krebs, Decreta Romanorum pro Judaeü facta e Josepho colteeta, Lips. 1768. Mendelssohn, Senat* con»ulta Roma- norum quae sunt in Josephi Antiquitatitrus {Acta soeieiatis phil. Lips. ed. Ri- tschelius t. V, 1875, p. 87 288). Hierzu die Anzeige in der Theol. Literatur- zeitung 187G, 390 396. Niese, Bemerkungen über die Urkunden bei Jo- sephus Archäol. B. XIII, XIV, XVI (Hermes Bd. XI, 1876, S.466— 4^(. Hier- zu die Replik von Mendelssohn, Rhein. Museum, Neue Folge XXXII, 1877, S. 249—258. Grätz, Die Stellung der kleinasiatischen Juden unter der Römerherrschaft (Mouatsschr. für Gesch. imd Wissensch des Judenth. 1886, S. 329 346). Viereck, Serino graeeus quo senatus pvpulusque Romanus ete. usi sunt (Gotting. 1888), p. 96—110. Noch mehr Literatur s. oben § 3 (in dem Abschnitt über Josephus).

31) Sueton. Caesar 42: Cuncta collegia praeter antiquitus eonstituta distra- xit. Das Verbot wurde später von Augustus wiederholt, Sueton. Aug. 32: Collegia praeter antiqua et kgitima dissoliit.

5*

ßg J$ 31. Das Judenthum in der ZerHtreuung. [524. 525]

nicht geliindeit sein, gemeinsame Beiträge zu entrichten und Zu- sammenkünfte zu halten ^^). Älit Berufung auf dieses Edict hat daher z. B. ein römisclier Beamter die Behörden von Paros ange- wiesen, die Juden in der Ausübung ihrer religiösen Gebräuche nicht zu hindern ''3). Ebenfalls auf den Einfluss Cäsar's sind wohl die vier Actenstücke zurückzuführen, welche .Josephus An/t. XIV, 10, 20 24 zusammengestellt hat. Sie dienen all«; direct oder in- direct dazu, den Juden Kleinasiens die ungehinderte Ausübung ihrer Religion zu verbürgen '•)• Nach dem Tode Cäsar's | wett- eiferten die beiden einander bekämpfenden Parteien mit einander darin, die Privilegien der Juden aufrecht zu erhalten. Einerseits

82) Antt. XIV, 10, 8: Kai yuQ Fdioq KalauQ o rjfittfQOQ atQutijyoq xal vnaroQ iv xio öiardyßaxi, xcjXvwv 9ittaovQ avvdyea&ai xtxxu noltv, /xovovq xovxovq ovx ixciXvatv oixt xQ^f*o'to avveia^iQuv ovxf avvdfinva noieZv.

33) A?ilt. XIV, 10, S. Der Text dieser Urkunden ist ho nachläHsig ül>er- liefert, dass die römischen Namen oft nicht mehr zu enträth^eln sind. Der Name des Beamten, von welchem das Schreiben an die Parier erla»*«en ist, lautet im überlieferten Texte 'lovktoq Fdtoi, was jedenfalls corrumpirt ist. Mendelssohn {Acta soct'etatis philol. Lipg. V, 212 216) vermuthet Sfpovlkiog Oiaxiaq, Proconsul von Asien 4ti— 45 v. Chr.

34) Die vier Actenstücke sind: 1) ein Schreiben der Behörden von Lao- dicea an den Proconsul von Asien, in welchem sie versichern, dass sie der erhaltenen Weisung gemäss die Juden in der Feier der Sabbathe und der Aus- übung ihrer religiösen Gebräuche nicht hindern würden {Antt. XIV, 10, 2<)'. Der Name des Proconsuls ist nicht Fdioq ''Paßi/.?uog oder '^Paßü.Moq, wie der überlieferte Josephus-Text hat, sondern, nach einer in Delo» gefundenen In- schrift, rdioq'^PaßrjQioq (= Rabiriiis), s. Homolle, Bulletin de corresp. helU- niqtie t. VI, 1882, p. 608 612, Mommsen, Ephemeris epigr. V, p, 68 = Corp. Inscr. Lat. f. III Siippl. n. 7239. 2) Schreiben des Proconsuls von Asien an die Behörden von Milet, in welchem diese angewiesen werden, die Juden nicht zu hindern, ihre Sabbathe zu feiern und ihre religiösen Gebräuche aus- zuüben und ihre Einkünfte nach ihren Gewohnheiten zu verwalten, xovg xuq- Tcovg fX£Taxi(-QiC,io&ai xa&cog t&og iaxlv avxolg (Antt. XIV, 10, 21|. Ueber den Namen des Proconsuls s. Bergmann, Philologus 1847, S.684. Waddington, Fastes des provinces asiatiques de l'empire romain P. I, 1872 (Separatabdruck aus Le Bas et Waddington, Inscr iptions t. III), p. 75, und hiergegen die An- zeige von Mendelssohn in der Jenaer Literaturzeitung 1874, Artikel 341. Ritschi, Rhein. Museum 1874, S. 340 f. Mendelssohn, Acta \,2\2 sq. Es ist wahrscheinlich zu lesen IJönXiog ^sgotihog Ilo7i?.iov vlog Ovaxiag (Va- tia). 3) Volksbeschluss der Stadt Halikarnassus ixi^<ptafiu " AXixagvaa- ascov), demzufolge den Juden gestattet sein soll, xd xe adßßaxa dyeiv xal xd XtQa avvxeXeZv xaxd xovg 'lovöa'ixovg vöfiovg xal xccg ngoaivxdg noieia^ai ngog x^ &a?.daa?j xaxd. x6 ndxgiov s&og {Antt. XIV, 10, 23; über die Verrichtung der Gebete am Meeresstrande s. oben Bd. II, S. 444 f. 447). 4) Volksbeschluss der Stadt Sardes, dass den Juden gestattet sein soll, an den von ihnen ange- gebenen Tagen zur Feier ihrer religiösen Gebräuche zusammenzukommen, femer

[525. 526] II, 2. Staatsrechtliche Stellung der Gemeinden. 69

bestätigte Dolabella, der Parteigänger des Antonius, der im J. 43 vor Chr. sich Kleinasiens bemächtigte, den Juden Kleinasiens die von den früheren Statthaltern ihnen gewährte Befreiung vom Kriegsdienst und freie Religionsübung, wovon er die Behörden von Ephesus durch ein Schreiben in Kenntniss setzt ^*t. Andererseits veranlasste Marcus Junius Brutus, der im Frühjahr 42 v. Chr. in Kleinasien zum Krieg gegen Antonius und Octavianus rüstete, die Ephesier zu einem Volksbeschluss, dass die Juden in der Feier der Sabbathe und der übrigen religiösen Gebräuche nicht gehindert werden dürfen ^•^). Durch alles dies ist ein Rechtszustand geschaffen worden, dem zufolge das Judenthum im ge- sammten Gebiete des römischen Reiches eine reliyio licita war=^'). Dass an diesem | Rechtszustande auch die Juden in der Stadt Rom theilnahmen, ist speciell für die Zeit des Augustus durch Philo bezeugt ^^). Doch muss allerdings nach Analogie dessen,

dass ihnen von den Stadtbehörden ein geeigneter Platz „ziun Bauen und Wohnen" [ftq oixoSofjilav xal oixtjatv uvTiüv, es scheint sieh aber nach der vorher erwähnten Petition der Juden nur um den Bau einer Synagoge zu han- deln) angewiesen werde [Antt. XIV, 10, 24'. Die Actt^nstücke scheinen auf ein und dieselbe von Rom aus ergangene Anregung zurück zu gehen. Die Ver- rauthung Mendelssohn'«, dass dies ein Senatsconsult vom J. 46 v. Chr. gewesen sei, ist freilich sehr unsicher. S. Mendelssohn, Acta socütatis philol. Lipt. t. V p. '}!öi)sq. 211s?. 217—228

35) Antt. XIV, 10, 11—12. Hierzu Mendelssohn, Acta V, 247-250.

36) Antt. XIV, 10, 25. Hierzu Mendelssohn, Acta V, 251-254. Der Name des M. Junius Brutus ist im herkömmlichen Texte entstellt in Müq- xco 'lovXla) rio/Anyiio liiö Bqovxov (Niese : Mägxc^ 'lovkitj} JIovxlov vXtä Bqovxu»). Verschiedene Emendationsvorschläge s. bei Bergmann, Philologu» 1847, S. 687, Anm. Waddinrjton, Fastes p. 74. Mendelssohn, Acta V, 254.

37) Den Ausdruck religio licita gebraucht Tertullian. Apologet, c. 21: insignissima religio, certe licita. Es ist übrigens kein technischer Ausdruck in der riunischen Gesetzgebung. Diese spricht vielmehr von collegia licita (Digest. XL VII, 22). Denn das Entscheidende ist, dass den Anhängern eine« Cultus gestattet wird, sich als Corporation zu organisiren und zur Aus» Übung ihres Cultus zu versammeln. Daher die Formel eoire, eonvenire licet, die auch in den Toleranz-Edicten für die Juden öfters wiederkehrt. Vgl. auch Philo, Ijcgat. ad Cajum § 40 Mang. II, 591 sq. Dio Casg. LX, 6 (Verbot des Claudius). Auch für die staatsrechtliche Stellung der Christen war das Versammlungsrecht ein Hauptpunkt, wie man namentlich aus Tertullian. apol. c. 38 39 sieht.

38) Philo, Legat, ad Cajnm § 23 {Mang. II, öGSsq.). Es heisst hier von Au- gustus' Verhalten gegenüber der römischen Judenschaft: 'Hniaxaxo ovv xal TCQoaevx^Q exovxaq xal avviövxaq elg avxag, xai fiukiaxa xalq ifQulq kßdöfiaig, oxs ÖTj^oaicf XTjv ndvQiov natdfiovxai (piXoooipiav. 'Hniaxaxo xal xQ^f^oxa aw- ayayovxag änö x<öv clnaQX<^v ^fp«, xal ns/inovxaq elg '^ legoaöXv/Lta dia xcüv rag &vaiag uva^ovxcov. '.4AA' 6 (ihv ovxe i^cuxiot tfjg ' Pui/ZTjg ixtivovg, ovxe

70 § 31. Da« Judenthum in der ZerHtreuung. [52*5]

was wir sonst über die fremden Culte wissen, angenommen werden, (lass die Juden in Rom bis zum zweiten Jahrli. nach ("hristo ihren (Jultus nicht innerhalb des jwvunmn ausül»en durften '''^j.

Mit der staatsrechtlichen Anerkennung der Jüdischen Grenieinden und ihres Cultus hingen wesentlich auch zwei wiclitige Bcfuyrnisse zusammen: das Recht der eigenen Vermögensverwaltung und die Jurisdiction in Bezug auf die eigenen Mitglieder**'). Das erstere wird schon in den Kdicten aus Cäsar's Zeit mehrfach liervorgehoben •'). Es war für die Juden besonders auch deshalb von Wichtigkeit, weil sie nur dann ihren Verpflichtungen gegen den Tempel zu Jerusalem nachkommen und die gesetzlichen Ab- gaben dorthin abführen konnten. Eben diese Geldausfuhr aus den Provinzen scheint aber ein besonderer Stein des Anstosses für die heidnischen Behörden gewesen zu sein. Wir wissen aus Cicero's Rede für Flaccus, dass dieser während seiner Verwaltung von Asien (62/61 vor Chr.) an verschiedenen Oi-ten solche jüdi.sche Tempel- gelder confisciren liess*^)^ Auch die Communalbehörden von Asien

T^v ' Pcofttt'ixiiv ttvTcüv (l(pfiXfro noXneiav, ort xal t^c *Iov^aixfj(; ftfQÖvtiCfv, ovxe ivfwr^Qiasv flq rag ngoasv/ag, ovtf ^xot).va( awayeaOai ngo^ rcf rtüv vofiwv v<p7jy^aHg, ovre rJvavr/aJ^ xoTq dnaQyoiJLivoiq. Vgl. anch ilrid. g 4<J {Mang. II, 592).

39) Vgl. Marquardt, Rijmische Staatsverwaltung III, 3.5, Gilbert, Ge- schichte und Topographie der Stadt Rom im Altertum Bd. III, 189^), 8. Uj9 115, und oben S. 46.

40) lieber die analogen Verhältnisse bei den griechischen Vereinen vgl. Ziebarth, Das griechische Vereinswesen (1896) S. 15*3 183.

41) Cäsar selbst gestattete den Juden %QiiyLtixa awua<f.iQfiv {Antt. XIV, 10, 8). In dem Schreiben des Proconsuls von Asien an die Milesier {Antt. XIV, 10, 21) wird den Juden gestattet xovq xagnoig fxexaxeiQiXfo&ai ya^ojq ed-og iatlv avroZq.

42) Cicero pro Flacco 28: Qutim auncm Judaeorum nomine, quotannis ex Italia et ex omnibus provinciis Bierosolyma exportari soleret, Flaccus sanxit

edicto, ne ex Asia exportari liceret UM ergo crimen est? qucmiam qui-

(Jem furtum, nusqiiam reprehendis, edictum jrrobas, judicatiim fateris, quaesitum rt prolatum palam non negas, actum esse per viros primär ios res ipsa declarai : Apameae manifesto deprehensum, ante pedes praetoris in foro expensum esse auri pondo centiim, paullo minus per Sei. Caesium, equitem Romanum, castissi- mum. hominem atque integerrimum ; Laodiceae viginti pondo paidlo amplius per hunc L. Peducaeiim , judicem rwstrum; Adramyttii per Cn. Domitium le- (jatum; Pergami non multum. Früher hatte schon Mithridates in Kos jüdische Gelder wegnehmen lassen [Antt. XIV, 7, 2). Die an letzterer Stelle genannte Summe (800 Talente) ist freilich so gross, dass nicht bloss Abgaben an den Tempel gemeint sein können. Th. Reinach {Eeviie des etudes juites t. XVI, 1888, p. 204—210) vermuthet, dass es sich um jüdische Capitalien handelt, welche man vor Mithridates geflüchtet hatte.

[52Ö. 527] II, L Staatsrechtliche Stellung der Gemeinden. 71

scheinen selbst nach den Edicten der cäsarischen Zeit und ti*otz derselben noch in ähnlicher Weise vorgegangen zu sein. Die Acten- stücke aus der Zeit des Augustus beziehen sich daher hauptsäch- lich auf diesen Punkt. Wie Augustus | aus Rom selbst die Abfuhr der Gelder gestattetet^), so wii'd auch den L'ommunen von Klein- asien und Cyrene eingeschärft, dass sie in dieser Beziehung den Juden kein Hinderniss in den Weg zu legen hätten**). Entwen- dung solcher Gelder ist wie Tempelraul» zu bestrafen*^). Dass diese Edicte noch zur Zeit des vespasianischen Krieges in Kraft bestanden, sehen wir aus einer gelegentlichen Aeusseruug des Titus^^), Von gleicher Wichtigkeit war für die jüdischen Ge- meinden die eigene Jurisdiction. Da das mosaische Gesetz sich nicht nur auf die Cultushandlungen, sondern auch auf die Verhältnisse des bürgerlichen Lebens bezieht und diese unter die Norm eines göttlichen Gesetzes stellt, so war es für das jüdische Bewusstsein ein unerträglicher Zustand, dass Juden nach anderem als nach jüdischem Recht gerichtet werden sollten*'). Wohin die

43) Philit, Leyat. ad Cajum § 23 (eil. Maufj. IT, 5(i8«9.)- Die Thatäache der Ausfuhr ejc Italia envjihnt schon Cicero au der oben angeführten Stelle.

44) Jos. Antt. XVI, <), 2. 3. 4. 5. 6. 7. PhHo, Legat, ad Cajum § 40 («/. Many. II, 592). Von diesen Actenstücken bezieht sich Antt.X'Vl,ii,5 auf Cyrene, die übrigen auf Klein- Asien. Die Chronologie der letzteren ist folgende. 1) In die erste Zeit des Augustus gehört das Schreiben desselben an Norbauus Fl accus tAntf. XVI, tj, 3) und die Schreiben des Norbanus Flaccus an die Be- hörden von Sardes {Antt. X^^, 0, G) und von Ephesus [Philo, Legat, ad Cajunt ^ 40). In allen dreien kommt der Titel Sfßaaxoi für Augustus noch nicht vor ; sie fallen also vor 27 vor Chr. ( Waddittgton, Fustes p. 83 sq, Dessau, Pro- sopogr. imperii Roinani II, 415). 2) In das J. 14 vor Chr. gehört das Schreiben des Agrippa an die Behörden von Ephesus (Antt. XVI, 0, 4). Ab nämlich Herodes im J. 14 vor Chr. den Agrippa in Kleinasien besuchte, beklagten sich die dortigen Juden über Bedrückungen, welche sie von Seite der städtit»chen Behörden zu dulden hätten: es würden ihnen ihre heiligen Gelder geraubt, und sie gezwungen am Sabbath vor Gericht zu erscheinen. Agrippa schützte in beiden Beziehungen die Rechte der Juden (^4n//. XVI, 2, 3 5; vgl. XII, 3, 2). Auf eben diese Punkte bezieht sich aber das angeführte Schreiben des Agrippa, 3) Das Proconsulat des Julius Antonius, welcher den Ephesiern die Ver- ordnungen des Augustus und Agrippa wieder einschärfte [Antt. XVI, 0, 7), fallt wahrischeinlich 4 vor Chr. (fra<W///^/on, Fastes p.'ä^sq.). 4) Endlich, da offenbar immer wieder gegen diese Anordnungen gefehlt wurde, wiederholte sie Augustus in einem Edicte zur Zeit des Proconsuls C. Marcius Censorinus {Antt.}LW, •5, 2). Letzterer war zwischen 2 vor und 2 nach Chr. Statthalter von Asien {Waddington, Fastes p. 102 sq. Niese, Hermes XI, 1870, S. 48i>. Dessau, Pro- sopogr. imp. Rom. II, 3308^.).

45) ,4««. X\^, 6, 2. 4.

40) Bell. Jud. VI, 6, 2 [ed. Niese § 335): daafioXoYelv te vßZv inl x<^ Setö xcci dva&tjfiara avk?.iysiv infXQen'afiev x. x. X.

47) Vgl. die rabbinischen Stellen bei Wetstein, Nov. Test., zu I JJ//r. 6, 1.

72 8 31. Das Judeuthum in der Zeretreuuog. [527. 52S

Juden kamen, brachten sie ihr eigenes liecht mit und hielt<*n Ge- richt nach dessen Norm über die Mitglieder ilirer Gemeinschaft. Beweise dafür giebt namentlicli das Nene Testament, Der Apostel Paulus lässt sich vom Synediium in Jerusalem ^'ollmacht geben zur Verhaftung der in Damaskus wohnenden ehristusgläubigen Juden {Act. 9, 2). Er lässt diesell)en auch an anderen (Jiten in's Gefängniss werfen und geissein {Act. 22, 19. 26, 11). Er selbst ist später als Christ von den Juden fünfmal gegeii^selt worden (II AV. 11,24), wobei doch sicher nicht an palästinensische, sondern an auswärtige Judengemeinden zu denken ist In Korinth verweist der Proconsul Gallio die Juden mit ihrer Klage gegen Paulus vor ihr eigenes Forum, da er nur dann Richter sein wolle, wenn Paulus eine Frevelthat verübt habe, nicht aber, wenn es sich bloss um üebertretung des jüdischen | Gesetzes handle {Acf.]^, 12—16). Man sieht aus alledem, dass die Juden thatsächlich nicht nur die Civil-, sondern sogar die Criminalgerichtsbarkeit gegen ihre Mitglieder ausgeübt haben. Ob sie dazu überall berechtigt waren, kann man bezweifeln. Jedenfalls werden auch liier, wie in Palästina zur Zeit der Procuratoren, gewisse Schranken gezogen gewesen sein. Sicher ist aber, dass die jüdischen Gemeinden in Civil Sachen nicht etwa nur in Alexandria (s. oben S. 40f.), sondern auch sonst ihre eigene Gerichtsbarkeit hatten. Diese wird schon vor der Zeit Cäsar's z. B. den Juden von Sardes in einem Schreiben des Lucius Antonius (50 49 vor Chr. Präses der Provinz Asien i an die Behörden von Sardes ausdrücklich zugestanden*®). Und die Gesetzgebung der christliQhen Kaiser zeigt uns, dass dieses Recht auch später noch den jüdischen Gemeinden allgemein geblieben ist (s. unten am Schlüsse dieses Abschnittes).

Da die jüdische Gesetzlichkeit die Juden in der Diaspora leicht in Conflict mit den Ordnungen des bürgerlichen Lebens ])ringen

48) Jos. Antt. XrV, 10, 17: 'lovSaloi noXlxai ^/iszsQOt nQoae?.&6vzeq fioi ineöei^av avrovg ovvoöov syfiv löiav xara zoiq TcaxQiovq vofzovg un aQ/^ijq xal xönov l'öiov, iv w xe TiQtiyfiuxa xal zag TCQoq u?./.j]/.ovg avxi- /.oylag xQivovaiv, xovxo xs ahriGa/xevoig <V' f'^j noiftv avxoTg. xr/QTjaai xal imxQixpai sxgiva. Ueber L.Antonius, einen Bruder des Trium\irs M. An- tonius, s. Pauly's Encyclop. Neue Bearb. I, 2585 ff. Bergmann, Philologu« 1847, S. 680. Waddington, Fast es p. 63. Mendelssohn, Acta societatis phil. Lips. V, 169. 186. Für das nähere Verständniss des Schreibens ist zu beachten, dass es sich um Juden handelt, welche das römische Bürgerrecht besassen. Diese hätten das Eecht gehabt, vor dem Sonder-Gericht für römische Bürger Kecht zu suchen (über diese Sonder - Gerichte s. Eudorff, Römische Rechts- geschichte II, 13, und die oben S. 64 genannte Literatur. Sie zogen es aber vor, sich an das Gericht der jüdischen Gemeinde zu halten.

[528. 529] II, 2. Staatsrechtliche Stellung der Gemeinden. 73

konnte, so war eine vollkommen freie ßeligionsübung im Grunde doch erst dann verbürgt, wenn die staatliche Gesetzgebung und Verwaltung von den Juden nichts verlangte, was ihnen nicht auch nach ihrem Gesetze gestattet war. Selbst in dieser Hinsicht hat die römische Toleranz den Juden starke Concessionen genmcht. Ein Hauptpunkt war hier der Militärdienst. Ein solcher war für den Juden in nicht -jüdischen Heeren überhaupt unmöglich, denn am Sabbath durfte er weder Watten tragen noch mehr als 2000 Ellen weit marschiren *'■'). Die Frage wurde namentlich prak- tisch, als beim Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompejus im J. 49 vor Chr. die pompejanische Partei im ganzen Orient grosse Truppenaushebungen vornahm. In der Provinz Asien allein hob der Consul Lentulus zwei Legionen römischer Bürger aus''*^). Da nun, wie wir] eben bei dieser Gelegenheit erfahren, daselbst auch viele Juden das römische Bürgerrecht hatten, so wurden auch diese von der Conscription betroflfen. Auf ihre Bitten befreite sie aber Lentulus vom Kriegi^dienst und gab den mit der Conscription beauftragten Behörden allenthalben entsprechende Weisungen^'). Sechs Jahre später (43 v.Chr.) hat Dolabella den dortigen Juden mit ausdrücklicher Berufung auf die früheren Edicte die uorQarda bestätigt ^^). Auch in Palästina ist ihnen dieselbe durch Cäsar zugestanden worden ^^). Von sonstigen Privi- legien, welche durch die Rücksicht auf die jüdische Gesetzlich- keit veranlasst waren, ist noch zu erwähnen, dass die Juden nach einer Verordnung des Augustus nicht zum Ei-scheinen vor Gericht am Sabbath gezwungen werden durften^*), dass ihnen, ebenfalls nach einer Verordnung des Augustus, das zur öffentlichen Verthei- lung kommende Geld oder Getreide, wenn die Vertheilung auf einen Sabbath fiel, am darauffolgenden Tage geliefert werden musste^^j, endlich dass ihnen statt des von den Communen gelie-

49) Verbot des Waffentragens: Misehna Schabbath VI, 2. 4. In Betrefl" des Marschireus s. oben Bd. II, S. 475 f.; auch Antt. XIII, 8, 4. XIV, 10, 12.

50) Caesar Bell. CiV. III, 4: [Pompejus) legiones effecerat eirium Romano- rum IX . . . ., duas ex Asia^ quas Lentulus consul eonseribendas eurarerat.

51) Antt. XIV, 10, 13. 14. 16. 18. 19. Vgl. hierzu Mendelssohn, Acta soc. phil. Ups. V, 107—188. Theol Literaturzeitung 1870, 393.

52) Antt. XIV, 10, 11—12.

53) Antt. XIV, 10, 6.

54) Antt. XVI, 6, 2 u. 4 (der technische Ausdruck iyyvaq ono).oyeiv heisst: Bürgschaft geben, dass man vor Gericht erscheinen wolle). Ueber die Ver- anlassung dieser Decrete s. oben Anm. 44. Ueber das jüdische Verbot des Gerichthaltens am Sabbath s. oben Bd. 11, S. 210 f.

55^ Philo, Legat, ad Caj'um §23 {ed. Mang.ll, öß9). lieber diese Geld- und Getreide vertheilungen s. Toller, De spectaeidis, eenis, distributionihus in municipiis romanis occidentis imperatorum aetate e-xhibilts. Diss. Lips. 1889.

74 8 yi- I^"* Judenthum in der Zerstreuung. (Ö29. 590)

ferten Oeles, dessen Gebraucli den Juden verboten war, entspre- chende Geldentschädif^uuf? p^ep^eben wurde, ein Herkoninu-n, in dessen Genuss z. B. die Juden in Antiocliia zur Zeit des vespasia- nischen Krieges durch den Statthalter Mucianus geschützt wurden *'). Dieser gesainiiite R<5c,htszustaiid ist in der späteren Zeit nie wesentlich und dauernd alterirt worden. Die kaiserliche Gesetz- gebung hat zwar zuweilen gewisse Beschränkungen eingeführt. Es ist wohl vorübergehend das Judenthum auch verfolgt worden. Eine dauernde und wesentliche Aenderung des bestehenden Zustandes hat aber bis in die spätere Kaiserzeit nicht stattgefunden. Die Mans- regel des Tibeiius gegen die römischen Juden hat sich nur auf die Stadt Rom beschränkt. Eine ernste Krisis trat freilich zur Zeit Caligula's ein. Aber gerade hier zeigte es sich, wie wei-thvoU es für die Juden war, da.^s sie bereits einen alten Rechtszustand fiii- sich hatten. Die religiöse Freiheit der Juden war nämlich aufs schwerste bedroht durch die Einfühlung und immer weitere Verbreitung des ICultus der Kaiser. Je mehr dieser officiell betrieben wurde, desto mehr unisste es als Illoyalität erscheinen, dass die Juden sich nicht an demselben betheiligten. Als nun Caligula den, seit Augustus vielfach von den Provinzialen aus eigenem Eifer eingeführten Cultus (s. oben Bd.II, 8.26 f.) allenthalben und gebieterisch forderte, war die Religions-Freiheit der Juden unrettbar verloren, wenn die Forderung auch ihnen gegenüber consequent durchgeführt wurde. So lange Caligula lebte, ist der Vei*such dazu in der That gemacht worden; und es ist aus der Geschichte bekannt, welche furchtbaren Stürme dadurch für die Juden heraufbeschworen wurden (s. «5 17^). Zum Glück für die Juden dauerte aber die Regierung Caligula's nicht lange. Sein Nachfolger Claudius beeilte sich, durch ein allge- meines Toleranz-Edict den früheren Zustand einfach wieder her- zustellen^'). Seitdem ist nie wieder ernstlich davon die Rede ge- wesen, die Juden zur Theilnahme am Kaisercultus zu zwingen. Es galt als ein altes Recht, dass sie davon befreit seien, ein umstand, durch den sie namentlich den Christen gegenüber im Vortheile waren. Das spätere Vorgehen des Claudius gegen die römischen Juden hat sich wie das des Tiberius ebenfalls auf die Stadt Rom <